Styleblog "What My Daughter Wore":Meine Tochter, das Style-Wunder

  • Eine New Yorker Künstlerin porträtiert seit zwölf Jahren täglich ihre Tochter in verschiedenen Outfits.
  • Die Skizzen veröffentlicht sie auf Instagram als Style-Blog unter dem Titel "What My Daughter Wore".
  • Sie erzählen die Geschichte einer modischen Entfaltung, aber auch das Heranwachsen eines Kindes.
  • "What My Daughter Wore" wurde vom Time Magazine ausgezeichnet, eine Auswahl mit 150 Skizzen ist als Buch erschienen.

Von Violetta Simon

Fellmütze, 50er-Jahre-Sonnenbrille und Batman-Shirt - das Mädchen auf den Instagram-Bildern hat einen sehr eigenen Geschmack. Es wäre übertrieben, die zwölfjährige Clementine als Stil-Ikone zu bezeichnen. Doch für ihre Mutter Jenny Williams ist sie eine Inspiration - die wichtigste. Tag für Tag dokumentiert die New Yorker Künstlerin auf einem Blog mit dem Titel "What My Daughter Wore" die eigenwillige Kleiderauswahl ihrer Tochter.

Im Gegensatz zu den üblichen Modeblogs sieht man hier keine Fotos, sondern handgefertigte Skizzen. Die Bilder erzählen die Geschichte einer modischen Entfaltung und das Heranwachsen des Mädchens Clementine. Sie dokumentieren die Entwicklung der heute Zwölfjährigen vom Tag ihrer Geburt an - jeden Tag ein anderes Outfit.

"Meine Tochter hat sich schon immer durch die Wahl ihrer Kleidung ausgedrückt", sagt Williams. Bereits als Kleinkind habe sie ihren ganz eigenen Kopf gehabt, wenn es um Mode ging. Wollte etwa ein Jahr lang nur Turnanzüge tragen. Jeden Tag. Mit einem Rock darüber. Das sei nicht gerade praktisch gewesen, aber Williams habe es ihr erlaubt. "Ihre Outfits und die ihrer Freunde inspirierten mich."

Die Zeichnungen, die so gar nichts gemein haben mit dem Labelfetisch und den Posen der üblichen Modeblogs, hatten schnell eine Fangemeinde. 2013 wurde "What My Daughter Wore" vom Time Magazine unter die besten 25 Blogs des Jahres gewählt. Kurz darauf meldete sich ein Verlag, jetzt wurde eine Auswahl mit 150 Skizzen als Buch veröffentlicht.

Kindheit in Skizzen

Dabei sind die Zeichnungen eigentlich aus praktischen Gründen entstanden: Williams hat jahrelang als freie Illustratorin gearbeitet. Bis die Kinder kamen - zwei Söhne, eine Tochter. Von da an malte sie nur noch zu Hause, das Geld verdient ihr Mann an der Wall Street. Das Loft in Brooklyn wurde Arbeitsplatz und Lebensmittelpunkt zugleich - für die Familie, aber auch für die Freunde der Kinder. Es wurde eng, also tauschte die dreifache Mutter die großen Leinwände gegen den Zeichenblock.

In den ersten Jahren zeichnete Williams vorwiegend ihre Kinder im Alltag. Um einzelne Momente zu verewigen und zu zeigen, wie sie heranwachsen. Bald wollte sie wieder regelmäßig und zielgerichtet zeichnen - vor allem brauchte sie eine Methode, um sich zu disziplinieren. So entstand 2011 die Idee, eine Art Stil-Tagebuch zu erstellen, deren Protagonistin ihre Tochter Clementine sein würde.

Seitdem präsentiert sie die modische Entwicklung von Clementine und ihren Freundinnen auf Instagram. Anstatt, wie andere, Fotos von sorgfältig ausgewählten Kreationen an aufwändig gestylten Models zu posten, zeichnet Williams Mädchen in bunten Strumpfhosen, mit Sneakers oder Ankle Boots, mit Perlentasche, Hut oder Brille. Weil ihre Tochter in die Schule muss und keine Zeit hat, Modell zu sitzen, fotografiert sie Clementine und zeichnet anschließend vom Foto ab.

Der Mensch hinter der Mode

So entstand im Laufe der Jahre nicht nur ein Abbild der angesagten Street-Styles. Jedes der Bilder, die Hunderte von Skizzenblöcken füllen, erlaubt auch einen Blick auf die kleinen Menschen darin. "Ich hatte diese Idee im Kopf, die dokumentarische, ehrliche Darstellung eines Style-Blogs mit der Unmittelbarkeit einer Skizze zu vereinen", erklärt die New Yorkerin.

Aber ist es nicht befremdlich, wenn eine Mutter den Kleidergeschmack der Tochter kommerzialisiert? Wenn fremde Menschen im Netz täglich sehen können, für welche Klamotten sich die Zwölfjährige morgens entschieden hat? "Meine Tochter war von Anfang an mit Enthusiasmus dabei, sie zeichnet ebenfalls sehr gern", erzählt Williams. So gesehen sei der Styleblog ein Gemeinschaftsprojekt.

Williams wundert sich oft, wenn Leute über ihre Zeichnungen sagen, dass die Kinder darauf cool oder stylish aussähen. "In Wirklichkeit schlägt mein Herz für die Freaks und Außenseiter, die sich nichts aus Trends machen und sich dem Druck Gleichaltriger entziehen." Gerade die Kids, die von der coolen Masse gemieden würden, seien es, die sie am liebsten zeichne.

"Was mich an dem Projekt besonders bewegt, ist die Tatsache, dass ich meine Tochter in Echtzeit dokumentiert habe", sagt Williams. "Ich kann zurückgehen bis zum Zeitpunkt ihrer Geburt und sehen, wie sie heranwuchs - vom Kind bis zum jungen Mädchen." Auch bei Clementines Freunden könne sie diese Entwicklung beobachten. Der Aspekt der "Zeitkapsel", die diese Kinder in einem bestimmten Zeitraum einfängt, sei für sie einer der schönsten.

Der Blog ist heute für Williams sehr viel mehr als ein modisches Tagebuch. "WMDW wurde ein fester Bestandteil im Leben meiner Tochter und in unserer Beziehung - wenn auch nur ein kleiner, unterhaltsamer Teil", sagt Williams. "Ich glaube, sie ist stolz auf das Projekt."

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