Sonnenmilch:Weniger ist besser

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Sonnenschutz soll man nicht sehen. Darum enthält er viel Chemie.

(Foto: imago)

Wer Sonnenmilch benutzt, galt bislang als klug und gesundheitsbewusst - für die Natur sind die meisten Lotionen aber schädlich. Einen Trost gibt es trotzdem.

Von Christina Berndt

Wenn etwas schadet, das eigentlich als Schutz gedacht war, ist das ziemlich deprimierend. Und es wird nicht besser, wenn einen diese Erkenntnis nach jahrelangem, eifrigem Engagement ereilt. Jüngst hat sich herumgesprochen, dass selbst die zuletzt so hoch geschätzte Sonnenmilch Übles anrichten kann, denn da schwappte von Hawaii eine ungewöhnliche Meldung nach Europa: Bestimmte Lotionen sollen dort verboten werden, so steht es in einem Gesetzesentwurf, den das hawaiianische Parlament verabschiedet hat.

Wenn der Gouverneur noch unterzeichnet, wird es auf der Inselgruppe von 2021 an keine Sonnencremes mehr geben dürfen, die die Chemikalien Oxybenzon oder Octinoxat als Filter für die gefährlichen UV-Strahlen der Sonne enthalten. Und das ausgerechnet in der Heimat der Kultmarke "Hawaiian Tropic", deren palmengeschmückte Sonnenmilchflaschen uns jahrzehntelang öligbraune Haut als Inbegriff des reuelosen Sonnenkults vorgegaukelt haben - obwohl sie selbst diese Chemikalien enthalten. Der Grund für den bevorstehenden Bann: Die Substanzen schaden Korallen und womöglich noch anderem Meeresgetier.

Rund 20 Jahre lang war der moderne Mensch mit Sonnenschutz stilsicher unterwegs. Sonnengegerbte Haut war ein Relikt des vergangenen Jahrtausends, nur noch mit einer Portion Ignoranz und einem Hang zur hedonistischen Selbstzerstörung zu erklären. Blässe war nicht nur wieder vornehm, sondern ein Ausdruck von Klugheit und Selbstfürsorge.

Und jetzt das: Sonnencreme-Nutzer schädigen die Umwelt. Wer seine Haut vor vorzeitiger Alterung und Krebs bewahrt, frönt genauso dem Öko-Egoismus wie derjenige, der in der Hoffnung auf weniger Schadstoffe im Essen in Bio-Äpfel beißt, die aus Neuseeland eingeflogen werden. Echte Umweltschützer jedenfalls frohlocken angesichts der Nachricht aus Hawaii: "Das ist die erste wirkliche Chance für lokale Korallenriffe, sich zu erholen", sagte der Biologe Craig Downs dem Guardian.

Es war seine Studie, die 2015 Umweltschützer erstmals gegen Hautschützer aufbrachte: Oxybenzon (auch Benzophenon-3 genannt) könne Babykorallen töten und erwachsene Korallen ausbleichen lassen, berichtete Downs im Fachblatt "Archives of Environmental Contamination and Toxicology". Bis zu 14 000 Tonnen Sonnenmilchwürden jedes Jahr auf den Korallenriffs dieser Welt landen, aber schon ein Tropfen Oxybenzon verteilt auf eine Wassermenge von 6,5 olympischen Schwimmbecken schade der Natur.

Nun will niemand Korallenbabys töten, um die eigene Haut zu retten. Aber was tun? Künftig ohne Sonnencreme aus dem Schatten zu treten, ist weiterhin nicht angesagt, weil man sonst Falten oder sogar Krebs bekommt: "UV-Filter sind das Mittel gegen Hautalterung und Tumoren schlechthin", sagt die Hautärztin und Bestsellerautorin Yael Adler ("Haut nah"). Und wasserfeste Creme schützt das Meer auch nicht. Schließlich darf Sonnenmilch bereits dann "wasserfest" heißen, wenn davon nach zweimal 20 Minuten Baden die Hälfte im Wasser schwimmt.

Es gibt Sonnencremes, die nicht böse sind

Einen Trost gibt es trotzdem: Der Clash zwischen Umwelt und Gesundheit ist gar nicht so groß, wie sich das zunächst anhört. Zum einen sind die Substanzen, die dem marinen Leben schaden, auch nicht gut für den Menschen. Und zum anderen gibt es durchaus Sonnencremes, die nicht böse sind und trotzdem mehr können als Öle aus Sesam, Kokos, Olive oder Erdnüssen, die mit ihren ungesättigten Fettsäuren und Vitaminen ebenfalls Schutz bieten, aber nur mäßigen.

Grundsätzlich gibt es zwei Arten von effektivem Sonnenschutz - chemische und mineralische UV-Filter. Dabei gilt: Die chemischen Filter sind weder für die Haut noch für das Meer erstrebenswert. Das gilt nicht nur für die beiden in Hawaii gebrandmarkten Substanzen, sondern auch für deren angeblich verträglichere Nachfolger. Die meisten scheinen nicht nur eine Gefahr für das Ökosystem zu sein, weil sie Tiere verweiblichen und bei ihnen Verhaltensstörungen auslösen. Auch die menschlichen Gesundheit können sie beeinträchtigen, weil sie tief in die Haut eindringen, Zellen schädigen und hormonelle Wirkung entfalten.

Das Problem ist nur: Die gefährlichen Substanzen in der Sonnenmilch sind auf der Flasche nicht so leicht zu entdecken. Denn sie stehen mit den englischen Fachbegriffen zwischen allen anderen Inhaltsstoffen. Und der harmlose Emulgator "Polyglyceryl-2 Caprate" klingt dabei fast so giftig wie der offenbar hormonell aktive UV-Blocker "Isoamyl Methoxycinnamate".

Die eigene Haut oder die Umwelt retten?

Die Lösung sind Sonnencremes von Herstellern zertifizierter Naturkosmetik. Diese enthalten keine chemischen, sondern nur mineralische UV-Filter, und die gelten als unbedenklich, betont das Magazin Öko-Test. Auf die Haut geschmiert, reflektieren Minerale wie Titandioxid das Sonnenlicht wie eine Schicht aus winzigen Spiegeln. Doch die mineralischen Sunblocker haben einen Nachteil: Man sieht sie. Die Cremes lassen sich nicht so gut verreiben und hinterlassen eine feinweiße Schicht auf der Haut. So beliebt Sonnencreme mit immer höherem Lichtschutzfaktor auch geworden ist: Auffallen soll sie trotzdem nicht. Über Weledas "Edelweiß"-Sonnenmilch schreibt eine Nutzerin im Internet enttäuscht, man sehe den ganzen Tag kalkweiß damit aus.

Zur Gefahr für Umwelt und Gesundheit können übrigens auch die mineralischen Filter werden: Allerdings nur, wenn sie - wie dies neuerdings in immer mehr Produkten der Fall ist - zwecks besserer Schmierbarkeit und dezenterer Weiße als Nanopartikel eingesetzt werden. Dazu werden die Mineralien so fein gemahlen, dass die Größe ihrer Teilchen nur noch im Nanometerbereich liegt. In dieser winzigen Form, warnt Craig Downs, können die mineralischen Filter womöglich die Schutzschicht der Haut durchdringen und im Körper Schaden anrichten; auch die Folgen für die Umwelt sind nicht absehbar. Ob Stoffe in Nanoform enthalten sind, erkennt man aber leicht auf der Verpackung, da Nanopartikel in Kosmetikprodukten in der EU deklariert werden müssen. Zum Beispiel als "Titandioxid (nano)".

Die eigene Haut oder die Umwelt retten? Die Frage wird sich in Zukunft wohl noch seltener stellen. Denn Firmen entdecken, dass Kunden beides möchten. Allerdings ist Vorsicht geboten. So enthält etwa die "Waterlover Sun Milk" von Biotherm laut Hersteller nur "öko-getestete" UV-Filter; chemische Filter mit vermuteter hormonellen Wirkungen sind aber trotzdem drin.

Über die Naturkosmetika hinaus gibt es daher nur zwei verlässliche Möglichkeiten, den Einsatz der Chemikalien zu reduzieren: Lichtschutzfaktor 30 ist in der Regel völlig ausreichend, es muss nicht 50 sein - denn je geringer der Lichtschutzfaktor ist, desto weniger UV-Filter sind in der Creme. Oder man hält es mit Charlize Theron und geht mit einem Longsleeve ins Meer. Wie wichtig Sonnenschutz sei, habe sie bereits früh erfahren, sagte die Schauspielerin einmal - "durch meine Mutter, die sehr schön altert".

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