Sommertrend:Schwimmbreze von rechts

Sommertrend: Auch von regionalen Spezialitäten wie Brezn gibt es mittlerweile wasserfeste Ausführungen.

Auch von regionalen Spezialitäten wie Brezn gibt es mittlerweile wasserfeste Ausführungen.

(Foto: PR)

Ob als Schwan, Donut oder Pizzastück - in unseren Gewässern tauchen immer mehr bizarre Gummiobjekte auf. Sind das groteske Stillosigkeiten oder retten uns diese Dinger am Ende vor dem Untergang?

Von Gerhard Matzig

An sich müsste man jetzt ja mal ein bisschen an der Statistik herumkneten - ein bisschen Luft da hinein, etwas Luft dort hinaus - um zu etwas so Positivem wie einer aufblasbaren Gummibrezn zu gelangen.

Ist es also nicht erstaunlich, dass laut einer Studie bundesweit zwar nur noch jedes zweite zehnjährige Kind sicher schwimmen kann - dass aber paradoxerweise die Anzahl der Todesfälle durch Ertrinken in Deutschland von 1993 bis 2015 signifikant abgenommen hat?

Denn das hieße ja: Je schlechter die Menschen schwimmen können, desto besser sind sie im Wasser aufgehoben. Klingt irre? Ist es auch. Vor allem, wenn man bedenkt, dass dann die aufblasbaren Gummitiere in Wahrheit keine grotesk verformten Bade-Stillosigkeiten, sondern kinderfreundliche Superhelden wären.

Denn die Kinder schwimmen immer schlechter, es kommt aber zu weniger Unfällen im Wasser - und gleichzeitig tauchen immer bizarrere Gummitier-Verirrungen an den Ufern der Gewässer auf. Als ginge es im Rudel zur Tränke der Abscheulichkeiten.

Könnte es also letztlich sein, dass der grassierende Gummiwahnsinn nicht das perfide Grauen ist, für das man ihn halten könnte und den man gern bei der Ästhetik-Polizei denunzieren würde, sondern: tja, hmm . . . die Rettung?

Luftmatratzen bewahren Deutschland vor dem Untergang

Muss man also die Frage, wo denn nun das Positive bleibt, letztlich so beantworten: Schaut mal, da kommt es schon - und es sieht aus wie der Jumbo-XXL-Aufblasschwan, wie die Jumbo-XXL-Aufblaspizza oder wie die Jumbo-XXL-Aufblaslimettenscheibe. Eventuell auch wie eine Drachen-Schildkröte, ein Einhorn oder wie der "Pegasus Pool Float Funboy" für 90 Euro.

Man müsste sich insofern nicht ekeln vor diesem Bestiarium am Pool, man könnte die schwimmbaren Gestalten auch umarmen. Sie sehen umwerfend aus, in jeder Hinsicht - und bewahren Deutschland außerdem auch noch vor dem Untergang.

Doch bevor jetzt die Deutsche Lebensrettungsgesellschaft DLRG aufschreckt: So einfach ist es nicht. Die Gummitiere gibt es zwar seit den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts. Die Illustrierte Die Woche berichtete 1924 aus Übersee: "Nach der neuesten Mode nehmen die jungen Damen in amerikanischen Seebädern große Gummitiere mit, auf denen sie im Wasser herumreiten."

Mittlerweile bestehen die Luft-Delfine, angeblich die am häufigsten nachgebildeten Tiere, aber aus PVC-Folie, somit aus Kunststoff und Weichmachern, weshalb sie eines sicher nicht sind: ökologisch oder gesundheitlich unbedenklich. Auch als Schwimmhilfen sind die Figuren nur bedingt einsatzfähig, was jeder bestätigen wird, der einmal auf einer Tierattrappe im Pool lag, die innerhalb einer Minute komplett schlappmachte.

Gummitiere zur Jagd freigeben

Wie alle anderen Gummitiere auch werden sie in China hergestellt, herangekarrt - und als Saisonartikel verramscht. Die Einmalhingucker landen ab September auf jenem Müllberg der Zerstreuungsindustrie, der mittlerweile bis zum Mond reichen dürfte. Bitte nicht wundern: Es gibt den Mond selbstverständlich auch in aufblasbarer Schwimmform.

Gummitiere sollte man folglich nicht herzen, sondern zur Jagd freigeben. Mit Ausnahme vielleicht jener Exemplare, die in der Verhaltensforschung eingesetzt werden. Bernhard Grzimek ließ sich einst Attrappen liefern, weil er sehen wollte, wie Löwen, Elefanten und Nashörner auf ihre aufgeblasenen Artgenossen reagieren.

Ergebnis: Nur die Elefanten haben es durchschaut. Sie ignorierten die Luftikusse, was man mit den Pool-Pizzen wohl auch machen sollte. Einerseits. Andererseits: Manchmal watschelt ein Kind mit Lieblingsgummitier unterm Arm auf das Wasser zu - mit einem Blick aus reinem Glück.

Man hätte dann auch gern den alten Fina-Schwimmreifen zurück, den Niveaball oder eben den Delfin. Wie früher. Als man noch nichts wusste von DLRG und PVC. Als das Freibad noch aus Frittenfett, Kinderlachen, Sonnencreme und Vätern bestand, die uns rotgesichtig einen Delfin aufblasen mussten. Es war so schön.

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