Schönheitschirurgie:Copy and Waste

Schönheitschirurgie: Vorbild und Abbild: Auf dem linken Foto First Lady Melania Trump mit ihren begehrten hohen Wangenknochen. Rechts Claudia Sierra aus Texas nach neun Schönheitsoperationen.

Vorbild und Abbild: Auf dem linken Foto First Lady Melania Trump mit ihren begehrten hohen Wangenknochen. Rechts Claudia Sierra aus Texas nach neun Schönheitsoperationen.

(Foto: The White House/AP, privat)

Melania und Ivanka Trump stehen auf der Wunschliste der Kundinnen von Schönheitschirurgen weit oben. Einfach nur schräg? Oder krank?

Von Laura Hertreiter

Der Name Trump fällt ständig in der Schönheitsklinik des New Yorker Chirurgen Norman Rowe. Alle paar Tage, sagt er, sitzt er einer Kundin gegenüber, die ein bisschen mehr nach Trump aussehen will. Melania oder Ivanka natürlich, nicht Donald, um Himmels willen. 2017 war das Jahr, in dem Frau und Tochter des im Januar vereidigten US-Präsidenten zu den Vorbildern chirurgiebegeisterter Amerikanerinnen wurden.

"Im Sommer ging das los, und plötzlich wollten alle Melanias Wangenknochen oder Ivankas Kinn", sagt Chirurg Rowe. Also bauscht er Wangenknochen, Hintern, Brüste auf, strafft Augenlider, Oberschenkel und Bauchdecken, formt Nasen und Kiefer um. Sein Kollege Franklin Rose bietet in Houston, Texas, ein "Melania Makeover" als Komplettpaket an und präsentiert seine Kundinnen im landesweiten Fernsehen. Vor, während und nach den Operationen. Auch in Deutschland berichtet Chirurg Werner Mang von "einigen Patientinnen, die die Nase und die hohen Wangenknochen von Melania Trump wollen". Stellt sich die Frage: Warum, in aller Welt?

Das Phänomen, dass Menschen mithilfe von Spritze und Skalpell prominenten Vorbildern ähnlicher werden wollen, ist so alt wie die Schönheitschirurgie selbst. Neu sind immer nur die Vorbilder. 2016 hat ein Londoner Arzt aus den Wünschen seiner Kundinnen das Bild dessen abgeleitet, was er das "perfekte Gesicht" nennt. Das Ergebnis ist ein Puppenporträt mit Herzogin-Kate-Nase, Penélope-Cruz-Lippen und Miley-Cyrus-Stirn. Sobald ein attraktiver Mensch häufig in den Medien auftaucht, wird er mit Erfolg verknüpft und landet auf den Beauty-Wunschzetteln. Nur: Nicht jeder Chirurg erfüllt diese Wünsche. Und das hat gute Gründe.

"Als Verband lehnen wir solche Eingriffe ab"

Torsten Kantelhardt leitet eine Klinik am Tegernsee und ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie. Menschen, die wie ein Trump aussehen wollen, egal welcher, kommen ihm nicht auf den OP-Tisch, sagt er: "Leute, die mit prominenten Vorlagen in die Praxis kommen, sind mit größter Vorsicht zu genießen." Und er sagt auch: "Als Verband lehnen wir solche Eingriffe ab." Denn wenn ein Mensch aussehen will wie ein anderer, sei oft nicht der Körper, sondern der Kopf die Problemzone.

Dysmorphophobie, die Angst davor, schlecht gestaltet zu sein, nennen Experten die Störung der Selbstwahrnehmung, die bei Betroffenen dazu führt, dass sie unter ihrer Haut, Nase, Figur oder allem leiden. Dass sie sich, so lautet die recht vage Definition, so intensiv mit ihrer Erscheinung beschäftigen, dass der Alltag und das Sozialleben leiden. Der Durchschnittsmensch, heißt es im Lehrbuch, schaut täglich zehn bis 20 Mal in den Spiegel. Bei Betroffenen sind es oft Hunderte Blicke am Tag in Schaufensterscheiben, Löffel und Taschenspiegel.

Nach aktuellem Forschungsstand sind Männer und Frauen etwa gleichermaßen betroffen, Kunden von Schönheitschirurgen und Hautärzten überdurchschnittlich oft. Die Mängel, um die es geht, sind sehr subjektiv und für Außenstehende oft unsichtbar. Dennoch verursachen sie großes Leid. Das lässt sich in Internetforen nachlesen. Da schreiben Menschen, die sich so abstoßend fühlen, dass sie ihre Wohnungen nur nachts verlassen. Dass sie ihre Körper verletzen. Dass sie nicht mehr leben wollen. Oder eben, dass sie jeden Cent für kosmetische Eingriffe sparen.

"Katzenfrau" und "Briten-Ken"

In Klatschblättern findet man wöchentlich Extrembeispiele für Menschen mit gestörter Körperwahrnehmung. Jene beiden zum Beispiel, denen der Boulevard die Spitznamen "Katzenfrau" und "Briten-Ken" verpasst hat, um regelmäßig über OPs zu berichten, mit denen sie sich zusehends in groteske Versionen eines Tiers sowie einer Puppe verwandeln. Man findet Zwillinge, die nun als schlechte Kopien von Brad Pitt leben. Es sind Fälle, die zeigen, wie sehr das eigene Körperbild und die Wahrnehmung der anderen auseinanderklaffen können. Und wie gut Chirurgen daran verdienen.

Woran es liegt, dass das Körperschema im Kopf gestört wird, ist bis heute unklar, obwohl der italienische Neurologe Enrico Morselli schon 1886 Fälle von Dysmorphophobie beschrieb. Es gibt Theorien, dass Kindheitstraumata dazu führen, andere sprechen von Lernerfahrungen, die einem Menschen vermitteln, äußere Makellosigkeit sei essenziell. Wieder andere gehen von körperlichen Ursachen aus; Forscher der University of California wiesen nach, dass Betroffene visuelle Eindrücke im Gehirn anders verarbeiten als gesunde Menschen.

"Betroffenen ist mit Eingriffen in der Regel nicht zu helfen", sagt Verbandspräsident Kantelhardt. "Sie sind mit den Ergebnissen meist unzufrieden und entwickeln oft eine regelrechte OP-Sucht." In den USA zählen sie damit einfach zu den Stammkunden. Die Devise der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische Chirurgie hingegen lautet: wegschicken. "In solchen Fällen kommt es schon mal zu wüsten Beschimpfungen."

Wo verläuft die Grenze zwischen Inspiration und Obsession?

Trotz ethischer Prinzipien ist die Schönheitschirurgie auch hierzulande ein blühendes Geschäft: Fachärzte verzeichneten 2016 zehn Prozent mehr Operationen und 20 Prozent mehr "minimal-invasive Eingriffe" am Gesicht, die Ärzte führten fast 48 000 Operationen und fast 52 000 "kleine Gesichtsveränderungen" aus. Die Bereitschaft, das Spiegelbild an ein Ideal anzugleichen, geht zusehends über Friseur- und Fitnesstermine hinaus. Und das Berufsethos, das Kantelhardt formuliert, ist längst kein Branchenkonsens.

Im abendlichen Fernsehprogramm laufen Reality-Sendungen, in denen Chirurgen zahnlose Arbeitssuchende zu Ballköniginnen umoperieren, unter hinterhältigen Titeln wie: "Extrem schön! - Endlich ein neues Leben!", "Letzte Hoffnung Skalpell" oder "Alles ist möglich". Und auch Chirurg Kantelhardt sagt: "Natürlich gibt es auch in Deutschland Ärzte, die in Fällen operieren, in denen es ein gestörtes Körperbild und das Berufsethos verbieten."

Er selbst, sagt er, schickt einen enormen Teil seiner Kunden weg, weil sie falsche Erwartungen an das Ergebnis hätten. Zum Beispiel "etwa zwei Drittel der Leute, die eine Fettabsaugung wollen".

Aber wo verläuft die Grenze zwischen richtiger und falscher Erwartung? Zwischen Inspiration und Obsession? Zwischen erträglicher und unerträglicher Unzufriedenheit? Zwischen Kunde und Patient? Zwischen chirurgisch und therapeutisch zu behandelndem Leid?

Die Schönheitschirurgen entscheiden selbst, wem sie psychologische Hilfe nahelegen und wen sie operieren, an wem sie also verdienen. 50 000 Dollar kassiert Franklin Rose in Texas im Schnitt für sein Melania-Makeover. Auch Norman Rowe in New York, wegen seiner Verdienste um die Geschlechtsorgane männlicher Kunden auch als "Dr. Penis" bekannt, spricht von einem sehr guten Geschäft.

Werner Mang, der in Deutschland zu den bekanntesten, wenngleich nicht unumstrittenen Schönheitschirurgen zählt, sagt: Dem Wunsch von "Patientinnen", wie Melania auszusehen, könne man "gut nachkommen", wenn man sie darauf vorbereite, dass man der First Lady auch in ihrer eisernen Disziplin nacheifern müsse: "Gesunde Ernährung, kein Alkohol, kein Nikotin, sondern Fitness und Sport." Außerdem stehe sie, offensichtlich, "positiv zur Schönheitschirurgie". Damit ist sie die lukrativste Vorlage der Branche.

Anmerkung der Redaktion: In einer vorherigen Version des Textes kam in einem Nebensatz auch eine junge Frau vor, die sich angeblich 50 Schönheitsoperationen unterzogen hatte, um so auszusehen wie Angelina Jolie. Die Dame gab später jedoch zu, ihr Gesicht nur mit Make-up und Photoshop verändert zu haben.

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