Samstagsküche:Knolle rückwärts

Oberösterreich entdeckt eine alte Tradition wieder: den Knoblauchanbau. Ein Erntebesuch bei Landwirtschaftspionier Thomas Kraxberger.

Von Kathrin Hollmer

Thomas Kraxberger versteht sich als Bewahrer. Deshalb zögert er, bevor er an den Blättern zieht. Dann tut er es doch, mit sicherem Griff. Die Pflanze reißt natürlich, die Knolle bleibt unter der Erde. Er könnte es weniger mühsam haben und seinen Knoblauch, den er am Ortsrand von Hartkirchen in Oberösterreich anbaut, mit der Erntemaschine einsammeln. "Aber dann hätte ich um die 40 Prozent Ausschuss und könnte nicht die Qualität erzeugen, wie ich sie anbieten möchte", sagt er. Lieber produziere er weniger Knoblauch, dafür aber einen sehr viel besseren.

"Knoblauchpionier" wird Thomas Kraxberger, 43, in der Gegend genannt. Seit fünf Jahren baut er die Knollen an, in der Gemüseregion Eferding südlich der Donau, eigentlich bekannt für Kohl und Karotten, Salat oder Gurken. Zurück zu den Wurzeln gewissermaßen: Denn bis vor etwa 20 Jahren war das in Österreich (oder in Süddeutschland) gar nichts Besonderes. "Damals wurde Knoblauch in jedem Garten angesetzt", sagt der Landwirt, auch weil sein Duft Schädlinge wie Läuse fernhält. Doch billigere Importware, vor allem aus China, hat die Tradition verdrängt.

Deinham (Hartkirchen): MONTAGSKÜCHE - Knoblauchernte

Knoblauchernte ist Handarbeit bei Thomas und Alexandra Kraxberger, vier Wochen lang sind sie damit beschäftigt.

(Foto: Johannes Simon)

Nun könnte man meinen, Knoblauch sei eben Knoblauch. Eine stets etwas heftige Gewürzknolle, die einer Pasta, einem Curry oder einem Ratatouille geschmacklich auf die Sprünge hilft, ob sie nun aus China, Frankreich oder aus dem Vorgarten stammt. Aber wer eine von Kraxbergers gerade geernteten Knollen aufschneidet, bekommt eine Ahnung von der Bandbreite. Die Zehen sind weicher als gewohnt und schmecken frisch und mild, mit süßen Noten und wenig Säure und ohne stark schwefeliges Aroma. Der Landwirt belegt sein Butterbrot gern mit dünn geschnittenen Zehen. Das ist keine Knoblauchbauern-Marotte, es schmeckt einfach.

Dabei hatte Kraxberger, ein kräftiger Mann mit Ohrring, eigentlich keine besondere Verbindung zum Knoblauch. Es war eher eine Art fixe Idee. Als er wieder einmal vor dem Gemüseregal im Lebensmittelladen stand und dort nur Ware aus China und Ägypten entdeckte, nahm er sich vor, etwas zu ändern. "Da hatte ich mir in den Kopf gesetzt, dass der österreichische Handel auch österreichischen Knoblauch bekommen muss", erzählt er.

2007 begann Kraxberger, mit der Knolle zu experimentieren, informierte sich über Saatgut, Sorten, Anbau und Vermarktung, führte Verkostungen durch. Vier Jahre später belieferte er erste Supermärkte. Heute verkauft er seinen Knoblauch in ganz Oberösterreich, dazu auf seinem Hof, auf Wochenmärkten sowie an die Gastronomie. Vor seiner Initiative bauten in Österreich nur noch wenige Betriebe Knoblauch an. Nun geht es mit der Knollenproduktion voran: 2015 gab es allein in Oberösterreich elf Hektar ertragsfähige Fläche. Einerseits ist das sehr wenig. Aber eben fast vier Mal so viel wie im Jahr zuvor.

80 Prozent

des weltweit verkauften Knoblauchs kommt heute aus China; der Rest stammt meistens aus Argentinien oder Ägypten. In Europa bauen vor allem Spanier und Franzosen Knoblauch an. Und nun auch wieder die Österreicher.

Doch der Anbau ist teuer. Das Saatgut für einen Hektar kostet 6000 bis 8000 Euro. Für 200 bis 300 Euro kann man die gleiche Fläche mit Sojabohnen bepflanzen. Dazu kommt, dass fast alle Schritte bis zur Ernte Handarbeit sind. Um an das Saatgut heranzukommen, muss man jede einzelne Knolle aufbrechen, jede einzelne Zehe - in Kraxbergers Dialekt klingt es wie Zeche - herauspulen. Für zehn Kilo ist eine Stunde nötig, bei 1200 Kilo, die pro Hektar gesetzt werden, macht das bei Kraxberger sechs Arbeitstage allein fürs Zerlegen der Saat. Wenn ab Oktober für 2017 gesät wird, macht er das zwar mit einer Pflanzensetzmaschine, doch dafür muss er Zehe für Zehe in die Maschine stecken.

Gerade hat die Ernte begonnen, in diesem Jahr eine Woche später an als sonst. Der Winter war trocken, dadurch haben sich die Blattspitzen braun gefärbt, auch war es lange kalt. "Deshalb fehlen uns ein bis zwei Zentimeter Durchmesser, an der Qualität ändert das nichts", sagt der Landwirt. "Doch die Konsumenten wollen große Knollen und Zehen, damit sie weniger schälen müssen." Außerdem sieht es natürlich schicker aus.

Saison haben frische Knollen etwa zwei Monate lang. Von Juni bis Anfang August

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Vier Familienmitglieder sind am Hof von Kraxberger vier Wochen lang nur mit der Knoblauchernte beschäftigt. Und zwar mit dem Spaten. Zwei, drei Mal müssen sie jedes Mal in die Erde stechen, ähnlich wie bei der Spargelernte, und jede Knolle samt Wurzel und Grün einzeln aus der Erde ziehen. Danach wird die äußere Haut entfernt, die Wurzel und der Großteil des Stängels. Bereits am nächsten Tag liegt der Knoblauch im Geschäft. Die Knollen, die Kraxberger nicht frisch verkauft, lässt er trocknen, anders als die Konkurrenz aus China: "Durch den Saftstrom nimmt die Knolle Nährstoffe auf, außerdem wird der Knoblauch so viel besser haltbar."

Ware aus China macht mehr als 80 Prozent des Welthandelsvolumens aus; sie muss nicht schlecht sein, doch die Knollen sind bis zu zwei Monate unterwegs. Gelagert in Containern mit mal besserer, mal schlechterer Kühlung bildet sich oft Kondenswasser zwischen den Zehen, die dadurch faulen. Im Supermarkt liegt der Knoblauch stets reinweiß. "Das mag der Käufer", so Kraxberger, "es bedeutet aber in der Regel, dass er mit Chlor gegen Pilzbefall behandelt wurde - Standard in China. Man kann es nicht mehr feststellen, weil Chlor sehr flüchtig ist." Kraxberger will nicht missionieren. "Andere sollen so produzieren, wie sie wollen", sagt er. "Ich mache es so, wie ich es für richtig halte."

Deinham (Hartkirchen): MONTAGSKÜCHE - Knoblauchernte

Schneeweiß und hellgrün: Kraxbergers Knoblauch liegt am Tag nach der Ernte im Laden.

(Foto: Johannes Simon)

Die restlichen 20 Prozent der Supermarktware stammen meistens aus Argentinien oder Ägypten, aber auch Spanien oder Frankreich. Der französische Knoblauch mit seiner zartrosafarbenen Schale schmeckt besonders fein und würzig. Junger Knoblauch, auf den sich Kraxberger spezialisiert hat, schmeckt auch würzig, aber eben frischer. Saison ist von Juni bis Anfang August. Das Besondere ist, dass man oft gleich die ganze Knolle und nicht nur einzelne Zehen verwendet. So wandert er in den Gurkensalat, wird zu Cremesuppe verarbeitet, in fetten Scheiben gegrillt oder zum Fleisch gegeben. Täglich, so sagen die Kraxbergers, müssen sie ihren Knoblauch aber nun auch nicht essen.

Obwohl junger Knoblauch weniger penetrant ist. "Unsere Kunden sagen, sie würden weniger 'Ausdünstungen' schmecken als beim importierten, getrockneten Knoblauch, bei dem man manchmal noch am Tag darauf das Gefühl hat, dass man eine Zehe im Mund hat", sagt Kraxberger. Viele, die herkömmlichen Knoblauch nicht mehr vertragen, spüren beim jungen zudem keine Beschwerden.

Auf Kraxbergers Hof wurde schon immer experimentiert. Sein Schwiegervater war einer der ersten in Österreich, die Kartoffeln unter einer Vliesdecke angebaut haben. Das schützt vor Frost. Zwischendurch war der Betrieb der größte Bierrettich-Produzent in Österreich, heute hat sich Kraxberger neben Knoblauch auch auf Kartoffeln und Zwiebeln spezialisiert.

Wenn es mit dem Knoblauch in Eferding gut läuft, dann auch, weil Regionalität für die Kunden mit jedem Jahr wichtiger wird. Sie fragen immer öfter, woher ihr Gemüse stammt und wie es behandelt wurde. Und was anfangs eher bei Karotten, Gurken oder Tomaten wichtig war, gilt nun eben auch für den (plötzlich überraschend unexotischen) Knoblauch.

Den Trend spürt man auch im "Knoblauchsland" in Franken - obwohl die Knolle auch in diesem Gemüseanbaugebiet nur noch eine Nebenrolle spielt. Die Entstehung des (etwas irreführenden) Namens ist unklar. Er stammt entweder aus der Zeit vor 600 Jahren, als in der Gegend tatsächlich mehr Zwiebeln und Knoblauch angebaut wurden, damals machte man keinen großen Unterschied zwischen den beiden). Oder von einer Familie Knobloch, die in der Gegend mit dem Roden begann.

Doch auch hier wächst die Anbaufläche. Vor zehn Jahren wurde die Knolle im Knoblauchsland nur auf ein paar Tausend Quadratmetern angebaut, heute sind es schon fünf bis zehn Hektar. Neben der allgemeinen Regionalbesinnung macht man dort die immer milderen Temperaturen verantwortlich, die den Anbau begünstigen. Das wachsende Interesse hat auch damit zu tun, dass Knoblauch als gesund gilt, als cholesterinsenkend oder wirksam gegen Durchblutungsstörungen. Er wird längst auch für Pharmafirmen produziert.

Als Kraxberger mit dem Anbau begann, wusste er, dass er den Handel nicht allein beliefern kann, darum zeigte er den anderen Gemüsebauern in der Gegend, was er vorhatte, gab sein Wissen weiter. Bis heute wird er bei Fragen oft angerufen. "Manche Kollegen haben schon nach ein, zwei Jahren mehr produziert als ich heute", sagt er. Neid hört man trotzdem keinen heraus. Wenn er am Feld eines Bekannten vorbeifährt, hält er manchmal an und sieht nach, ob der Knoblauch schon reif ist. Wenn er dann findet, dass der Erntezeitpunkt ideal ist, gibt er dem Kollegen schon mal einen diskreten Tipp. Kraxberger sagt, er wolle niemanden kontrollieren oder bevormunden. Er kann nur nicht anders: "Etwas wachsen zu sehen, ist für mich das Schönste auf der Welt."

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