Samstagsküche:Ist der Ruf erst ruiniert. . .

Der Erfolg eines Weines hängt auch vom Image der Rebsorte ab. So gelten einige deutsche Trauben seit Jahrzehnten nur als Quelle für Durchschnittstropfen. Was für ein Fehler!

Von Herbert Stiglmaier

Bei mancher deutschen Rebsorte schnalzen heute auch Laien mit der Zunge, bei Riesling etwa. Und dann gibt es die Kellerkinder, die verschmähten Trauben, deren Weine kaum je ein Profi-Kritiker bejubelt. Auch in den Lobpreisungen der Sommeliers tauchen diese Weine selten auf, denn die Getränkekarten listen sie meist gar nicht erst. Der Durchschnitts-Trinker hält sie daher, wenn er sie denn überhaupt kennt, für studentischen Party-Knaster. Schade, denn einige Rebsorten sind nur unterschätzt, aus unterschiedlichen, oft seltsamen Gründen. Mancher Winzer macht aus diesen Trauben mittlerweile richtig gute Weine. Meist zu sehr realistischen Preisen übrigens. Denn so wie man durch die Überbewertung bei vielen Flaschen draufzahlt, kann man bei schlechtem Image einiges sparen. Ein Überblick.

Müller-Thurgau

Das Image: Nur ein dünnes Wässerchen, nie ganz trocken, rustikale Literware.

Die Realität: "Der Müller kann tragen wie ein Esel", sagt man in Winzerkreisen und meint damit, dass diese Rebsorte hohe Erträge erbringt - allerdings stets auf Kosten der Qualität. In diese Falle sind die Weinbauern in den Achtzigerjahren getappt, haben große Mengen an banalen Weinen produziert und den Ruf dieser feingliedrigen Rebsorte ruiniert. Erst die Initiative einiger ambitionierter fränkischer Winzer ("Frank und Frei"), die sich zu Ertragsreduzierung und anderen qualitätssteigernden Maßnahmen verpflichteten, brachte den Müller-Thurgau zurück in die Spur. Weine aus dieser Traube mit feiner Muskatnote, die eher wenig Alkohol bildet, sind zum Beispiel hervorragende Begleiter zu immer edler werdenden Blattsalaten, die feine Säure beißt sich nicht mit dem Salat-Dressing.

Die Empfehlung: Christian Stahl aus Auernhofen im Taubertal (Franken) kämpft mit seinen Weinen erfolgreich für ein besseres Image des Müller-Thurgau. Ein Beispiel dafür ist sein "2014 Damaszener Müller-Thurgau Tauberzeller Hasennest"/ Franken (etwa 12,50 €)

Scheurebe

Das Image: Ein pappiger Oma-Wein, so wenig innovativ, dass er zur Schwarzwälderkirschtorte am Nierentisch passt.

Die Realität: Gleich zwei Schicksalsschläge hatte diese Rebsorte zu verkraften, die Georg Scheu vor genau 100 Jahren aus dem Riesling und der Bukett-Rebe im hessischen Alzey kreuzte. Unglücklicherweise war sie die Lieblingstraube des NSDAP-Bauernführers Richard Wagner, weshalb sie von 1930 bis 1945 "Wagnerrebe" hieß. Danach bekam sie ihren alten Namen wieder und wurde so zur einzigen entnazifizierten Rebsorte überhaupt. Mit ihrem Geschmacksbild (Stachelbeere, Maracuja, schwarze Johannisbeere) und der feinen rassigen Säure ist sie nicht weit entfernt vom Global Player "Sauvignon blanc", womit man beim zweiten "Problem" der Traube wäre: Der "Sauvignon blanc" gilt als chic, erlebt gerade eine große Blüte in Deutschland und - drängt die "Scheu" an die Wand, sie wird immer weniger angebaut. Beide Trauben zählen zu den sogenannten Aromasorten, deren Charme sich bereits beim ersten Schluck in der Nase und am Gaumen entfaltet. Doch die Scheurebe muss sich hinter ihrem internationaleren Bruder nicht verstecken, im Gegenteil.

Die Empfehlung: Dass die lagerungsfähige Scheurebe sogar mehr kann als der übermächtige "Sauvignon blanc", beweist seit Jahren das fränkische Weingut Glaser-Himmelstoss mit seiner Palette an Weinen aus dieser Rebsorte, die von trocken (perfekt zu Ziegenkäse und Asia-Gerichten) bis edelsüß (zu Desserts mit Fruchtsäure, etwa aus der Orange) reicht. Ein Beispiel ist die "2014 Nordheimer Vögelein Scheurebe Auslese" (0,375 l, 14 €).

Gutedel

Künstlerfest zum Tag der deutschen Kunst in München, 1938

Darf es heute eher rustikal-bacchantisch sein? Für solche Anlässe greift man in Deutschland gern auf Rebsorten mit schlechtem Image zurück.

(Foto: Scherl/SZ Photo)

Das Image: Ein Zechwein für Säure-Verächter, aber immerhin die einzige Lösung zum Käsefondue. Wer wenigstens etwas Eindruck schinden will, nennt diese Rebsorte Chasselas oder Fendant.

Die Realität: Gutedel ist eine alte Kultursorte. Genau 1142 Hektar sind in Deutschland mit Gutedel bestockt, nur etwa ein Prozent der Gesamtanbaufläche (um die 102 000 Hektar). Hierzulande beschränkt sich der (ebenfalls rückläufige) Anbau fast vollständig auf Baden, damit ist Gutedel eigentlich ein gutes Beispiel für eine Rebsorte, die fest mit einer Region verbunden ist (wie Trollinger in Württemberg oder Elbling an der Obermosel). Epizentrum ist das Markgräfler Land, das schöne Weine mit Noten von Mandeln und weißen Blüten hervorbringt. Diese Rebsorte war zu frühen Boomzeiten des Schwarzwald-Tourismus ein Selbstläufer. Die Region ist bei Feriengästen wieder im Kommen, vielleicht wird die Rebsorte ja dadurch beliebter.

Die Empfehlung: Gutedel kann viel mehr, wenn er so gefördert wird wie vom badischen Weingut Ziereisen. Hanspeter Ziereisen lässt ihn im Fass liegen, 22 Monate lang, spontan vergoren. In der Blindprobe würde man den Wein wohl mit dem Adelstitel für große Tropfen als "burgundisch" beschreiben. Früher lehnte die Weinkontrolle seine durchwegs trockenen Gutedel mit auffallend niedrigen Alkoholwerten als "nicht gebietstypisch" ab, aber das kümmert den Winzer nicht. Seither schreibt er einfach "Badischer Landwein" auf die Flasche. Ein Beispiel ist Ziereisens "2013 Steingrüble unfiltriert Gutedel" (12,80 € ).

Schwarzriesling

Das Image: "Schon mal irgendwo gehört. Wusste allerdings gar nicht, dass Riesling schwarz ist."

Die Realität: Diese Rebsorte ist weder schwarz noch Riesling, sondern viel mehr rot und mit dem Burgunder verwandt. Unter ihrem Namen kennt sie niemand, dabei spielt sie als Pinot Meunier eine große Rolle in der Herstellung von Champagner. Aus dieser imagefördernden Verbindung hat allerdings noch kein Marketingfachmann Kapital geschlagen, deshalb führt der Schwarzriesling ein Schattendasein. Den Beinamen "Müllerrebe" trägt er, weil die Blätter aussehen, als wären sie mit Mehl bestäubt. Reinsortig wird der Schwarzriesling vor allem in Württemberg und im Taubertal ausgebaut. Die Weine daraus sind leichter verständlich als ein komplexer Spätburgunder und beeindrucken durch Anklänge von Sauerkirschen und Brombeeren.

Die Empfehlung: "Badisch Sibirien" nennt man die Gegend um Reicholzheim im Taubertal, in der Konrad Schlör seine Reben stehen hat. Mit Franken, Württemberg und Baden bilden hier drei Anbaugebiete einen erstaunlichen Flickenteppich. Und wenn ein Winzer für eine Rebsorte in Deutschland steht, dann ist es Schlör für Schwarzriesling. Bei der Champagner-Geschichte lächelt er. "Ja, den können sie", äzt der Winzer, "aber einen gescheiten Wein schaffen sie nicht daraus." Er schon: "2012 Schwarzriesling" (etwa 16 €).

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Portugieser

Das Image: Gibt's den noch? Der schaut aber doch so dünn aus.

Die Realität: Portugieser ist, ähnlich wie Müller-Thurgau, ein Massenträger, der hohe Erträge garantiert - und dann leider auch schwache Weine. Bei Überstrapazierung entstehen Fruchtzwerge mit Pflaumenaroma und seltsam wenig roter Farbe. Trotz aller Misshandlungen ist Portugieser aber immer noch die Nummer drei im roten Rebsortenspiegel, bezogen auf die Anbaufläche. In Rheinhessen, an der Ahr und in der Pfalz erlebt die Traube gerade eine zarte Renaissance. Gerne verschwindet sie im Rosé.

Die Empfehlung: Der junge Winzer Benedikt Baltes, der eigentlich von der Ahr kommt, hat vor einigen Jahren das Weingut der Stadt Klingenberg im fränkischen Mainviereck gekauft. Ein dreiviertel Hektar Portugieser war auch dabei. Baltes liebt Spätburgunder und hat seine Portugieser-Rebstöcke trotzdem nicht herausgerissen: "Das Wichtigste sind alte Reben und der exakt richtige Lesezeitpunkt", sagt er. Wenn man zu früh lese, werde der Wein banal, wenn man zu spät dran sei, überreif. "Das Zeitfenster ist mit wenigen Tagen extrem eng." Baltes macht mit seiner "Reserve" den wohl besten und teuersten ( 59 €) Portugieser in Deutschland. Ein günstigeres Beispiel ist sein "2014 Klingenberger Portugieser" (etwa 14,50 €)

Tauberschwarz

Das Image: Gar keins - die Höchststrafe.

Die Realität: Nach einem sehr kalten Winter im Jahr 1985, entdeckte man zwischen den erfrorenen Rebstöcken im Taubertal eine kleine Parzelle in bestem Zustand, welcher der Frost nichts anhaben konnte. Bald stand fest, dass es sich um die praktisch ausgestorbene Rebsorte Tauberschwarz handelte, die schon im 16. Jahrhundert erstmals erwähnt wurde. Im letzten Augenblick konnte die Staatliche Versuchs-Anstalt für Wein-und Obstbau in Weinsberg den Tauberschwarz durch züchterische Auslese retten. Mittlerweile gibt es wieder 16 Hektar Anbaufläche. Einfach ist diese Rebsorte nicht, denn die Beeren verfärben sich ungleichmäßig und müssen oft aussortiert werden. Mittlerweile nahm "Slow Food" den Tauberschwarz in die "Arche des Geschmacks" auf.

Empfehlung: Der Winzer Jürgen Hofmann hat sich von Anfang an dem Tauberschwarz verschrieben. Nicht gleich mit Erfolg: "Erst habe ich nur rote Weine gemacht, aber keinen Rotwein." Inzwischen hat Hoffmann es mit der Rebsorte allerdings bis in die Sternegastronomie geschafft - mit Weinen, die mit floraler Würzigkeit an einen Barolo aus dem Piemont erinnern, ein Beispiel ist sein "2012 Tauberschwarz trocken" (etwa 11,50 €).

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