Rassismus-Debatte um Adidas-Sneaker:Ketten der Vergangenheit

Der "JS Roundhouse Mid" ist knöchelhoch, farbenfroh und sorgte für einen Aufschrei der Empörung, noch bevor er in den Läden stand. Grund ist ein leuchtend orangefarbenes Design-Detail des Adidas-Sneakers: Hinten am Schaft ist eine Fußfessel angebracht. Kritiker werfen dem deutschen Sportartikelhersteller deswegen Rassismus vor.

Jana Stegemann

Ist ein Sneaker mit Fußfessel der letzte Schrei? Der deutsche Sportartikelhersteller Adidas findet: Ja. Empörte Internetnutzer halten dagegen: Auf keinen Fall. Für sie erinnert das Design-Detail an das Zeitalter der Sklaverei und steht symbolisch für noch immer in der amerikanischen Gesellschaft herrschende ethnische Spannungen.

Adidas-Sneaker, Modell "JS Roundhouse Mid"

Der umstrittene Adidas-Sneaker, Modell "JS Roundhouse Mid".

(Foto: Adidas)

Eigentlich sollte der farbenfrohe knöchelhohe Sneaker mit dem Namen "JS Roundhouse Mid" Ende August als Teil der Herbst/Winter-Kollektion 2012 vorgestellt werden. Doch daraus wird nichts. Am Montag gab der Konzern aus Herzogenaurach bekannt, die Markteinführung des Modells zu stoppen: Der Schuh wird nun nicht produziert. Grund ist das leuchtend orangefarbene Element, das wie eine Fußfessel aussieht und vom Träger am Knöchel oder Schienbein befestigt werden soll.

Nachdem das Unternehmen auf seiner Facebook-Seite ein Foto des neuen Schuhs gepostet hatte, riefen User dazu auf, Adidas und seine Produkte zu boykottieren. "Der Schuh beschwört das Bild von Sklaverei herauf und ist damit eine Provokation gegenüber allen Afroamerikanern", zitierte die New York Post aus dem Kommentarsturm unter dem Werbebild. "Sklaverei ist kein Fashion-Statement", bekräftigte ein User und forderte, alle an der Entwicklung des Schuhs Beteiligten mit sofortiger Wirkung zu feuern. Und ein Kommentator fragte: "Wie würde sich ein Jude fühlen, wenn Nike sich im Namen der Mode entschließt, einen Schuh mit einem Hakenkreuz zu versehen?"

Multikulturelles Image in Gefahr

Tatsächlich gab es beim Konkurrenten Nike im vergangenen März einen ähnlichen Vorfall. Ein Sondermodell zum Saint Patrick's Day nannten die Marketingstrategen des weltgrößten Sportartikelherstellers "Black and Tan". So wird ein Mischgetränk aus hellem und Dunkelbier genannt. So weit, so passend. Doch "Black and Tans" ist auch der Name einer paramilitärischen Gruppe, die um 1920 brutal gegen die irische Unabhängigkeitsbewegung vorging. Der virtuelle Aufschrei war gewaltig.

Branchenriese Adidas dürfte der Rassismus-Vorwurf besonders hart treffen, weil das Unternehmen seit jeher ein multikulturelles Image propagiert - aktuell bei der EM, wo Adidas nationenübergreifend Spieler ausstattet. Insofern verwundert es nicht besonders, dass der betreffende Facebook-Eintrag inzwischen gelöscht wurde.

Der US-Blogger Gabe Zaldivar findet die Adidas-Schuhe "dumm, aber nicht rassistisch". Er glaubt, die Verantwortlichen hätten sich nicht genügend Gedanken gemacht, wie der Schuh von den Käufern gesehen werden könnte. Knöchelhohe Sneaker, die ihren Ursprung im Basketball haben, sind in Amerika gerade bei schwarzen Jugendlichen sehr beliebt. Kritiker sehen die Sportschuhe durch die Fußfessel nun in den Kontext der leidvollen afroamerikanischen Historie gesetzt und verweisen darauf, dass sich Schwarze verspottet fühlen könnten.

Wohl nicht zu Unrecht. Hatte doch zuletzt der gewaltsame Tod des schwarzen US-Teenagers Trayvon Martin eine landesweite Debatte über Rassendiskriminierung und ethnientypische Kleidungsstücke ausgelöst. Der 17-Jährige war von einem weißen Wachmann einer privaten Bürgerwehr erschossen worden, nur weil diesem der Jugendliche in Kapuzenjacke verdächtig erschien.

Designer mit kindlichem Gemüt

Für das umstrittene Design verantwortlich ist Jeremy Scott. Seit 2003 besteht die Kooperation des deutschen Sportartikelherstellers Adidas mit dem amerikanischen Designer. Scott gilt als Pop-Ikone der Modeindustrie, besitzt seit 1997 ein eigenes Label. Er entwarf bereits Bühnenoutfits für die exzentrische isländische Sängerin Björk; zu seinen Kunden zählen außerdem Stars wie Madonna, Lady Gaga oder Kanye West. Von 1997 bis 1999 arbeitete er mit Schuhpapst Christian Louboutin zusammen, später mit der Luxusmarke Longchamp.

Zuletzt sorgte seine Herbstkollektion 2011 für Gesprächsstoff. Scott inszenierte Snacks und Markendrinks auf ungewöhnliche Weise. Mit weiten Shirts, auf denen "Jeremy" im Stil des Schokoriegels "Snickers" prangte oder Tops mit dem an Coca-Cola angelehnten Schriftzug "God". Modejournalisten zeigen sich insbesondere von Scotts exzentrischen Farbmischungen im Bereich Sportswear und Street-Style angetan.

Eine Adidas-Unternehmenssprecherin sagte jetzt, das Design der Fessel-Sneaker sei Ausdruck von Scotts grellem und einzigartigen Blick auf Mode und habe nichts mit Sklaverei zu tun. "Jeremy Scott ist für sein fröhliches Design bekannt. So gab es in Scotts vorangegangen Schuh-Kollektionen Mickymaus- oder Pandabär-Elemente", heißt es in einer offiziellen Presseerklärung. Man bedauere, wenn sich Menschen durch das Modell beleidigt gefühlt haben sollten, entschuldigte sich der Sportartikelhersteller weiter.

Schaut man sich die übrigen Produkte der Zusammenarbeit zwischen Adidas und Scott an, dann will der "Fessel-Schuh" so gar nicht ins Bild passen. Ebenfalls für den deutschen Sportartikelhersteller hat der Amerikaner kniehohe, lackschwarze Sneaker mit Absatz designt, die riesige türkisfarbende Schmetterlingselemente zieren. Ein farblich passendes Schmetterlingscape gehört zu dieser Kollektion und erinnert an ein Outfit der Elfe Tinkerbell aus dem Kinderroman Peter Pan.

Jeremy Scott selbst meldete sich an diesem Montag via Twitter zu Wort: "Meine Arbeit wird von Cartoons, Spielzeug und meiner Kindheit beeinflusst." Bei seinen Kritikern dürfte dieses Statement eher Fragen hinterlassen, als dass es Antworten gibt.

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