Neue Ladenkette:Lagerfelds Kirchen

Karl Lagerfeld

"Niemand will dicke Frauen auf dem Laufsteg sehen" - wegen dieser Aussage muss sich Karl Lagerfeld vielleicht bald vor Gericht verantworten.

(Foto: dpa)

Als Modeschöpfer für Häuser wie Chanel ist Karl Lagerfeld eine Ikone, sein eigenes Label fristete dagegen lange ein Nischendasein. Nun lanciert er eine eigene Ladenkette. An diesem Mittwoch eröffnet die Filiale in München.

Von Elisabeth Dostert

Dieses Mal muss es klappen, und Pier Paolo Righi, 45, soll es machen. Seit September 2011 ist er Chef des Modeunternehmens Karl Lagerfeld. Righi empfängt im neuen Laden in der Münchner Innenstadt. Zur Eröffnung an diesem Mittwoch wird auch Karl Lagerfeld persönlich anreisen. Er wird sich in einem Münchner Kino den Film "Mode als Religion", ansehen, den Zusammenschnitt einer vierstündigen Dokumentation. Schließlich geht es auch da um ihn, den Modeschöpfer.

Wenn Mode Religion ist, ist Lagerfeld dann der Papst und der Laden die Kirche?

Im Film sagt Lagerfeld Sätze wie diese: "Man darf auch nicht vergessen, dass wir ein Produkt machen, das keiner braucht. Man kann ohne es leben. Man muss es also hinkriegen, dass die Leute bereit sind, sich dafür zu ruinieren, obwohl es unnötig ist."

Alles im Laden ist, wie Karl Lagerfeld es mag: schwarz, weiß, ein wenig Glamour. Das Konterfei von Lagerfeld, schwarz-weiß, an den Wänden und auf schlichten Schals. Zwei Etagen Taschen, Schuhe, Kleider, und dazwischen Dirndl in Tartanmuster, schwarz-rot und schwarz-weiß, sozusagen eine kosmopolitische Tracht, "weil bald Oktoberfest ist". Eine Art Geschenk an die Münchner - für 1600 Euro.

Der Laden in München ist nicht der erste. Sechs hat die Firma Karl Lagerfeld in diesem Jahr schon aufgemacht, einen davon im Juli in Berlin-Mitte. Righi zeigt auf seinem Laptop Fotos der "Stores". Sie ähneln sich sehr: schwarz, weiß, weltweit.

Herumgereicht zwischen Modeimperien

Karl Lagerfeld ist berühmt als Modeschöpfer für Chanel und Fendi und als Fotograf. Nur die Versuche, unter dem eigenen Namen Mode zu machen, liefen bislang mäßig. Schon Mitte der 80er-Jahre versuchte er es mit dem Konfektionär Maurice Bidermann, später mit dem Luxusgüterkonzern Revillon, der dann an Dunhill ging. Dunhill und Cartier fusionierten zum Vendôme-Konzern. Auch das lief nicht, 1997 kaufte Lagerfeld die Rechte zurück - für einen Franc. Der Designer machte auch Kollektionen für Steilmann und Quelle. 2005 übernahm Tommy Hilfiger die Marke Lagerfeld, ein paar Monate danach stieg Apax beim US-Konzern ein. Als der Finanzinvestor vor drei Jahren Hilfiger an den Modekonzern Philips-Van Heusen weiterreichte, behielt er mit einer "Handvoll" privater Investoren die Marke Karl Lagerfeld.

Alles auf Anfang bei Lagerfeld

Righi beschäftigt sich nicht mit der Vergangenheit. "Das hätte uns auch nicht weitergebracht." Was er noch weiß: Sein erstes Parfum, das er sich mit 13 oder 14 Jahren kaufte, das war ein Duft von Karl Lagerfeld. Presse und Handel fragen immer nach den alten Geschichten, aber nicht die Konsumenten. "Die Marke Karl Lagerfeld hat heute mehr Strahlkraft als in den 80er-Jahren", sagt Righi: "Wir haben vor zwei Jahren den Reset-Knopf gedrückt." Alles auf Anfang. Wird nun alles gut?

Die Richtung liefert Lagerfeld, das Design oft die anderen

Der neue Boss hat präzise Vorstellungen von der Zukunft. Mittelfristig sollen die Erlöse auf 500 bis 600 Millionen Euro steigen mit dann 100 eigenen Läden weltweit. Mehr Zahlen zum Geschäft gibt Righi nicht preis. "Wir sind auf einem guten Pfad." Der einzige Beleg für diese Behauptung ist, dass Righi seinen Job noch hat.

"Karl weiß genau, was er will und was er nicht will." Die Läden und die Mode sind sein Wille, der soll geschehen. Es gibt mehr als zwei Dutzend Designer, aber die Richtung gibt Lagerfeld vor. Er entwirft die "key pieces", sagt Righi, und der Satz ist noch nicht zu Ende, da holt eine Mitarbeiterin schon ein solches "Schlüsselstück" vom Haken: ein Kostüm aus schwarzem, glänzendem Stoff, zweireihiger Blazer, leicht ausgestellter Rock. "Karl", Righi nennt immer nur den Vornamen, weil die beiden sich duzen, habe ein klares Profil. Um das zu beschreiben, würden ihm eine ganze Reihe hübscher Adjektive einfallen. Da würde er gerne lange reden. Weil er aber nur drei Eigenschaften nennen darf, sagt er: "ironic, iconic und accessible".

Bezahlbar soll der Luxus sein. Taschen für 300 bis 800 Euro, ein T-Shirt für 80 Euro - in den Preisangaben zeigt sich, wie relativ Luxus ist. Und die Ironie? Karl nehme sich nicht so ernst, "der hat Spaß mit sich", sagt Righi. In den Läden gibt es Figuren, die mit der Firma Tokidoki entwickelt wurden: Karl, kaffeekannenhoch, in Kunststoff mit Strass besetzt, oder mit Choupette, seiner Katze, in limitierter Auflage natürlich. Auf den iPads, die die Kunden am Ladeneingang in die Hand gedrückt bekommen und die auch in den Umkleidekabinen hängen, laufen Tokidoki-Zeichentrickfilme. In den Regalen stehen Schuhe mit Absätzen, die aussehen wie buntes Eis in Waffeltüten. Das ist für Righi Ironie und für Karl dann wohl auch.

Neue Kollektionen im Monatstakt

Die iPads sind der Einstieg in die Karl-Gemeinde. Die Kunden können sich in der neue Klamotte fotografieren und das Bild im digitalen Gästebuch hinterlassen. In Karls Welt sollen die Grenzen zwischen realer Ladenwelt und Internet verschwimmen. Die Jahreszeiten auch. Für Righi ist das Wort Kollektionen nicht mehr zeitgemäß. Neue Ware, sie wird fast ausschließlich in Europa gefertigt, komme alle vier Wochen in die Läden. "Der Konsument möchte kontinuierlich etwas Neues", doziert Righi - im Laden und online. Die Facebook-Seite likten binnen weniger Monate mehr als eine halbe Million Menschen.

Vielleicht ist Righi der größte Fan. Die erste Begegnung im Pariser Büro von Karl Lagerfeld sei toll gewesen, erzählt er: "Hätte ich mich nicht gut gefühlt, hätte ich sofort ,Thank you, no' gesagt." Die Investoren waren auch da. Es ging ums Geschäft. Karl habe wohl rasch gemerkt, dass das nicht der richtige Kreis sei, um sich weiter zu unterhalten. Am nächsten Tag habe man sich in seinem Haus zum Mittagessen getroffen. "Es gab Fisch und Diät-Cola." Lagerfeld habe ihm das Haus gezeigt. Sie hätten über die Welt geredet und "versucht zu verstehen, wie wir ticken". Sie ticken wohl ähnlich. "Das ist mehr als eine Business-Relationship. Das ist schon eine persönliche Beziehung."

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