Museumsreife Mode in Hamburg:Von Schlangen und Scham

Extra breite Hüften für die Dame, Mäntel mit vier Ärmeln und Ziegelsteine für den Herrn: Die Ausstellung "Inside Out" zeigt museumsreife Mode - und welche absurden Silhouetten Designer bisweilen erschaffen.

Von Ruth Schneeberger, Hamburg

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Mode Ausstellung im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg

Quelle: Maria Thrun/MKG Hamburg

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Extra breite Hüften für die Dame, Mäntel mit vier Ärmeln und Ziegelsteine für den Herrn: Die Ausstellung "Inside Out" zeigt museumsreife Mode - und welche absurden Silhouetten Designer bisweilen erschaffen.

Da wäre nun also dieses Schlangenkleid der Niederländerin Iris van Herpen. Die 29-jährige Designerin ist derzeit gut im Geschäft: Björk, Beyoncé, Tilda Swinton und Lady Gaga zählen zu ihren Kundinnen.

Was das heißt, weiß jeder, der einst Gagas Fleischkleid sah: Für diese Künstlerinnen ist Aufmerksamkeit alles. Umso besser, wenn sich diese schon alleine mit dem Tragen eines Kleides erzielen lässt. Van Herpen verleiht den Trägerinnen ihrer Haute-Couture-Mode Einzigartigkeit, weil ihre Kreationen mit allen Erwartungen brechen.

Sie habe die Mode in die dritte Dimension gehoben, loben Kritiker die Jungdesignerin. Und in der Tat: Sie schneidert ihre Kleider teils per 3-D-Drucker. Das "Snake Dress" (2011/im Bild) ist das auffälligste Exemplar in der Ausstellung "Inside Out - Einblicke in Mode", die aktuell im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg zu sehen ist.

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Während die gefeierte Newcomerin der Modeszene ihr Kleid wie eine Schlangengrube inszeniert und dabei die Grenzen zwischen Mode und Kunst, zwischen Skulptur und Kostüm verwischt, zeigen die weiteren Stücke der Hamburger Ausstellung, dass es Menschen schon seit Jahrhunderten darum geht, die zweite Haut nicht nur zum Schutz, sondern auch zur Inszenierung des Körpers einzusetzen.

Die Mode von heute kann und muss experimentieren. Mit Weiblichkeit, Männlichkeit und den Grenzen dazwischen, mit Alltagstauglichkeit und erwünschten Verrücktheiten, die aus der Masse herausstechen. So wie dieser Mantel von Maison Martin Margiela (2003) - mit vier Ärmeln.

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Ob ein Kleid durch einen Aufdruck zum Posterdress gemacht wird, wie hier bei Harry Gordons "Mystique Eye" (1968), ...

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... ob es mithilfe eines ironisch übertriebenen Schnittes zu einer Karikatur seiner selbst gerät, wie bei Rei Kawakubo für Comme des Garçons (2012/13, im Bild), ...

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... oder ob, nochmal bei Kawakubo für Comme des Garçons, das Kleid seine Trägerin zu einem neuartigen Wesen zu transformieren scheint (2012, im Bild): Die 55 Ausstellungsstücke von Designer-Ikonen wie Philippe Starck oder Moschino zeigen, wie Mode das Innere nach außen kehrt und vertraute Oberflächen aufbricht.

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Da werden brave Herrenanzüge mit bunten Blumen, Architekturelementen, Skulpturen oder Ziegelsteinen bemalt (im Bild: Moschino, 2012/13), ...

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... oder ein schlichtes Kleid mit dem Abbild eines nackten Körpers bedruckt und mit Schamhaar beklebt (Alba D'Urbano, 1999).

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Gerne auch mit Jacke - für den Fall, dass es sonst zu offenherzig wirkt. Wie Designer den menschlichen Körper mittels Stoff, Farbe, Form und Bild verstärken oder verfremden, Althergebrachtes sprengen oder zitieren, lässt sich in dieser Ausstellung auf kleinem Raum übersichtlich nachverfolgen.

So auch die Frage: Warum ändert sich die Silhouette so stark, früher über Jahrhunderte, inzwischen manchmal von Modesaison zu Modesaison? Da lassen sich jahrhundertjahrealte Leibchen betrachten, die davon zeugen, wie sehr das äußere Erscheinungsbild schon damals der Mode unterworfen war: Dass etwa ein Batistkleid aus Norddeutschland um 1820 mit Keulenärmeln noch bauschig an ein Rokoko-Gewand erinnerte - ein besticktes Sommerkleid aus Hamburg um 1880 aber in seiner schmalen Eleganz schon dem ähnelte, was 40 Jahre später auch als Abendkleid in Paris getragen wurde, dann aus Seidensatin. Allen gemein: die schmale Taille, die Damen damals zu zieren hatte.

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Auch Zitate von Madonnas berühmtem Bühnen-Outfit sind hier zu finden - an einem hautfarbenen Body mit schwarzem BH-Einsatz von Hennes und Mauritz. Die vier Kapitel der Ausstellung, Simulation, Enthüllung, Verfremdung und Verformung, sollen dem Besucher die Idee von Mode als Kunst am Körper näherbringen.

Witzigerweise sind es ausgerechnet die ganz alten Schätzchen aus dem Museumsfundus, teils aus dem 18. Jahrhundert, die im Vergleich zeigen, dass bei aller manchmal auch angestrengten Exzentrik von Mode die grundlegenden Fragen doch immer aktuell zu bleiben scheinen: Wie verhülle ich was - und warum?

Die Ausstellung "Inside Out - Einblicke in Mode" läuft noch bis Anfang 2015 im Museum für Kunst und Gewerbe, Hamburg. Weitere Infos hier.

Im Bild: Maison Martin Margiela, Abendkleider für H&M, Paris, 1996

© SZ.de/rus/jst/leja
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