Modisches Musthave Markenname:Logo? Logo!

Alexander Wang - Runway - Spring 2014 Mercedes-Benz Fashion Week

Echte Kenner erkennen die Spring/Summer-Kollektion 2014? Alexander Wang geht lieber auf Nummer sicher und druckt seinen Namen auf den Gürtel.

(Foto: WireImage)

Blogger, Fashionistas und Modemenschen tragen wieder den Namen ihres Lieblingsdesigners am Leib. Je größer desto besser. Zum Glück ist das mehr Fan- als Statusgehabe. Ein Revival der Neunziger? Ach was.

Von Silke Wichert

Ein bisschen gesunder Gedächtnisverlust gehört dazu, wenn man mit der Mode gehen will. Gerade in den 80er- und 90er- Jahren gab es Trends, bei denen man sich im Nachhinein nicht erinnern kann, was einen geritten hat, mitzumachen. Der seitlich nach oben festgesprühte Pony etwa. Gäbe es nicht diese belastenden Abiturfotos, die meisten Frauen würden leugnen, ihn je getragen zu haben.

Genauso unerklärlich: die Logomania. Jugendliche trugen aufgeflockte Benetton- und Chevignon-Schriftzüge auf der Brust, und deren Erziehungsberechtigte spazierten gepflastert mit falschen Gucci-Logos durch die Fußgängerzone. Vulgärstes Statusgehabe, der Gipfel schlechten Geschmacks! Der eine oder andere muss sich sogar fragen, wie er in einen Look aus Calvin-Klein-Logo-Shirt, MCM-Tasche und Versace-Medusa-Gürtel geraten ist.

Egal, man weiß es nicht mehr, jedenfalls würde einem das nicht noch einmal passieren. Nach dem 2000 erschienenen Anti-Kapitalismus-Manifest "No logo" der Schriftstellerin Naomi Klein war Markenhörigkeit und offensives Branding nämlich etwa so verpönt, wie öffentlich für mehr Atomkraft zu werben.

"Wir machen hier keine Sweatshirts"

Aber auch das haben die meisten längst wieder vergessen, weshalb sie nun voller Elan die nächste Runde mitmachen können: Sweatshirts und T-Shirts mit großem Label sind bereits überall, Handtaschen bekommen gerade wieder lesbare Buchstaben aufgehämmert und nächsten Sommer geht es munter weiter: Alexander Wang, eigentlich eher Minimalist, entwarf Lederkleider, Gürtel, Röcke, über und über mit seinem Namen versehen. Die Begeisterung der Kritiker hätte nicht größer ausfallen können. Also alles wie in den 90ern? Nicht ganz.

Angefangen hat das Logo-Revival mit einem sehr grünen Sweatshirt - das es eigentlich nie geben sollte. Als Carol Lim und Humberto Leon, die Gründer der erfolgreichen Concept Stores Opening Ceremony, bei Kenzo als Kreativteam anheuerten, wollten sie für die Herbstkollektion 2012 ein Sweatshirt mit Vintage-Print bedrucken, einem Tigerkopf plus großem Markenschriftzug. Reaktion des Hauses: Wir machen hier keine Sweatshirts.

Mittlerweile dürfte irgendwer dort sehr froh sein, diese niedere Klamotte doch noch ins Sortiment aufgenommen zu haben. Mehr als 20 000 Mal verkaufte sich das Tigermotiv, auch für die Pullover der folgenden Saisons mit großem "K-E-N-Z-O" gab es lange Wartelisten. Bei der Boutique The Corner in Berlin hieß es, sie hätten das Teil wirklich gerne mal ins Fenster gehängt, aber die Vorbestellungen überstiegen immer schon die nächste Lieferung.

Das Shirt als Reminiszenz an die Jugend

Warum so viel Aufregung um ein banales Logo-Sweatshirt? Zumal von einem Label, das noch zwei Saisons zuvor eher den Status eines Parfumreservats mit angeschlossener Modelinie hatte? Leon selbst trug einen der Pullover beim Finale der Laufstegpräsentation, als oberster Fan des Hauses gewissermaßen. Für sie sei das Ganze einfach eine Reminiszenz an ihre Jugend, als man sich mit einem erschwinglichen Teil in eine Marke "einkaufte", sagt Lim zur SZ. "Wir sind mit Logos und dem, wofür sie standen, aufgewachsen. Wir fanden, die Zeit sei wieder reif dafür."

Die Hipster-Anhänger von Opening Ceremony, die Lim und Leon wie geplant zu Kenzo folgten, sahen das offensichtlich genauso: Der Pullover wurde eines der meistfotografierten Motive der Streetstyle-Blogs. Kurz darauf fingen auch junge Marken wie Carven oder Acne an, ihren Schriftzug deutlich sichtbar einzusetzen. Für Designer wie Lim und Leon hat das alles weniger mit Markenhörigkeit denn mit Markendazugehörigkeit zu tun.In Zeiten von Social Media, in denen sich Modelabels mehr und mehr öffnen und interagieren wollen, seien Kunden vor allem "Mitglieder und Teil unserer Community", sagt Lim. Und die wollen sich untereinander ja irgendwie semantisch verständigen.

Fan-Kult wie beim Fußball

Noch deutlicher wird dieser Community-Gedanke bei den Fan-Shirts von LPD New York, die auf der Rückseite statt des Namens und der Rückennummer ihres Lieblingsspielers ihren Lieblingsdesigner aufgeflockt haben: "Philo 73" steht für Phoebe Philo von Céline, " Jacobs 86", klar, für Marc Jacobs, und "Tisci" für den Designchef von Givenchy. Mehr Ähnlichkeit zwischen Sportclubs und Modemarken war nie: Die Shows werden wie Fußballspiele live verfolgt, in Blogs wird abgestimmt, wer die beste Saison gezeigt hat, und die Fans tragen Devotionalien. Auch wenn das Haus Louis Vuitton es sich wahrscheinlich verbitten würde, sein 600-Euro-Leo-Print-Tuch mit dem Schriftzug von Stephen Sprouse so zu nennen: Am Ende funktioniert es doch ähnlich identitätsstiftend wie ein Fanschal.

Wo das Logo auftaucht, ist die Parodie nicht weit. Vergangenes Jahr begann der Designer Brian Lichtenberg damit, T-Shirts, Kapuzenpullover und Baseballcaps mit Schriftzügen wie "Féline" statt Céline oder "Homies" statt Hermès zu versehen, in ähnlicher Typo wie beim Original. Konsumkritik? Keine Spur, er sei ja Fan der zitierten Marken, erklärte Lichtenberg. Kaum geistreicher als das "Lakotze" der 90er könnte man meinen, aber die T-Shirts verkauften sich selbst in der Online-Boutique Net-a-porter hervorragend.

Das Überraschende: Es gab kaum Aufregung von Seiten der traditionell eher humorfreien Modelabels, obwohl sich von Miley Cyrus bis Cara Delevingne alle stolz mit den Fun-Fake-Logos fotografierten. Kontrollieren kann man die Verbreitung im Internet ja sowieso nicht mehr; und im Zweifelsfall erhöht auch ein falsches Logo die Bekanntheit des richtigen. Lediglich ein Haus, das sich derzeit betont rebellisch gibt, fand die Angelegenheit nur so mittelwitzig: Saint-Laurent-Designer Hedi Slimane ließ unverzüglich die Zusammenarbeit mit dem Concept-Store Colette kündigen - immerhin eine der wichtigsten Adressen in Paris -, weil dort T-Shirts mit dem Slogan "Aint Laurent without Yves" verkauft wurden.

Logos sind nie richtig weg gewesen

Man hätte gern Naomi Klein dazu befragt, ob die neue Logomanie wirklich weniger peinlich oder kapitalistischer ist als die alte. Aber ihre Pressereferentin lässt höflich mitteilen, Frau Klein sei sehr beschäftigt mit ihrem neuen Buch, im Übrigen habe sie das Thema längst hinter sich gelassen. Der Titel "No Logo" wirkt ja tatsächlich gerade etwas überholt.

Was Klein wahrscheinlich auch längst akzeptiert hat: Die Logos sind nie richtig weg gewesen. Mal sind sie größer, mal diskreter, mal verschlüsselt, aber immer noch das sicherste und schnellste Mittel, das eigene Konsumverhalten zu plakatieren - was den meisten keineswegs peinlich, sondern schlichtweg verdammt wichtig ist.

Daran ändert auch nichts, dass Louis Vuitton auf dem asiatischen Markt aktuell eine gewisse Logomüdigkeit erlebt. Wenn Millionen von Menschen über Jahre wie verrückt ein- und dasselbe Monogramm kaufen, kann man selbst dem statusverrücktesten Chinesen nicht verdenken, wenn er beim nächsten Einkauf lieber zu einer Céline-Tasche mit deutlichem, aber kleinerem Branding greift.

Logo in Reinkultur

Im Westen geht es dafür hingegen schon wieder bergauf: Die neueste, von den Kundinnen bereits heiß geliebte Handtasche Vivienne von Louis Vuitton hat kein All-Over-Monogramm, sondern einfach ein großes goldenes "LV" als Taschenverschluss. Das Logo in Reinkultur sozusagen, was bei der Kulttasche Constance von Hermès sowie den klassischen Wendegürteln mit ihrer "H"-Schnalle ja bereits seit Jahrzehnten auf sehr zeitlose Weise funktioniert.

Trotzdem gibt es natürlich Labels, die - abgesehen von Handtaschen - kein offensives Branding betreiben, aber dennoch bestehen wollen im gnadenlosen "Welche-Looks-bleiben-nach-vier-Wochen-Schauen-hängen?"-Rennen. Die Lösung für die nächste Saison lautet: Typo statt Logo.

"tulip" statt Tulpenbild

Anstatt einfach eine Tulpe auf einen Pulli zu drucken, versah Christopher Kane, einer der smartesten jungen Designer, passend zu seiner Botanik-Kollektion Pullover mit den Wörtern "tulip", "petal" oder "flower". Und bei Christian Dior collagierte Raf Simons die kunstvollen Roben mit bunt unterlegten Slogans. Alexander Wang zeigte neben seinem Logo-Print auch T-Shirts mit dem Jugendschutz-Aufkleber-Motiv "Parental Advisory - Explicit Content". Keine traditionellen Markenzeichen, aber ähnlich wirkungsvoll: Symbole und Schriftzeichen prägen sich in der Flut von Bildern, die direkt nach der Präsentation und später als Streetstyle um den Globus gejagt werden, einfach schneller ein als noch so aufwendige Silhouetten.

Givenchy spielt diese Variante seit ein paar Saisons mit ikonischen Prints von leicht abgewandelten Bildern, die jeder kennt und deswegen sofort behält. Mal sind es Sweatshirts mit zähnefletschenden Rottweilern, diesen Winter trifft Bambi auf eine Aktzeichnung. So etwas ist hashtagtauglich: "#bambi #givenchy" lässt sich hervorragend twittern. Überflüssig zu erwähnen, dass das Modell innerhalb kürzester Zeit ausverkauft war. Was man wohl in 20 Jahren rückblickend darüber sagen wird, dass wir 850 Euro für einen Pulli mit halbem Rehkitz gezahlt haben? Im Zweifelsfall werden wir uns auch dieses Mal besser nicht daran erinnern wollen.

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