Mode:Mode aus dem Magazin

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Pullis, Feuerzeuge, Socken: Das Magazin 032C hat sich mit Merchandise-Artikeln ein zweites Standbein geschaffen. (Foto: 032c)

Das Berliner Kulturmagazin 032C ist inzwischen auch ein Modelabel. Und so erfolgreich, dass es seinen Kunden selbst Feuerzeuge und Paketklebeband verkaufen kann.

Von Dennis Braatz

Da will man Deutschlands aktuell gefragteste Modeleute besuchen und bekommt es erst mal mit einem Foxterrier zu tun. Toastie springt einem zur Begrüßung an die Hüfte und schlägt einen Gummiball zum Spielen vor. Eindeutig: Der Hund wird beim Gespräch mit seinen Herrchen garantiert nicht locker lassen.

Jörg und Maria Koch wohnen und arbeiten in St. Agnes, einem betonbrutalistischen Kirchenkomplex in Berlin-Kreuzberg, erbaut in den Sechzigerjahren, inzwischen weltlicher Pilgerort für Modefans. Von hier aus koordinieren sie das Kultur- und Lifestylemagazin 032C, organisieren Events und seit knapp zwei Jahren auch eine gleichnamige Modelinie: Pullis und T-Shirts aus Baumwolle mit dem Heftlogo in XL-Lettern, Socken mit dem Heftlogo in kleinen Lettern, dafür aber mit "Remove before Sex"-Schriftzug.

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Die Teile sind im Onlineshop schnell ausverkauft, werden auf Instagram rauf und runter gepostet, auf Streetstyle-Blogs gezeigt und haben es bis in die britische Vogue geschafft. Es ist eine irre Geschichte, die die Kochs in so kurzer Zeit mit, man kann es nicht anders sagen, Magazin-Fanartikeln hingelegt haben.

"Merchandise" nannten sie es am Anfang selbst. "Inzwischen sind wir bei dem Begriff Apparel angekommen", erklärt Maria Koch bei dem Versuch, Toastie zu bändigen. Sie ist für die Entwürfe zuständig. Im Sortiment gibt es auch Denimhemden, auf denen "032C" nur noch dezent am Ärmel steht.

Das Longsleeve mit einem Foto der Sängerin Sade (Aufschrift: "Berlin - April - 1993 - Tempodrom", als Erinnerung an einen ihrer Auftritte in der Stadt), wurde berühmt, weil Kanye West mal darin gesichtet wurde. Es gefiel ihm so gut, dass er Koch ausfindig machen und sich ihre Nummer geben ließ. "Der hat mich dann einfach angerufen. Wir haben uns gut verstanden. Er hat uns besucht." Ohne den Charakter des Magazins wären die 032C-Teile aber natürlich nie so erfolgreich.

Durch die eigene Kleidung kann jetzt jeder Teil des Magazin-Mythos sein

2001 startete Jörg Koch das zweimal jährlich in englischer Sprache erscheinende Heft. Benannt ist es nach einem Rot-Ton aus der Pantone-Farbskala, der die Titelseite einfärbt. Mit den wichtigsten Fotografen, Models und Autoren wird regelmäßig der ungeschönte Zeitgeist beschworen. 2011 verrenkte sich Kristen McMenamy nackt und verletzlich für den Fotografen Jürgen Teller. 2013 posierte Rihanna für ein düster-sakrales Cover.

032C sieht immer anders aus und fühlt sich immer anders an, liefert aber immer den "next level shit", adelte James Jebbia, Gründer des New Yorker Skate-Fashionlabels Supreme, das deutsche Heft gerade erst in der amerikanischen GQ-Style. Für ihn macht das Berliner Ehepaar das letzte große Kulturmagazin überhaupt. Dieser Ruf hat über die Jahre selbst die etabliertesten Modefirmen angelockt.

"Ich habe 032C von Anfang an als Plattform gesehen", sagt Jörg Koch. Weshalb die Fotografen und Firmen auch nicht nur innerhalb des Hefts stattfinden. Die Kochs stellen Ausstellungen auf die Beine oder schmeißen Partys, zum Beispiel mit Gucci zur Berlinale. Das macht das Magazin für seine Leser und Fans, selbst wenn sie die Events nur über die sozialen Medien verfolgen, erlebbarer und begehrlicher als die Konkurrenzhefte.

So ist eine Art eigene o32C-Kultur entstanden, die sich nun in den hauseigenen Kleidungsstücken ausdrückt. Durch sie kann jeder ein Teil des Magazin-Mythos sein. Laut Koch gehören zur 032C-Gefolgschaft 17-jährige Skater genauso wie 70-jährige Kunstsammler. Die Mode dürfte eher was für die Jüngeren sein. Entsprechend sind die Preise angesetzt: Das Sweatshirt (siehe Foto) kostet 119 Euro. Günstiger wird man selten Teil eines Modehypes.

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"Wir finden es nicht spannend, besonders exklusiv oder elitär zu sein", sagt Maria Koch. Aschenbecher und Einwegfeuerzeuge verkaufen sie auch, und Logo-Klebeband, mit dem sie eigentlich nur ihre Pakete an Kunden zukleben wollten. Aber nachdem selbst Fotos der Poststücke auf Instagram landeten, war auch dieses Produkt beschlossene Sache.

Die Teile hängen neben Vetements in den weltweit wichtigsten Modegeschäften

Es wirkt fast so, als könne man das 032C-Logo gerade auf jedes x-beliebige Blankoprodukt pressen und es würde sich einfach irgendwie verkaufen. Der ein oder andere Vertreter der Modebranche hat deshalb auch durchaus schon skeptisch auf das Geschäftsmodell in der ehemaligen St.-Agnes-Kirche geblickt. Aber was hier stattfindet, ist eben mehr als nur Merchandise einer angesagten Marke.

"Ein Magazin in ein Produkt zu übersetzen, das ist gar nicht so leicht", sagt Maria Koch, die gelernte Modedesignerin ist. Sie hat unter anderem bei Jil Sander und Marios Schwab gearbeitet, beschäftigt sich bei jedem Entwurf intensiv mit Schnitt und Material.

Berlin als Herkunft von 032C spielt natürlich eine Rolle bei der Ästhetik aller Teile, die niemals glamourös, sondern eher roh und brutal ehrlich sind, wie die Fotos im Magazin. Genau das trifft in der Modewelt gerade den Zeitgeist. Nicht umsonst hängen Kochs Sachen inzwischen neben Marken wie Vetements oder Off-White in den weltweit wichtigsten Stores, darunter Union in Los Angeles oder Selfridges in London.

Gerade das, was sich die deutsche Modeszene so für Berlin wünscht - internationale Aufmerksamkeit -, scheint der Mode von 032C wie von selbst gelungen zu sein. Geplant war es nie. Eigentlich wollten die Kochs nur zusammenarbeiten. 2009 haben sie sich auf Facebook kennengelernt, 2012 geheiratet.

Er hat schon länger nach einer Möglichkeit gesucht, das Onlinegeschäft auszubauen. Sie hat im Netz das Foto eines jungen Russen gesehen, der sich das 032C-Logo auf seinen Pullover gemalt hatte. So entstand das erste Teil, ein schwarzes Sweatshirt mit schwarzem Schriftzug. Stückzahl: 200. "Hat sich aber nicht so schnell verkauft, weil Schwarz auf Schwarz nicht instagramtauglich war." Kleiner Anfängerfehler.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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