Mode:Alles so schön bunt da

Mode: Hautenge Animalprints? Massentauglich geht anders.

Hautenge Animalprints? Massentauglich geht anders.

(Foto: H&M)

Anstellen oder lieber die Flucht ergreifen? Nächste Woche kommt die Kollektion Kenzo x H & M in die Läden. Eine kleine Stilkritik.

Von Silke Wichert

November. Schwieriger Monat. Unter den Europäern erklärtermaßen der unbeliebteste. Kein Wunder, dass H & M seine Designer-Kooperationen traditionell in diese trostlose Zeit legt. Für ein bisschen Glamour tun die Leute jetzt alles und kaufen auf Kommando Regale leer. Nächsten Donnerstag kommt also "Kenzo x H &M" in die Läden, das Personal trainiert bereits den Ausnahmezustand. Die Frage ist nur, ob er auch eintritt.

Denn diesmal liegt die Latte besonders hoch. Die Metallic-Kleidchen und üppig behängten Blazer von Balmain waren vergangenen November so schnell ausverkauft, dass einige Medien von der erfolgreichsten Kooperation aller Zeiten sprachen. Zahlen werden nie veröffentlicht, Rankings auch nicht, "jede Zusammenarbeit sei schließlich einzigartig", sagt H &M nur dazu. Aber diese war halt doch etwas ganz Besonderes: Balmain stand mit Designer Olivier Rousteing, selbst Instagram-Star, als Marke gerade auf dem Höhepunkt seiner Begehrlichkeit. Unter diesen Voraussetzungen hätte man auch Angoraschlüpfer verkaufen können. Was zumindest die Frage beantwortet, wie zeitgemäß diese Art Designer-Kooperation im Jahr zwölf nach "Karl Lagerfeld x H & M" noch ist.

Wie die Schweden das nun mit Kenzo toppen wollen? Das französische Label erlebte vor fünf Jahren unter den neuen Kreativdirektoren Carol Lim und Humberto Leon ein Comeback. Vor allem Sweatshirts mit Tigermotiv waren Bestseller. Seitdem konnte allerdings keine der Kollektionen so richtig anknüpfen. Womöglich kommt die Paarung für H & M ein bisschen spät. Oder, umgekehrt, für Kenzo wie gerufen. Der globale Werbeeffekt ist unbezahlbar.

So oder so machen sie jetzt, was man bei sehr hohen Latten tunlichst machen sollte: drunter durchtanzen. Die Kollektion ist bunter, verspielter, nicht zuletzt jünger als alles Bisherige. Der farbige Zebraprint, der sich auch in der aktuellen Prét-à-porter-Kollektion von Kenzo findet, wurde auf wirklich alle Kleidungsstücke bis hin zu rosafarbenen Ankleboots verteilt. Natürlich gibt es die erwartbaren Sweatshirts. Wer genauer hinschaut, entdeckt jedoch auch eine schlichtere, wendbare Männer-Bomberjacke für 149 Euro oder eine Seidenbluse für Frauen im Pyjamastil für 59,99 Euro. Überraschenderweise ist auch viel "altes" Kenzo aus den Archiven des Gründers Kenzo Takada dabei. Gestufte Ethno-Kleider, die in der Kampagne die ewig-coole Schauspielerin Chloé Sevigny trägt. Aufwendig aus gemusterten Bändern zusammengesetzte Teile, die dann allerdings auch 199 oder in der langen Version sogar 399 Euro kosten.

Wenn jemand weiß, wie man diese Sachen unter die Leute bringt, dann Lim und Leon. Die beiden sind ja eigentlich Verkäufer, bekannt geworden durch ihre Boutiquen Opening Ceremony in Los Angeles und New York. Der Spot, den sie kürzlich für ihr erstes Parfum "Kenzo World" von Spike Jonze drehen ließen, ist einer der originellsten der letzten Jahre. Auch die H & M-Kampagne überrascht: Keine Social-Models, dafür "Persönlichkeiten" und "Botschafter", wie H & M sie nennt: Chance The Rapper, der junge Klima-Aktivist Xiuhtezcatl Martinez, das frühere somalische Model Iman, die in kurzen Videos nicht über Klamotten, sondern ihr Leben und ihre Anliegen reden. Alle Hautfarben und sexuellen Orientierungen sind vertreten, die Kampagne will mehr Botschaft als bloße Werbung sein, passend zum aktuellen "Reality"-Trend in der Mode. Dazu gibt es Anzeigenmotive des berühmten französischen Fotografen Jean-Paul Goude. Er zerschneidet in seiner typischen "cut-up"-Manier die Prints in Streifen und führt sie etwas versetzt wieder zusammen, so wie er es früher schon mit den Bildern seiner Ex-Frau Grace Jones tat.

Vielleicht ist das alles nicht so massenkompatibel wie frühere Kollektionen mit Lanvin oder Balmain. Womöglich campieren weniger Fans im Schlafsack vor einer H & M-Filiale, so wie zuletzt 2012, als Margiela für H & M angeblich deutlich unter den Erwartungen blieb. Weil die Kollektion zu konzeptionell und schlicht war und nicht laut genug "Ich-habe-ein-Designerteil-ergattert!" schrie. Das immerhin kann bei Kenzo nicht passieren. Und je häufiger die knallbunten Sachen auf Plakaten und in Social Media leuchten, desto mehr Leute werden irgendwann denken: So ein bisschen Farbe, im November, vielleicht gar keine schlechte Idee.

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