Männermode:Ab in die Halfpipe

Jimmy Choo - Presentation - London Collections Men SS16

Jimmy Choo schickte Profis in die Style-Halfpipe.

(Foto: Getty Images)

In London sind gerade die Männerschauen zur Sommersaison 2016 zu Ende gegangen. Die fünf wichtigsten Erkenntnisse.

Von Dennis Braatz, London

Das größte Thema: Skaten

Glaubt man der alten Moderedakteurs-Regel "Drei machen einen Trend" ist Skaten das nächste große Ding in der Männermode. Schon am zweiten Tag der Fashion Week wagte sich das Label Coach mit einer Mischung aus Sixties-Beachboy und Nineties-Hip-Hopper in die eigens aufgebaute Halfpipe. Das Problem: Coach designt eigentlich Basics wie Leder- und Nylon-Jacken. Kein Gast nahm der Marke also wirklich ab, Kompetenz in dieser Sache zu besitzen.

Ganz anders war das schon bei Paul Smith. Die Bequemlichkeit seiner Anzüge bewies er, indem er seine Models mit BMX-Bikes über Hindernisse und Mini-Pipes springen ließ. Kein Riss, keine Knitterfalte war am Ende im feinen Tuch zu sehen. Getoppt wurde die Idee nur noch von Jimmy Choo, ebenfalls mit eigener Halfpipe angetreten, allerdings in einer Größe, die es mit jedem Weltmeisterschafts-Parcours hätte aufnehmen können. Dann wurden auch noch der fünfmalige BMX-Champion Mark Webb und Skateboard-Superstar Steve Thompson in die Halfpipe geschickt, um das extra designte Brett und die neuen Schuhe zu testen. Wenigstens das hatte wirklich etwas mit der Materie zu tun.

Burberry Prorsum - Runway - London Collections Men SS16

Burberry Prorsum präsentierte Spitzenhemden unter seinem Klassiker, dem Trenchcoat.

(Foto: Getty Images)

Die wichtigste Show: Burberry

Schon seit Monaten dreht sich in der Branche alles ums gender bending, also die Verschmelzung der Geschlechtergrenzen. Kritiker bezweifelten bislang, dass es dieser Trend ernsthaft bis ganz in die breite Masse schaffen wird, bis am Montagabend Christopher Bailey seine Kollektion für Burberry Prorsum zeigte - das Traditionshaus, dessen Bestseller seit je her der Trenchcoat ist.

Unter scharf geschnittenen Anzügen trugen die Models (ob männlich oder weiblich war nicht immer zu erkennen) Spitzenhemden und -tops, manchmal so hauchzart und dünn, dass sie den kompletten Oberkörper freilegten, dazu schmale, eng um den Hals geschlungene Schals. Wer das denn jetzt anziehen soll?

Eine neue Generation zarter Männer und Frauen, die ganz einfach auf Geschlechter-Stereotype pfeift. Nicht die aufgepumpten Typen mit Brusthaar. Weil die aber auch immer zu Burberrys Kunden gehören werden, ging Bailey bei diesem Thema noch einen Schritt weiter als bislang alle anderen Designer. Er kommerzialisierte das gender bending, indem er seinen Bestseller, den Trenchcoat, mit einem simplen Spitzenkragen versah. Über dem Business-Anzug, getragen vom deutlich am breitesten gebauten Model, sah das ziemlich fantastisch aus.

dunhill - Runway - London Collections Men SS16

Grün ist - wie hier bei Dunhill - die neue Anzugfarbe.

(Foto: Getty Images)

Die neue Anzugfarbe: Grün

Nachdem Grau und Braun völlig zu Recht ausgedient hatten, blieb als Anzugfarbe fürs Büro lange Zeit nur noch Schwarz und Dunkelblau. Natürlich ist das irgendwann ziemlich langweilig, weshalb sich nun einige Designer ein Herz gefasst und sich auf Grün geeinigt haben. Eine gute Idee - passt die Farbe des Neids doch ideal zum Kampf um die beste Karriere. Das Grün grünt in unterschiedlichen Schattierungen, bei Hardy Amies zum Beispiel in Ahorn, das dunklen Hauttypen am besten steht. Helle Hauttypen sollten sich zum Beispiel eher für das klassische Laubgrün von Dunhill entscheiden. Wer doof aus der Wäsche schaut, hat bislang schließlich noch jeden Kampf verloren.

Männermode: Sibling sorgte für das Skandälchen der Männermodewoche.

Sibling sorgte für das Skandälchen der Männermodewoche.

(Foto: AFP)

Der Aufreger: Popo-Dekolletés

Kim Kardashian, Beyoncé, Jennifer Lopez, Madonna, Rihanna. Die Liste der weiblichen Stars, die in den vergangenen Wochen ihren gut trainierten bis überdimensionierten Hintern entblößten, um Schlagzeilen zu machen, sie ließe sich beliebig verlängern. Die Frauenmode hat darauf längst reagiert - erstmals nun aber auch die für Männer. Das durchaus für seine Tabubrüche bekannte Label Sibling hob die Hintern der Models mit Strap-Ons an, um sie über den tief sitzenden Bund von Wollhosen quellen zu lassen.

Nein, das ist kein ernstgemeinter Styling-Tipp, das ist die Spielart der Mode, sie bringt gesellschaftliche Phänomene auf den Punkt. Seit Kardashian und Co. boomen Po-Vergrößerungen, in den Fitness-Studios Kurse für Po-Workouts und es gibt auch schon Hosen mit eingebauten Push-Ups. Mit anderen Worten: Wir sind besessen von Hintern. Sibling hält uns den Spiegel vor. Irgendwie will ja niemand weggucken. Das Publikum grölte und jubelte den entblößten Jungs jedenfalls fleißig zu. Nur fair, dass die jetzt auch mal zeigen müssen, was sie haben.

Margaret Howell - Runway - London Collections Men SS16

Margaret Howell machte Lust auf einen Picknick-Ausflug.

(Foto: Getty Images)

Das schönste Accessoire: Halstücher

Publikums-Seufzer wie "Ist das aber schön!" kennt man eigentlich nur von Shows für Frauenmode. Bei Männerschauen halten sich die Gäste zurück, was daran liegen mag, dass es überwiegend Männer sind und hier öffentliche Gefühlsbekundungen nicht gerade cool kommen. Ganz anders bei Margaret Howell. Die Designerin wickelte ihren frisch geföhnten Models kleine Halstücher unters weiße Hemd, ein Styling, das dem Oberteil plötzlich nicht nur die Formalität nahm, sondern durch die kleine Referenz an den amerikanischen Pfadfinder-Look auch noch sanft in die rustikale Ecke schob. Die männlichen Gäste erklärten danach plötzlich wieder Lust aufs Spazierengehen bekommen zu haben. Aber eben nicht im Parka, sondern wie früher, mit Picknick-Korb, in Begleitung einer Dame und mit hochsitzender Bundfaltenhose, wie sie Margaret Howell wählte. Hach, ist das schön.

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