Hamburg:"The Saffron" in der Elbphilharmonie: Uninspiriert und überteuert

The new philharmonic hall Elbphilharmonie is illuminated during its opening ceremony in Hamburg

Im siebten Stock der Elbphilharmonie ist das Gourmetrestaurant "The Saffron" untergebracht.

(Foto: REUTERS)

Karten für Hamburgs neues Konzerthaus sind schwer zu bekommen. Einige versuchen, mit einem Besuch des Gourmetlokals "The Saffron" dem Prachtbau näherzukommen. Ein Fehler.

Von Fabienne Hurst

Kein Ort in Hamburg polarisiert mehr als die Elbphilharmonie: Was für ein Wahrzeichen!, jubeln die einen. Knapp eine Milliarde Steuergeld!, schimpfen die anderen noch immer. Doch einen Abend dort verbringen wollen sie am Ende alle. Sich "ein Stück Elphi zurückholen", so hört man es im Ticketshop. Wer nicht zu den Glücklichen gehört, die sich früh günstige Konzertkarten sichern konnten, muss sich seine Elbphilharmonie-Experience irgendwie anders erkaufen, etwa im Restaurant "The Saffron" in der siebten Etage des Hotels "The Westin".

Untergebracht ist es im Kaispeicher A, dem umgebauten Backsteinsockel aus dem Jahr 1963, auf den der moderne Glasbau der Elbphilharmonie gesetzt wurde. Leider der wohl ungünstigste Ort für ein Restaurant, die Fenster sind so winzig und schlecht platziert, dass man nicht im Geringsten das Gefühl hat, auch nur in Elbnähe zu essen. Stattdessen: Bunte Plexiglasscheiben, glattlederne Wandpolster im Stil der Siebzigerjahre, Wassergläser in Lila und Rot. Die fröhliche Servicekraft empfiehlt zum Aperitif einen schönen, fruchtig-feinsäuerlichen Riesling-Sekt der Familie Allendorf aus dem Rheingau, den sie auf dem Balkon serviert. Es ist der einzige Ort des Lokals, an dem man einen Panoramablick auf die Elbe hat. Die Sonne geht unter, ein Containerschiff schippert gen Horizont, hier ließe sich gut der Rest des Abends verbringen - aber gegessen wird ausschließlich drinnen.

Seit sechs Monaten kocht in der Elbphilharmonie der Salzburger Martin Kirchgasser, der zuletzt die Küchen zweier Luxushotels in Ägypten leitete. Der hanseatischen Küche will er laut PR-Text auf der Homepage "Einflüsse aus der ganzen Welt" verpassen. Nach dem edelsten aller Gewürze benannt, inszeniert sich "The Saffron" als Gewürztempel und "kulinarische Hommage an den Standort ", also an die Speicherstadt, in der früher Kostbarkeiten wie Safran, Zimt und Pfeffer lagerten. Die Karte hebt daher Gewürze bei jedem Gericht gesondert hervor. Und als wäre das an Gastrophrasen nicht genug, sind einzelne Speisen per Fußnote als "Super Food" deklariert, so können sich Gäste vermeintlich gesündere Menüvarianten selbst zusammenstellen. Alles unter der Markenphilosophie des Hotels, die ein wenig an Werbeslogans für Diätmargarine erinnert: "For a better you".

Die Speisekarte erweist sich dann als ziemlich wahlloses Sammelsurium: Da stehen etwa Rindstatar, Gemüsetempura und Labskaus nebeneinander, außerdem drei verschiedene Thaicurrys sowie ein saisonales Menü (drei Gänge zu 55 Euro, fünf zu 89 Euro). Schon die Vorspeise verwirrt. Zugegeben, auch im späten Frühjahr ist Hamburg oft kühl und regnerisch, aber um ein Mai-Menü mit einer fast schwarz gebratenen Gänseleber auf einem matschigen Weißbrot und drei müden Feldsalatblättern zu starten, muss man dem hiesigen Klima wirklich sehr wenig zutrauen. Da hilft auch kein saures Rhabarberkompott dazu.

Bereits beim zweiten Gang, einem trockenen Maispoularden-Spießchen, das in einer dickflüssigen, kantinenartigen Erbsen-Schmand-Suppe schwimmt, breitet sich dann ein beängstigendes Gefühl der Sattheit aus. Kurz kommt der Gedanke auf, sich vielleicht in der Adresse geirrt zu haben: Das hier soll die erlesene Gewürzküche sein, die der weit gereiste Küchenchef so vollmundig verspricht? Oder besteht die "Hommage an den Standort" vielleicht nur darin, dass die Preise für diese Art Essen viel zu hoch sind?

Übermächtige Desserts zum Finale

Man muss es so hart sagen: Alle Speisen hier entpuppen sich als flach im Geschmack, als zu fad, zu salzig oder zu süß, das muss ein Koch erst mal hinkriegen. Die Suppe hat der Küchenchef höchstens mal am Gewürzregal vorbeigetragen, vom angekündigten "Anis und Süßholz"-Aroma jedenfalls keine Spur. "Muskatblüte und Wilder Pfeffer" beim Spargel? Gehen unter. "Senfsaat und Rosmarin" an der Leber? Fehlen offenbar komplett. Angeblich neu interpretiert werden hanseatische Klassiker wie Labskaus, Pannfisch und Maischolle. Wirklich kreativ ist der Küchenchef dabei vorsichtshalber aber nicht. Büsumer Krabben mit Dill und Zitronensaft zu würzen, kann man natürlich durchaus schmackhaft finden - oder aber maximal uninspiriert. Der Maibock ist zwar rosa gebraten, dafür aber fast kalt, die Nusskruste besteht allen Ernstes aus zweieinhalb zerquetschen Pistazien. Gleich zwei Gänge kommen mit Kartoffelpüree als Beilage aus der Küche.

Als Finale gibt es übermächtige Desserts. Das Erdbeertörtchen auf salzigem Mürbeteigboden zu Erdbeereis wird durch eine schwere, Amaretto-getränkte Mascarponecreme massiv belastet. Und was die eine Handvoll grob geschnittener Raukeblätter auf dem Dessertteller zu suchen hat, bleibt rätselhaft. Wie bei vielen Gängen hier scheint es, als wäre eine (vielleicht gute?) Idee nicht zu Ende gedacht worden.

So fehlt es dieser Küche leider an allem: an Frische, eigener Handschrift und an Kreativität. Sogar das Brot schmeckt altbacken. Es ist, als stünden die Berliner Philharmoniker auf dem Spielplan - aber am Ende dröhnt nur die Blasmusikkapelle Dimpfelfingen. "For a better you" kauft man sich besser ein Fischbrötchen in der "Brücke 10" zu 4,50 Euro und spaziert damit durch den alten Elbtunnel zur Aussichtsplattform in Steinwerder. Dort hat man einen tollen Blick auf Hamburgs Skyline und am Ende womöglich noch Geld übrig für eine Konzertkarte.

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