Lokaltermin:Spittelberg

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Hier wird die klassische Beislküche mit asiatischen Noten geadelt. Lehrreich auch für andere Fusionsköche.

Von Stevan Paul

Im Wiener Restaurant Das Spittelberg wird die klassische Beislküche mit asiatischen Noten subtil geadelt. Klingt schräg, ist aber handwerklich perfekt. Hier könnten andere Fusionsköche so einiges lernen, findet unser Autor.

Es ist nun 30 Jahre her, dass Köche begannen, sich mit der euro-asiatischen Küche von der tonangebenden Nouvelle Cuisine zu emanzipieren. Dieser neue Stil, mit Aromen, Gewürzen und Techniken aus der asiatischen Küchentradition, führte bereits ein paar Jahre später zur Fusion- und Crossover-Küche - von da an war alles denkbar, die ganze Welt in einen Topf geworfen. Doch so spannend die Globalisierung kulinarisch sein mag, Fusion kann sich allerdings auch als Falle erweisen, geht es doch um einen Stil, der im schlimmsten Fall prädestiniert ist für eine vorschnelle, pseudoweltläufige Angeberküche.

Zu den positiven, aufregenden Beispielen und frühen Pionieren der Bewegung gehört der Österreicher Harald Brunner, der aber nicht die französische, sondern seine heimische Küche mit asiatischen Anklängen vermählte. Jetzt ist Brunner, nach Jahren als Küchenchef in Mödling, Wien und zuletzt in Gumpoldskirchen, im 7. Wiener Bezirk angekommen. "Das Spittelberg" ist seit einem Jahr geöffnet, und hier zeigt Brunner eine stilistische Lässigkeit, die großen Spaß macht und von der sich andere Crossover-Köche einiges abschauen können.

In dem urbanen Rotisserie-Bistro-Restaurant wird klassische Wiener Beisl-Küche gern subtil mit asiatischen Noten geadelt (drei Gänge für 49, vier für 59 und sechs für 69 Euro), dazu gibt es österreichische Weine (ab 4,80 Euro/Glas). Die Räume prägen Designerlampen, warmes Holz und dunkle Kacheln, in einem Molteni-Grill drehen sich große Fleischstücke. Herz des Lokals ist die offene Küche, hier schickt ein junges Team konzentriert Teller im Akkord, mehr als 100 Sitzplätze hat das Lokal. An dem trubeligen Donnerstagabend sind alle Tische belegt, immer wieder werden hier neue, auch späte Gäste herzlich empfangen - von Gastgeberin Edith Berghofer sowie von Brunner selbst.

Wir beginnen mit einem 2015er Riesling vom jungen Winzertalent Clemens Strobl und Brunners Blutwurst-Variation: Chili-Blunzen, dezent säuerlich mariniert, mit einem seidenfein gezogenen Krautsalat und Paprika-Marmelade, getoppt mit einer dickeren Scheibe Blutwurst in knuspriger Panier. Es folgt zweierlei Zunge, gekocht und mariniert, einmal knusprig gebacken, mit klassischer Sauce gribiche und getrüffeltem Kartoffelsalat aus herrlich "speckigen" Kartoffeln. Der junge Sommelier Matthias Eigler empfiehlt dazu einen mundvollen Wein, den 2015 "lage: modler. zierfandler" vom Gebeshuber, aus der autochthonen Rebsorte Zierfandler. Die heimisch dominierte Weinkarte ist spannend, die Beratung hier ein erhellendes Vergnügen.

Weiter geht es mit Nudeltaschen im Dim-Sum-Style, gefüllt mit Krebsen und Kalbsbries, die in duftender Krustentier-Lemongrass-Nage serviert werden. Es folgt ein weiterer Brunner-Klassiker: Carpaccio vom acht Wochen gereiften Fleisch einer 14 Jahre alten Simmentaler Kuh, mittig ist Rahmspinat angerichtet, unter getrüffeltem Kartoffelpüree. Obenauf ein Ei - perfekt gegart, noch flüssig, in Fadennudeln knusprig ausgebacken. Der Teller gewinnt keinen Innovationspreis, Produkt und Handwerk sind jedoch top. Selbiges gilt für die samtzarten Chili-Fleischknödel mit Speckkraut. Sowie für Brunners berühmte Ente, die in dieser Güte in Wien kaum ein zweites Mal aufzutreiben ist, serviert mit schwarzen Currylinsen und einem 2013er Chassagne-Montrachet von der Domaine Jean Pillot & Fils. Die Topfenknödel mit hausgemachtem Vanilleeis zum Finale sind ebenfalls beispiellos luftig und zart - auch ganz ohne Fusion.

© SZ vom 09.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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