Lokaltermin:Schwitzer's Hotel am Park

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Cédrikc Schwitzers Küche in Schwitzer's Restaurant ist bekannt für gute Saucen. Eine Königsdisziplin, die ärgerlicherweise aus der Mode kommt, findet unser Kritiker Philipp Maußhardt.

Wer gut essen möchte, der sollte darauf achten, wo sich die Souschefs großer Köche selbständig machen. Cédric Schwitzer war lange der zweite Mann hinter Claus-Peter Lumpp, nun kocht er am eigenen Herd. Schwitzer's Restaurant in Waldbronn im Schwarzwald ist bekannt für gute Soßen. Eine Königsdisziplin, die ärgerlicherweise aus der Mode kommt, findet Philipp Maußhardt.

Wer am Schwarzwald vor allem Bollenhut, Kuckucksuhr und Kirschtorte schätzt, der wird in "Schwitzer's Hotel am Park" nicht auf seine Kosten kommen. Das weiße Gebäude liegt am Rand des Kurortes Waldbronn im Nordschwarzwald; es ist halb rund und halb eckig, und seine Modernität wirkt wie ein Gegenentwurf zur muffigen Klischee-Gemütlichkeit einiger anderer Häuser der Gegend. Stephanie und Cédric Schwitzer führen das Hotel seit etwa drei Jahren. Wer ihr Haus betritt, kann die Sonnenbrille auflassen, so viel Licht strömt durch die riesigen Scheiben. Leider droht ein Gewitter, so hat der flinke Service die Tische auf der Terrasse wieder abgedeckt und bittet nach drinnen. Doch der schöne Blick auf die Fichtengipfel bleibt derselbe.

An diesem Spätsommertag sitzen hier vor allem Geschäftsleute, Karlsruhe liegt nur 15 Minuten entfernt. Wir sind auf Rat eines soßenfanatischen Bekannten gekommen, der Cédric Schwitzer für eine Art Soßen-Weltmeister hält. Ganz abwegig klang das nicht, schließlich war Schwitzer fast zehn Jahre lang Souschef des Dreisterne-Kochs Claus-Peter Lumpp im "Bareiss" in Baiersbronn, bevor er 2014 sein eigenes Haus eröffnete. Zudem stammt Schwitzer aus Lothringen, der kleinen Schwester des Elsass. Das hören die Lothringer nicht so gerne, denn sie leiden unter dem Ruf, kulinarisch nicht ebenbürtig zu sein. Wir hoffen darauf, dass der Küchenchef gleich zwei Antriebsfedern hat: dem Lumpp will er es zeigen und den Elsässern. Vielversprechend, wie wir fanden, und so wählen wir zwei Hauptgerichte, die uns die klassische Soßenmeisterschaft des Kochs beweisen sollen: Rehrücken und Teres Major Steak.

(Foto: N/A)

Doch erst mal kommen die Grüße aus der Küche: vier fein austarierte Häppchen, von denen besonders die in einen Cracker eingerollte Avocadocreme unsere gute Laune erhöht. Die wird auch nicht von den Gesprächsfetzen getrübt, die von den Nachbartischen herüberwehen: Es geht um die Zukunft des Dieselmotors. Ganz egal, denn wir essen jetzt nur noch. Schon die Perfektion der Vorspeise, Sashimi von der Obsiblue Garnele (32 Euro), angerichtet in einer Kombination mit Pata Negra, Melonensorbet und Yuzu, verweist auf die lange Erfahrung von Cédric Schwitzer in einer der besten Küchen der Republik. Ähnliche Klasse hat auch die fast schon aufregende Cassolette vom kanadischen Hummer mit Pfifferlingen und Kräutern in verschiedenen Texturen (26,50 Euro). Über die Bedeutung von Cassolette - nicht zu verwechseln mit dem Cassoulet, einem südfranzösischen Eintopf - klärt uns erst die freundliche Bedienung auf: Es handelt sich um ein Porzellan-Schüsselchen, in dem der Hummer auf einem hocharomatischen Sud von Krustentieren angerichtet ist, dazu gibt es Pfifferlinge - die winzigsten, die wir je gesehen haben -, die dem Hummer eine zarte, pfeffrige Waldnote mitgeben.

Nun aber soll es um den Grund unseres Besuchs gehen: Das Steak vom Angus Rind (30 Euro) und der Rehrücken aus heimischer Jagd (33 Euro) mögen perfekt gegart sein, für uns sind sie heute gewissermaßen nur die Beilagen: Als dunkle glänzende Augen stehen die Soßen hier neben dem Fleisch. Stehen, weil sie eben nicht fließen, sondern ihr Aggregatzustand gerade im Begriff ist, von flüssig in fest überzugehen. So muss es sein! Eine wirklich gute Soße lässt sich mit der Gabel essen. Sie ist dermaßen konzentriert, dass sie langsam wie ein edler Honig zwischen den Zinken herunterfließt. Andächtig schlecken wir Gabel um Gabel ab und versuchen, für die sich entfaltenden Aromen Namen zu finden: Karamell, Bratenkruste, Sellerie, Meerwind, Leder, schwarzer Holundersaft ... Die Komplexität ist wunderbar. Der Soße zum Reh haftet noch der leicht erdige Wildgeschmack an, jedoch ohne dabei aufdringlich zu werden. Das butterzarte Rindersteak wiederum ummantelt die Soße als bittersüßer Schmelz.

Soßen drohen ja leider gerade aus der Mode zu kommen. Manche finden sie zu schwer, andernorts kommt ihnen vor allem die Aufgabe zu Fleisch, Fisch, Gemüse und Kartoffeln feucht zu halten. Bei Cédric Schwitzer jedoch wirken sie tatsächlich fast wie ein eigenständiges Gericht, vielschichtig aufgebaut und ebenso dafür zuständig, dass auch die Nase zu ihrem Recht kommt. Denn Soßen duften - im Gegensatz zu vielem anderem auf den leider immer klinischeren Tellern der gehobenen Küche. Schwitzers Soßen schmecken, als seien sie über mehrere Tage eingekocht worden. Diese Grundsoßen oder Fonds galten lange als Pfeiler jeder guten Küche, ihr Prinzip (gute Produkte + Zeit + Sorgfalt) mag immer ähnlich sein, doch ihre jeweilige Variation ist am Ende vielleicht das letzte Geheimnis großer Köche, zu denen man Cédric Schwitzer mit Sicherheit rechnen darf.

Wir hätten ihn gern gefragt, warum ein eher junger Koch der Soßentradition heute noch diese herrliche Aufmerksamkeit schenkt. Hätten gern erfahren, wie er arbeitet. Doch Schwitzer gehört nicht zu den Küchenchefs, die sich am Tisch blicken lassen. Schüchtern sei er, erzählt ein Gast. Und dass der Koch ursprünglich Polizist werden wollte. Zum Glück hat er sich umentschieden. Denn einen Soßen-Polizisten kann der Gourmetzirkus wirklich gut gebrauchen.

© SZ vom 09.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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