Lokaltermin:Restaurant Alte Post

Echte Traditionsgasthöfe sind etwas Besonderes. Und die Alte Post in Nagold im Schwarzwald ist ein echtes Schmuckstück - mit einem neuen Küchenchef.

Von Philipp Maußhardt

Das Schild am Restaurant Alte Post in Nagold im Nordschwarzwald muss jemand dort angebracht haben, dem es nicht an Selbstbewusstsein mangelt. Es ist so überladen, so unbescheiden in seiner goldlackierten Wuchtigkeit, dass jeder Passant vom Marktplatz aus sofort erkennen muss: Hier sitzt der Platzhirsch von Nagold. Oder derjenige, der sich dafür hält. Tatsächlich blickt man in der Alten Post auf eine mehr als 300-jährige Tradition zurück. Das Fachwerkhaus ist das schönste Gebäude im Ort, und wer eintritt, kann hier Geschichte und Selbstverständnis eines Gasthofs atmen, der über Jahrhunderte Treffpunkt der Reisenden war.

Dieses Gourmetrestaurant muss also einer Erwartung gerecht werden. Allerdings hatte das Traditionshaus, für dessen Lage - 30 Kilometer östlich von Tübingen - Gäste schon mal einen kleinen Umweg in Kauf nehmen müssen, zuletzt einige Schwierigkeiten, davon zeugen zumindest mehrere Pächterwechsel in den vergangenen Jahren. Im vergangenen Sommer nun haben es Sternekoch Stefan Beiter und seine Partnerin Marina Hentsch übernommen, ein junges Paar, das in den wenigen Monaten seines Wirkens bereits große Aufmerksamkeit bei den Gourmetführern auf sich gezogen und entsprechendes Lob geerntet hat. Das macht neugierig.

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Das Restaurant befindet sich im ersten Stock, die mit Patina überzogenen Holzvertäfelung ist zwar wunderschön, doch wirft sie den Schall in dem mit nur vier Tischen bestückten Raum so ungebrochen zurück, dass man schon nach Minuten weiß: Einen Tisch weiter essen Vater und Sohn, und beide haben in Tübingen studiert, daneben sitzt ein junger Anwalt mit seiner neuen Freundin; da ist man dann insgeheim froh, dass sich das Ehepaar am dritten Nachbartisch den ganzen Abend über anschweigt.

Die Gastgeberin ist an diesem Tag außer Haus, und so sorgen zwei junge, sehr flinke und freundliche Bedienungen für das Wohl der Gäste. Der Küchenchef konzentriert sich auf ein einziges siebengängiges Menü (133 Euro ohne Weinbegleitung), das man allerdings auch auf drei oder vier Gänge reduzieren kann (69 oder 82 Euro). Wir entscheiden uns für die viergängige Variante mit den Hauptgängen Zander beziehungsweise Lamm. Zu unkonkret? Mag sein, aber als Gast erfährt man heutzutage aus vielen Speisekarten ja nicht mehr als eine kurze Zutatenliste. Im Falle des Lamms sind es Linsen, Gurke, Kreuzkümmel. Ist das Fleisch gebraten, geschmort oder mariniert, ist es die Schulter der Rücken, die Keule? Der schnörkeligen Küchenpoesie früherer Zeiten weint nun wirklich keiner nach, aber bleibt als einzige Alternative der Eindruck, der Koch wolle sich die Zubereitungsart bis zuletzt offenhalten? Immerhin erhöht sich dadurch die Spannung, und als der erste Gang (Gänseleber, Passionsfrucht) kommt, ist auch die erste Überraschung perfekt. Denn in der Schale einer Passionsfurcht findet sich ein Gänselebermousse auf einem, aha: Bananensorbet. Kann man machen, haut aber niemanden vom stoffbezogenen Stuhl. Denn das Mousse ist zwar himmlisch leicht aufgeschlagen, verliert dadurch aber auch viel vom Gänselebergeschmack und kommt gegen die Dominanz der Aromen von überreifer Passionsfrucht und Banane nicht an.

In einem Satz

Ein wunderschöner Gasthof mit guten Ansätzen, die Küche muss aber noch nachbessern, will sich das Haus als Ausflugsziel etablieren.

Qualität: ●●●○○ Ambiente: ●●●●○ Service: ●●●●○ Preis/Leistung:●●●○○

Die zweite Vorspeise (Saibling, Traube, Sellerie, Pfeffer) hinterlässt in ihrer harmlosen Schlichtheit ebenfalls keinen bleibenden Eindruck. Der Fisch kommt als Tatar und wird in seiner milden Note von der Selleriecreme weder gestört noch unterstützt. Ohnehin bleibt wenig Gelegenheit, über die hübsch angerichtete Kreation nachzudenken, ist sie nach drei Gabeln doch schon aufgegessen. Gut, wir sind hier nicht auf einer Schnitzelfarm, aber eine solche Zurückhaltung bei den Portionen wie in der Alten Post ist uns lange nicht mehr begegnet. Das anschließend servierte Stück vom Lammfilet ist zwar butterzart und die Begleitung aus einem mit Kreuzkümmel gewürzten Linsentöpfchen orientalisch originell geraten, doch ist auch diese Portion so winzig, dass man sie fast für eine Persiflage auf die Haute Cuisine halten könnte. Der Zander mit Morcheln wiederum macht im Mund erst einmal durch heftiges Knirschen auf sich aufmerksam, was wohl ein Hinweis auf zu sorglos geputzte Pilze ist. Wir gehen hier von einem Ausrutscher aus. Kann passieren. Schade ist es trotzdem, denn Sand zwischen den Zähnen gehört eher zu den unangenehmen Erfahrungen beim Essen und beschädigt auch ein so schönes Gericht wie dieses, das geschmacklich nichts zu wünschen übrig ließ.

Ehrlich gesagt: Auf das Dessert freuen wir uns an diesem Punkt schon deshalb, weil wir schlicht noch hungrig sind. Joghurt mit Basilikumeis und Erdbeeren. Dieses Rezept ist alles andere als ein Verbrechen, allerdings nimmt der Koch damit in Kauf, dass viele Gäste diese Nachspeise so oder ähnlich auch schon auch anderswo gegessen haben. Uns beschleichen jetzt leise Zweifel, ob das Konzept dieses Gourmetrestaurants in der Provinz so auf Dauer funktioniert. Die Konkurrenz hervorragender Speiselokale ist im Nordschwarzwald ja nicht gerade gering. Und wer hier am Ende mit 275 Euro für zwei Personen (inklusive Weinbegleitung) die Heimreise antritt, fragt dann doch, ob sich der weite Weg gelohnt hat.

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