Lokaltermin:Restaurant Aichhorn

Ein kulinarischer Trend jagt den nächsten. Wie erholsam ist da die Rast in einem Landgasthof im Salzburgischen. Alles wie immer hier: sehr gut nämlich.

Gastronomen versuchen gerne, das Rad neu zu erfinden. Ein wenig albern ist das schon, findet Katharina Seiser, wenn man bedenkt, dass in Europa bereits seit mehr als 2000 Jahren zivilisiert gekocht wird. Wie wohltuend ist da die Rast in einem Landgasthof wie dem Restaurant Aichhorn in Kleinarl bei Salzburg, das nur auf den ersten Blick wie aus der Zeit gefallen wirkt

Je schneller ein Restauranttrend den nächsten jagt, desto wichtiger wird - Vorsicht, ganz altmodisches Wort - das Innehalten. In einem dieser Lokale, in denen sich auf den ersten Blick nie etwas ändert, die in den einschlägigen Kompendien seit Jahren als "verlässliche Gourmetadresse" gelistet werden. Wie zum Beispiel das Restaurant "Aichhorn" in Kleinarl im Salzburger Pongau, benannt nach der Betreiberfamilie. Hier geht es derart herzlich und ungekünstelt zu, dass man nach dem Besuch gar nicht umhinkommt nachzudenken über das, was gute Küche ausmacht, welchen Einfluss der Ort darauf hat und welchen der Kontext.

Schönheitspreise gewinnt das Anwesen in Kleinarl auf knapp 1000 Metern Seehöhe allerdings keine, aber das tut in dieser beliebten Wintersport- und Wanderregion kaum ein Gebäude. Freundliche Chronisten bezeichnen den Stil als gediegen - für das Prädikat "in Würde gealtert" ist es zu jung. Die holzgetäfelten Stuben mit "dankbarer" Tischwäsche in Hellgelb und Weinrot, mit gelben Rosenköpfen in drei unterschiedlich hohen Vasen auf dem Tisch wirken wie aus der Zeit gefallen. Die Speisekarte verstärkt diesen Eindruck. Doch wer sich Zeit dafür nimmt, so viel sei verraten, wird die Stärken der Region und das Selbstbewusstsein von Küchenchef Franz Aichhorn durchblitzen sehen.

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Als Aperitif gibt es Prosecco mit Enzian oder hausgemachtem Vogelbeersirup. Die Entscheidung, welcher besser hierher passt, fällt schwer, so erfrischend anders und genau richtig schmecken sie. Berta Aichhorn, die mit ihrem Mann seit gut 30 Jahren das Lokal betreibt, ist eine Art Ideal der perfekten Gastgeberin, so wie man sie in der Stadt mit all den Befindlichkeiten von Gästen und Personal so gut wie nie findet. Gegenseitige Wertschätzung bedeutet in diesem Haus noch etwas. Das liest sich banal, aber erst in einem Lokal, in dem so erkennbar mit Leidenschaft und ohne doppelten Boden gearbeitet wird, spürt man, wie flüchtig die Beziehung zwischen Gast und Gastgeber geworden ist.

Da darf dann neben den Lammwochen (die Gegend ist berühmt für ihr gutes Lammfleisch) auch eine Mango auftauchen, oder sogar Hummersuppe, die erst einmal skurril wirkt, aber was ist denn besser: dass jeder einzelne Gast bestimmt, was heute auf der Karte eines Landgasthauses zu stehen hat? Oder gibt es doch noch so etwas wie Hausrecht, welches dem, der kocht, freie Hand lässt in dem, womit er seine 16-Stunden-Tage verbringt und woran er Freude hat?

In einem Satz

Ein Landgasthof, wie man ihn sich wünscht, aber nicht oft findet: ungekünstelt, herzlich, von verlässlicher Qualität, aber nicht langweilig.

Qualität: ●●●●○

Ambiente: ●●○○○

Service: ●●●●●

Preis/Leistung: ●●●●○

Trotzdem zieht sich ein saisonaler Faden durch die Speisekarte. Das lauwarme, nur ganz zart gewürzte Berglamm-Carpaccio kommt auf einem milden Tatar aus rosa-geringelten Chioggia-Rüben mit Himbeere (15,50 Euro). Die Räucherforellen-Panna-Cotta (13 Euro) indes ist würzig und gehaltvoll, aber von der Konsistenz im Mund so perfekt, wie man es ihr nie angesehen hätte. Der gebackene Leberknödel (in Österreich gibt es "grüne", also nur gekochte Leberknödel, oder eben in heißem Fett knusprig ausgebackene) schmeckt so, wie man ihn kaum noch bekommt: aromatisch, flaumig, in eher fetter Rindssuppe, die mit viel frischem Thymian eine ungewöhnliche Note bekommt (4,50 Euro). Die Hummersuppe (9,50 Euro) ist dann so elegant wie in großstädtischen Etablissements, auch wenn sie hier, wie gesagt, deplatziert wirken mag. Aber: Aichhorn, Jahrgang 1962, wollte in der Lehre Anfang der Achtziger ins Elsass, zu Haeberlin und Troisgros. Doch damals gab es sechs Monate Wartezeit auf ein für Österreicher nötiges Visum. So kam er nach Hamburg, zu Josef Viehhauser, und lernte dort den "Produktfanatismus" kennen, wie er sagt. Und die Frische, auf die er seither setzt. Er schwärmt davon, wie gut das Getreide gerochen habe, das man damals dort verwendete. Dass Fleisch aus Massentierhaltung indiskutabel war und man schon früher nachhaltig gearbeitet habe, weil selbstverständlich nichts weggeworfen wurde. Er wirkt in all dem sehr bestimmt, grantelt gegen Moden, Ideologie und Philosophie, dabei "wird in Mitteleuropa seit 2000 Jahren zivilisiert gekocht, da kannst du nichts neu erfinden".

Und doch erfährt man bei Aichhorn Neues: Die Lammleber (die auch ohne alles fantastisch wäre) reicht er mit knusprigen Linsen und perfekt gereifter Mango (16,50 Euro). Die Linsen schmecken brotig, aufregend, nicht zerkocht, wie sie oft serviert und als "heimisches Superfood" angepriesen werden. Auf Nachfrage lüftet Aichhorn bereitwillig sein Geheimnis: "Ich habe sie ein paar Tage ankeimen lassen und dann scharf in gutem Olivenöl ganz kurz knusprig angebraten. Bohnenkraut dazu, Deckel drauf, kein Salz, kein Pfeffer." Wow.

Bei den Desserts muss man Aichhorns Faible für Eis erwähnen. Er hat früher Diskussionen losgetreten mit Sorten wie Olive (schwarze Oliven, weiße Schokolade, Kardamom) oder Sellerie-Eis. Lange her. Heute aber dulden die Eissorten Marille und Orangen-Kaki zu den Nachspeisen (etwa 10 Euro) keinen Widerspruch. Berta Aichhorn serviert dazu, was sie aus ihrem Weinfundus für passend erachtet, nicht ohne zu checken, ob ihren Gästen wirklich schmeckt, was sie einschenkt. Erstaunlich, wie souverän die beiden Vorurteile aus dem Weg räumen, mit dieser unbeirrbaren Mischung aus Bescheidenheit, Substanz und Leidenschaft. Nicht zu verwechseln mit der Gschaftlhuberei, die so viele Köche heute als Leidenschaft ausgeben.

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