Lokaltermin:Pastalozzi

Viele Italiener in Deutschland deklinieren nur das übliche Einerlei aus Pasta und Pizza durch. Abwechslung bietet das "Pastalozzi " in Hamburg.

Viele Deutsche pflegen eine fast schon symbiotische Beziehung zum Italiener in der Nachbarschaft. Das ist schön, aber selten gut, findet unser Autor Stevan Paul. Denn allzu oft deklinieren italienische Lokale hierzulande nur das übliche Einerlei aus Pasta und Pizza durch. Auf der Suche nach Abwechslung stieß Paul auf das Pastalozzi im Hamburger Portugiesenviertel.

Eigentlich ist Hamburg ja eine Ansammlung beschaulicher Dörfer, und in seiner Freizeit verlässt auch der offiziell selbstverständlich weltoffene Hanseat nur ungern seinen Kiez. Er liebt sein Viertel, geht zum Essen ins Stammlokal um die Ecke und besonders gern zum Nachbarschafts-Italiener. Das Essen bei vielen dieser Lokale ist dann - freundlich formuliert - eine eher reelle Angelegenheit, die vor allem sättigt und das oft zu fast kriminell günstigen Preisen: Schlaffe Pizza, Spaghetti Carbonara mit Sahne und Formvorderschinken oder Rinder-Carpaccio mit Zitronenschnitz, Ölfläschchen und Pfeffermühle vorweg - zum selber Würzen. Das Süßholz dazu wird gratis geraspelt, "dottore" hier, "bella signora" dort, da scheint sich 2015 seltsamerweise nicht groß von 1985 zu unterscheiden.

Manches Mal wäre eine kurze Fahrt mit dem nächsten Linienbus die bessere Idee, denn es gibt sie ja, die guten Italiener. Besonders viel Gutes hört man in Hamburg gerade vom "Pastalozzi", einem kleinen italienischen Lokal im Portugiesenviertel am Hafen. Gastgeber dort ist Nikolaus Gelpke, Verleger der Zeitschrift Mare, die sich ja auch für Qualität in der Nische interessiert. Und weil das Pastalozzi eh sein Stammlokal war, beschloss Gelpke vor zwei Jahren einfach, es zu übernehmen. Vergangenen Winter eröffnete er dann nebenan noch ein Feinkostgeschäft, das "Pastalozzi Due", und so schloss sich der Kreis: Gelpkes Familie betreibt seit 40 Jahren einen Hof in der Toskana. Neben Olivenöl und Schafskäse sind die (tatsächlich sehr guten) Weine der Fattoria Corzano e Paterno nun auch im neuen Laden erhältlich und auf einer Extrakarte im Restaurant gelistet. Wir verzichten auf einen Aperitif und entscheiden uns für den 2011er Terre di Corzano Chianti (27,50 €), der erfreulicherweise nicht sommerwarm, sondern wohltemperiert serviert wird, ein frischer Rotwein mit Charakter und toskanischer Würze.

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Man fühlt sich gleich wohl in der behaglichen Wohnzimmeratmosphäre, die ohne jeden folkloristischen Tand auskommt: schlichte Holztische, ein kühler Mosaikstein-Boden, glattverputzte Wände mit einigen Bildern und Fotos. Ähnlich schnörkellos gibt sich der Service, der - beim Italiener kann das erholsam sein - hier einfach freundlich seiner Arbeit nachgeht. Der erste Blick in die Speisekarte stimmt jedoch skeptisch, auch hier wird die Carbonara mit Sahnesoße gemacht, wo bei der klassischen Variante die Spaghetti nur mit Eigelb cremig gerührt werden. Zudem finden sich übliche Verdächtige auf der Karte, Pizzen und Pasta-Variationen mit vertrauten Namen, mehr Raffinesse verspricht die Schiefertafel mit den Extras an der Wand.

Wir starten mit Klassikern: Tomatensalat und Carpaccio vom Rind. Beides Gerichte, die in ihrer vermeintlichen Schlichtheit formidabel geeignet sind, vieles bis alles falsch zu machen. Der Tomatensalat bereitet Freude, die Beeren haben Sonne getankt, die üppig gestreute, großblättrige Sommerrauke ist nicht zu würzig, die roten Zwiebelstreifen sind frisch und alles badet in feiner Vinaigrette mit wohldosiertem, aromatischem Oregano (5,90 €). Das Carpaccio indes enttäuscht erst mal: Rindfleisch und Parmesanbruch an imposantem Zitronenschnitz (11,90 €). Aus dem mitgelieferten Olivenöl, Balsamessig, Salz und Pfeffer soll ich mir dann selbst eine wohlschmeckende Vorspeise zubereiten. Seit wann ist eigentlich das Carpaccio Angelegenheit des Gastes? Erfinder Giuseppe Cipriani, Barkeeper in Harry's Bar in Venedig, der 1950 das erste Carpaccio servierte, gab sich jedenfalls noch Mühe beim hauchdünn geklopften Rind. Er beträufelte es mit Olivenöl und feiner Senfsoße, bevor er es der Contessa Amalia Nani Mocenigo servierte, die - so die Legende - Rindfleisch nur roh vertrug. Wichtig beim Marinieren ist die Wahl der Säure (Zitrone und/oder Balsamessig?), der umsichtige Umgang mit Salz und Pfeffer sowie die Dosierung des Olivenöls. Warum nur überlässt man all das seit einigen Jahren dem Gast? Lobend zu erwähnen ist, dass man im Pastalozzi zumindest um die Wichtigkeit guter Fleischqualität weiß und die zum Carpaccio entbehrliche modische Rauke gleich ganz weggelassen hat.

In einem Satz

Ein im besten Sinne schnörkelloses Restaurant, das den wichtigsten Grundsatz der italienischen Küche beherzigt: Das Einfache ist schwer.

Qualität: ●●●●○

Ambiente: ●●●●○

Service: ●●●●○

Preis/Leistung: ●●●●●

Beifall gibt es indes sogar vom Nachbartisch, als die Pizza Prosciutto e Funghi (9,50 €) serviert wird, die über den Tellerrand lappt und fast eine Tischhälfte ausfüllt. Riesig, Thymian-duftend, knusprig und saftig zugleich. Eine angenehme Überraschung sind auch die Fagottini Zia Rosa, eine Empfehlung des Tages: bezaubernd kleine Pasta-Beutelchen mit Gorgonzola-Birnen-Füllung baden in tomatiger Sahnesauce, zur würzigen Süße gesellen sich raffiniert die Bitternoten von geschmortem Radicchio - große Klasse!

Die Qualität der letzten Gerichte ermutigt sogar zur Bestellung eines anderen überstrapazierten Klassikers: Tiramisu (4,90 €). Auch hier kann man viel falsch machen: zu viel Alkohol, breiiger Bisquit, dumpfsüße Creme. Im Pastalozzi aber schmeckt es zum Weglöffeln gut, mit dunkelherber Schokoladensoße dazu. Italiener können also Spaß machen, man muss nur den richtigen finden, und der ist nicht immer um die Ecke.

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