Lokaltermin:Metzger & Marie

Für Köche ist der Gourmetzirkus anstrengend und ein finanzielles Risiko. In Köln kehrten Marc und Nadine Flogaus zur schlich­ten Produktküche zurück.

Von Fabienne Hurst

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Viele Gastrogeschichten gehen heute so: Ambitionierte Nachwuchsköche übernehmen ein Gasthaus, entrümpeln die Karte, bringen Exotik und Technik in die Küche und verwandeln brave Wirtschaften in Hipstertreffs mit Fine-Dining-Anspruch. Marc und Nadine Flogaus indes gingen den umgekehrten Weg. Lange servierten sie in ihrem Restaurant "Flogaus" im Kölner Agnesviertel Gourmetküche und peilten gute Noten in den Gastroführern an. Der gebürtige Schwabe Marc Flogaus, 35, hatte in Sterneküchen gelernt und im renommierten Salzburger "Ikarus" im Hangar 7 gekocht. Das eigene Restaurant, ein Lebenstraum des Paares, erwies sich dann zunehmend als finanzielle Last. "Wenn wir weiterhin 80 Prozent für Zutaten und Personal ausgeben, fliegt uns der Laden irgendwann um die Ohren", verkündeten die Gastronomen vor drei Jahren per Videobotschaft im Netz. "Also haben wir beschlossen, ein bisschen am Konzept zu schrauben: Die Teller auch mal von links einzusetzen und selbst gemachte Spätzle, Knödel und Schupfnudeln als Sättigungsbeilage zu servieren."

Heute heißt das Flogaus "Metzger & Marie", und auf der Karte stehen gutbürgerliche Lieblingsessen - nicht gerade zu günstigen Preisen, dafür aber mit dem Versprechen, alles streng regional und saisonal zuzubereiten. Auch der Gastraum wurde umgebaut, im Stil einer gemütlichen Wirtsstube: zusammengewürfelte Holzmöbel, blanke Tische, Lammfelle auf den Sitzen, massive Weinregale. Alte Fleisch-Waagen erinnern an den ersten Beruf des Chefkochs: Er absolvierte in der Metzgerei seines Großvaters einst eine Ausbildung. Trotz aller Ursprünglichkeit verzichten sie hier zum Glück nicht auf gestärkte Stoffservietten, edle Weingläser und guten Service. Im Sommer sitzen die Gäste unter adretten Sonnenschirmen in bequemen Korbstühlen, die verkehrsberuhigte Zone vor der Tür macht es möglich. Früher soll hier Porscheklientel eingekehrt sein, heute zieht das Lokal junge Familien an, aber auch volltätowierte Männer oder ältere Damen mit Sommerhütchen und Seidenschal.

Die Karte unterscheidet zwischen "Metzger"- und "Marie"-Gerichten - beides angeblich Spitznamen der Ehepartner füreinander. Laut Karte ist "Marie" für leichtere Speisen zuständig, wie etwa die klare Tomatensuppe (10,50 Euro) oder die Waldpilzpappardelle (18,50 Euro). Der Metzger dagegen empfiehlt Wiener Schnitzel (19,50 Euro), rosa gebratenes Kalbskotelett mit weißem Spargel (32,50 Euro), vor allem aber die Spezialität des Hauses: Innereien. Kalbsbries, Nierenzapfen oder Zungenragout sind zwar Klassiker der Landküche, finden im Zuge des "Nose-to-Tail"-Trends aber auch bei jüngeren Großstädtern immer mehr Akzeptanz. Wer es mit der Nachhaltigkeit ernst meint, verwendet eben alles vom Tier - und nicht nur die Filetstücke.

Vorab bringt die nette Kellnerin mit dem rheinischen Zungenschlag ein "Hausbrettchen" mit Leberwurst, Butter und dünnen Scheiben hausgemachtem Schweineschinken, der gut zum frischen Laugenbaguette passt. Weiter geht es mit Kalbsknochen als Vorspeise (12,50 Euro): Längs aufgeschnitten, im Ofen kräftig angeröstet, garniert mit knusprig gebackenem Knoblauch und Schnittlauchröllchen. Ein wunderbar rustikales Bauernessen, bei dem man das nussige Mark mit Löffeln auf getoastetes Weißbrot kratzt. Dazu passt ein Glas feinfruchtiger, mineralischer Paulessen Riesling vom Weingut Bender an der Mosel. Die offene Flasche wird hier gewogen, bevor sie auf den Tisch kommt, der Gast bedient sich selbst. Am Ende zahlt er nur, was er getrunken hat. Zur Wahl stehen vor allem deutsche und österreichische Weine, dazu Kölsch und in Flaschen abgefüllte Longdrinks und Cocktails aus edlen Zutaten. Die "Finest Bottled Drinks" sind Flogaus' neues Projekt, bei dem er die Getränke zusammen mit dem Barkeeper Philipp Bauermeister auch über einen Onlineshop vertreibt.

Wem der Knochen zu ursprünglich ist, der findet im dünn aufgeschnittenen Kalbstafelspitz zu grünem Spargel eine solide Vorspeise (16,50 Euro). Er kommt leicht angemacht mit Kernöl und Sauce tartare. Etwas sprachlos sitzt man dann vor dem Hauptgang: die gebackene Wildente (28,50 Euro) ist zwar extrem knusprig und perfekt gegart, der fruchtige Sesam-Mango-Dip dazu ein guter Ausgleich - aber einfach zu groß. Der Wildbrokkoli in kräftiger Hoisin-Sauce (fermentierter Soja, Zucker, Knoblauch, Essig und Chili) und die japanischen Maultaschen dazu sind an sich einwandfrei zubereitet - überfordern als Beilagen aber die Geschmacksnerven. Herrlich schnörkellos ist das deftige Boeuf Bourguignon (24,5 Euro), klassisch mit Pilzen und Perlzwiebeln, dazu in Butter gebratene Serviettenknödel. Auch hier ahnt man, dass etwas übrig bleiben wird. "Wir packen gerne auch ein", sagt die Bedienung augenzwinkernd und wir nehmen gern an.

Ein Blick auf den Nachbartisch lässt wehmütig erahnen, dass die Desserts hier auch wunderbar sein müssen - der Verzehr von Grießschmarrn oder Frischkäsetarte erweist sich aber leider als vollkommen unvorstellbar, nach all den üppigen Fleischgerichten. Stattdessen tut es ein guter Espresso mit einem winzigen Stück saftigem Schokoladenkuchen sowie der beglückende Plan, einfach bald wiederzukommen.

Info

In einem Satz: Ehrliche Hausmannskost aus hochqualitativen Zutaten in gemütlicher Atmosphäre serviert - nur etwas weniger mächtig dürfte es sein.

Qualität: ●●●●○

Ambiente: ●●●●○

Service: ●●●●●

Preis/Leistung: ●●●○○

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