Lokaltermin:Landgasthaus Schiller

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(Foto: N/A)

Kulinarische Reise durch Österreich leicht gemacht: Man erstellt eine Liste aller Köche, die im Wiener Steirereck als Souschef gearbeitet und später ein eigenes Restaurant eröffnet haben.

Von Katharina Seiser

Wer eine kulinarische Reise durch Österreich plant, kann es sich bei der Route leichtmachen: Man erstellt eine Liste aller Köche, die einmal im Wiener Steirereck als Souschef gearbeitet und später ein eigenes Restaurant eröffnet haben. Diese Adressen muss man dann nur noch abfahren, rät Katharina Seiser. Klappt eigentlich verlässlich. Wie sich auch im Landgasthaus Schiller in Sommerein zeigt.

Es ist fast so etwas wie ein Adelsprädikat: Ehemaliger Steirereck-Koch zu sein und ein Lokal zu eröffnen, garantiert zumindest Aufmerksamkeit. Wer über Jahre im besten Restaurant des Landes gearbeitet hat, kann so grundverkehrt nicht kochen. Mittlerweile könnte man einen Reiseführer herausbringen und sich auf den Spuren ehemaliger Reitbauer-Souschefs durch Österreich essen. Eine Station auf dieser erquicklichen Route liegt kaum 45 Minuten südöstlich von Wien, Sommerein heißt der Ort am Nordrücken des Leithagebirges an der Grenze zum Burgenland. Von außen sieht man dem früheren Landgasthof zum "Grünen Baum" und heutigem "Schiller" seine inneren Werte aber so wenig an, dass man beim ersten Mal garantiert vorbeifährt. Ein normalgroßes Schild oder auch nur ein Schriftzug am Haus wären da hilfreich.

Gerhard Schiller hat das Gasthaus, das für ein paar Jahre geschlossen war, von seinen Großeltern übernommen. Mittlerweile kocht er drei Jahre dort, und das mit selbstsicherer Leidenschaft und langfristigen Zielen. "Meine kleine Farm" könnte der Gasthof auch heißen. Denn hat Schiller 2013 schon mit Wachteln und Kaninchen begonnen, gibt es nun auch zwei Kamerun-Schafe, zwei (trächtige) Edelziegen, zwei Kaschmirziegen und 60 Hühner. Die Wachteln waren aber zu viel Arbeit und verwenden dürfe er weder Eier noch Fleisch fürs Lokal, erzählt der tiefenentspannte Patron, Jahrgang 1985, später schmunzelnd. Das Gesetz. Geplant sei, bis nächstes Jahr alles auf rechtlich tadellose Beine zu stellen, bis dahin erfreuen sich eben die Familienmitglieder an den Eiern und die Gäste an dem ungemein zutraulichen Geflügel, den überhaupt nicht schreckhaften Nagern und den neugierigen Ziegen. Allesamt auf prächtigen Wiesen mit reichlich Platz, versteht sich.

Mehr als artgerecht gehalten werden auch die Gäste, vor allem im Sommer. Die große Holzterrasse unter Zwetschgen- und Nussbäumen im Garten ist so einladend, dass man gar nicht anders kann als zu beschließen, die Mittagspause im französischen Stil anzugehen: ausgiebig. Das ist hier auch deshalb möglich, weil es durchgehend warme Küche gibt - ein zum Glück mancherorts noch gepflegtes Erbe aus guten alten Wirtshauszeiten. Ein Menü zu vier Gängen um 38 Euro, das ist in dieser Qualität nach wie vor eine Mezzie. Der Kellner führt Schmäh, der Chef bringt hausgemachte Mini-Lángos mit Wurzelspeck und dem Zusatz, dass man diese kleinen Fladen ausnahmsweise und in dieser Qualität dann doch essen dürfe. Zur Erklärung: Lángos sind jene vor Knoblauch und Fett triefenden heißen ungarischen Fladenbrote, die man im Wiener Prater traditionell entweder vor oder besser nach einer Achterbahnfahrt isst. Hier sind sie frisch hausgemacht, mit nur zarter Knoblauchnote und sensationell gutem Germteig - dafür hätte es dieser Entschuldigung nicht bedurft.

Das einzige Problem an allen folgenden Gängen ist ihre Größe. Die ist wohl dem Ort und den Ansprüchen der lokalen Klientel geschuldet, notwendig sind diese Portionen bei vier Gängen nicht. Von der Lachsforelle mit Gurke und Borretsch liegen gleich zwei Stücke auf der kräftig abgeschmeckten Gurkenemulsion, was auch als Hauptgericht durchginge. Die zweite Vorspeise, Zucchini mit Eierschwammerln, Quinoa und Marille würde ebenfalls einen perfekten vegetarischen Hauptgang ergeben. Kleine, knackige, höchst aromatische Eierschwammerl, fingerdicke, kräftig, aber mit Biss gebratene Zucchini und -blüten auf einem Sockel aus (so selten) fein abgeschmecktem, nicht trockenem Quinoa mit weich geschmorten Marillen - super.

Die klare Erdäpfelsuppe mit Getreidetascherl und Salbei bestätigt dann den bei den Vorspeisen erahnten Verdacht: Hier ist einer großzügig beim Abschmecken, steht auf breiten, kräftigen Geschmack. Auch das Auberginentatar mit Salzzitrone und Dill, gequetschtem Erdapfel und einer köstlichen, perfekt weich gegarten Lammzunge im Ganzen geht in diese Richtung. Die abgezogene burgenländische Taubenbrust wirkt dann nicht taufrisch zubereitet, Mais und Bohnen dazu sind aber so köstlich wie das knusprig ausgebackene Taubenhaxerl. Der saftig-weiche Zwiebelrostbraten schwimmt in Bratensaft, mit paprizierten Knusperzwiebeln drauf - ein Wirtshausklassiker, der es auch bleiben wird, wenn er so schmeckt.

Weil das Haselnussmousse mit Verbene und Kohlrabi (!) leider aus war, ließ der Küchenchef einen süßen Querschnitt servieren. Der Schoko-Nuss-Kuchen, vormals "Mohr im Hemd", saftig, aber mit zu viel groben Mandelstücken. Das Himbeer-Paprika-Sorbet - beide Hauptzutaten stammen aus Schillers Garten - ist von einer Wucht, die das Bitterorangensorbet daneben fast erschlägt. Friedlich vereint werden die fruchtigen Ausritte von einem flaumigen Topfensoufflé. Ein Musterbeispiel dafür, wie perfektes Handwerk und guter Geschmack (des Kochs) aus etwas vermeintlich Altmodischen eine zeitlose Freude machen, für die allein es sich wiederzukommen lohnt. In der kalten Jahreszeit muss man sich das Interieur zwar derweil noch schöntrinken, dafür gibt es aber genügend feinen Stoff aus Carnuntum - oder das eigens für Schiller gebraute Bier aus dem Nachbarort.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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