Lokaltermin im Restaurant Haco:Nordische Küche, entspannt und unprätentiös

Restaurant HACO Hamburg - ACHTUNG: DARF AUCH ONLINE NUR VERWENDET WERDEN FÜR LOKALTERMIN (STIL) UND DAS REZEPT!!

Die Atmosphäre im puristisch eingerichteten Haco ist gelöst, die Produkte kommen unter anderem aus dem Hamburger Speckgürtel.

(Foto: imageagency)

Im Hamburger Restaurant Haco sorgt man mit Wohlfühltellern dafür, dass Essen aus dem Norden in der Mitte der Gesellschaft ankommt.

Von Stevan Paul

Die Nordische Küche mag weltbekannt sein, in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist sie aber nicht. Manche empfinden ihren minimalistischen Stil sogar als elitär. Im Hamburger Restaurant Haco kontert man diesen Eindruck mit Wohlfühltellern wie Schweinebauch mit Knusperkruste oder Lammzunge auf Schwarzbrot. Stevan Paul fand den Norden auf einmal sehr tröstlich.

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Als 2004 in Kopenhagen das Manifest für die Neue Nordische Küche vorgestellt wurde, konnte keiner den Erfolg ahnen. Skandinavien als Ziel für Feinschmecker aus aller Welt? Ein ganz neues Selbstverständnis von Qualität und Regionalität? Beides erschien damals undenkbar. Darüber hinaus bescherte uns die Entwicklung ein wachsendes Heer an kulinarischen Besserwissern und radikalen Produktfetischisten, die, im Netz wie bei Tisch, gern ungefragt ihre Fachkenntnis von der bekömmlichsten Bio-Moosflechte mit der Welt teilten. Vielleicht ist auch das ein Grund dafür, dass viele den Minimalismus skandinavischer Köche für elitär halten, dass die Nordische Küche auch in ihrem verflixten 13. Jahr zwar enorm erfolgreich, aber nicht wirklich in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.

Einer, der hart daran arbeitet, das zu ändern, ist Björn Juhnke, der vor knapp einem Jahr das "Haco" eröffnete, ein skandinavisch-nordisches Restaurant mitten in St. Pauli. Haco steht für "Hamburger Corner", bezeichnet die Ecklage des Lokals, aber auch den nicht unhanseatischen Blickwinkel Juhnkes auf die Welt: Produkte und Anregungen kommen vom Hamburger Speckgürtel, aus Skandinavien, dem Baltikum, aus Nord- und Ostsee und Nordatlantik. Ein Nachbarschaftslokal hatte sich Juhnke gewünscht und das scheint geklappt zu haben, die Atmosphäre im puristisch eingerichteten Lokal ist gelöst, viele sitzen hier in T-Shirt und Jeans zu Tisch.

Die Karte listet verschiedene Menüs (vier Gänge 56 Euro, sieben Gänge 92 Euro). Aus dem À-la-carte-Angebot lässt sich auch ein vegetarisches Menü ableiten. Der Abend startet mit knusprigen Sauerteighörnchen, gefüllt mit Frischkäse, und Saiblingskaviar zu cremig geschlagener Butter mit Meersalz und Fenchelpollen. Ein Teller mit frischen Radieschen offenbart seine Raffinesse beim ersten Biss: die knackigen Knollen wurden in Nussbutter getaucht, dazu gibt es Schnittlauchbrot aus Briocheteig - der Frühling ist da. Auf einer Scheibe geröstetem Schwarzbrot findet sich ein so feinwürziges wie cremiges Ragout aus Lammzunge und gebratenem Lammbries mit jungem Mangold. Einen Akzent setzt grasgrüne Thymian-Mayonnaise. Das ist Innereien-Küche ohne Muff und Nachgeschmack.

Über der handgeangelten Jakobsmuschel mit Rogen-Mayonnaise, knackigem Salatherz-Achtel und geschmortem Kopfsalat beginnen wir zu ahnen, was Juhnke und sein Team anders und richtig machen: Ihre Version der nordischen Küche ist ebenfalls puristisch und konzentriert, dabei aber rund und vollmundig, zugänglich und im besten Sinne gefällig. Das gilt auch für die kunstvollen Tupfen aus dunklem Spinatpüree und Cremes von braunen und weißen Champignons, das bei Tisch gnadenlos mit leuchtend grüner Spinat-Samtsuppe geflutet wird - schön!

Die Weinkarte folgt dankenswerterweise nicht dem nordischen Dogma, einen Schwerpunkt bilden Weine aus Deutschland. Der 2016 Sauvignon Blanc II vom Weingut von Winning (33 Euro) erweist sich als verlässlicher Begleiter durchs Menü. Knackige Würze, erfrischende Säure, eine feinbittere Restsüße - das passt auch zum nächsten Gang, der mit einer überraschenden regionalen Spezialität aufwartet: Stör und Kaviar aus regionaler Teichfischerei des Hamburger Caviar Handelshaus Dieckmann & Hansen. Seit fast 150 Jahren beschäftigt man sich hier mit dem Einsalzen von Störeiern, und die kommen, wie der Fisch selbst, heute aus natürlichen Teichanlagen mitten in Schleswig-Holstein. Der heimische Stör aus Aquakultur überzeugt mit tollem fleischigen Biss, der Rogen ist zartschalig und mild gesalzen. Björn Juhnke hat ihm noch eine samtene Schnittlauchsauce hinzugefügt: eine echte Überraschung aus drei erstklassigen Elementen und Zutaten.

Der Hauptgang ist weniger subtil, aber doch elegant: Das kleine Schlachtfest mit Blutwurst im Schalotten-Mantel und einem Stück Schweinbauch wurde bei Niedrigtemperatur zu buttriger Zartheit mit hauchdünner Knusperschwarte gebracht. Das hausfermentierte Sauerkraut dazu steht noch am Anfang des Gärungsprozesses und ist darum von frischer Säure und erinnert an Krautsalat. Ein Sauerkrautpüree und dunkle Jus komplettieren den seelenwärmenden Teller.

In einem Satz:

Nordic Cuisine zum Wohlfühlen, auf höchstem Niveau und von bester Qualität, ohne ideologische Belehrungen, dafür mit Lässigkeit serviert.

Qualität: ●●●●●

Ambiente: ●●●●○

Service: ●●●●○

Preis/Leistung:●●●●●

Die Gänge werden in angenehmer Schlagzahl serviert. Die Musik ist nicht zu überhören, macht aber allemal mehr Spaß als die Dämmerschlafbeschallung in vielen anderen Lokalen - zwischen Creedence Clearwater Revival, Curtis Mayfield und den Beastie Boys werden hier so furcht- wie wahllos Perlen der jüngeren und älteren Musikgeschichte gespielt. Und Rap zum Dessert-Auftakt, der aus dreierlei von der Topinambur-Wurzel besteht: als leicht gesüßte Creme, in Apfelsaft eingelegte Scheiben und als krosse Knusperstange mit gepufftem Buchweizen, kombiniert mit Muckefuck, dem Malz-Kaffee der Nachkriegsjahre. Die Kombination hat das Zeug zum Klassiker! Von herber Süße und erdiger Frucht ist das Rondell aus Schokolade und Dickmilch, dessen Geschmacksbild an Schwarzwälder Kirsch erinnert, doch Rote Bete spielen hier die überraschende Hauptrolle in Perfektion. Bei der Schichtspeise aus Birnenpüree mit Ziegenfrischkäse und Crumble von Haselnuss und Sauerteig machen die Röstaromen und eine raffiniert salzige Note den Unterschied. Weil die Musik gerade so gut ist, bestellen wir noch ein süffiges Störtebeker Bier vom Fass. So entspannt und unprätentiös haben wir die nordische Küche nur selten erlebt.

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