Lokaltermin:Gastwirtschaft Floh

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Ökologisch korrekte Gastronomie ist schnell etwas anstrengend. Zum Glück gibt es an der Donau bei Wien den Modell-Gasthof Floh.

Von Katharina Seiser

Die ökologisch korrekte Gastronomie hat es zuletzt übertrieben. Ob falsche Versprechen oder Belehrungen bei Tisch - Gäste haben oft nur die Wahl zwischen Bio-Trittbrettlern und Bevormundung. Zum Glück gibt es an der Donau vor Wien den Modell-Gasthof Floh. Er vereint völlig unangestrengt Nachhaltigkeit, Laisser-faire und Genuss, findet unsere Autorin Katharina Seiser.

Allzu verkopfte Speisekarten stimmen die Gäste meist skeptisch. Man fragt sich dann schnell, wovon die fein ziselierte Gemüse-Poesie an zeitraubender Zusatzinformation eigentlich ablenken soll. Beim Floh ist das aber anders: Manche Ankündigung auf der Karte mag etwas umständlich klingen, doch hier verfehlt sie ihre Wirkung nie: die große Lust aufs Essen.

Eingangs wird das streng regionale "Radius-66-Menü" (Sechs Gänge mit Herkunftsnachweis zu 58 Euro) empfohlen, dann kommen drei Seiten in einer Reihenfolge, die für ein Gasthaus im fleischlastigen Österreich mutig ist. Zuerst "Garten, Feld und Wiese", dann "Aus dem Wasser" und erst zuletzt: "Fleisch, ganz sicher". Jedes Gericht hat ein Schlagwort und zwei Zeilen Erklärung. Das liest sich etwa so: "Paradeis-Zirkus: Ehrliche Sommerparadeiser, groß & klein, bunt gemischt, Bio-Schafkäse vom Nuart Seppi mit Honigklee" (11,10 Euro) oder "Bio-Forelle: Glacierte Marille & Bio-Forelle vom Heinisch mit geschmortem jungen Frühkraut aus Laa" (29,60 Euro) oder "Palatschinken mit Demeter-Einkornmehl aus der Stiftsmühle & Waldviertler Bio-Ei aus Arbesbach mit hausg'machter Marmelade" (5,80 Euro) - bei der man aus sieben Sorten wie "Klarapfel und pannonischer Safran" oder "Williamsbirne aus Absdorf in der Nacht eingekocht" wählen kann. Kurzum: eine Ausführlichkeit, die vorfreudige Spannung erzeugt und somit entschuldigt ist.

Sonst lässt eine so perfekt durchgezogene Corporate Identity wie die von Josef Floh und seiner Gastwirtschaft in Langenlebarn an der Donau (Flusskilometer 1959, Anreise per Schiff möglich) die Alarmglocken läuten. Ideologische Rezepte? Oder Bio als Feigenblatt? Doch schlägt man den Nachhaltigkeitsbericht auf, den "der Floh" freiwillig erstellt, und hat man Gelegenheit, das neue Grundstück hinter dem Haus zu besichtigen, auf dem die Gründüngung mit Sonnenblumen, Wicken und anderen Pflanzen den Boden für den Gemüseanbau bereitet, dann besteht kein Zweifel: Das mit der Nachhaltigkeit ist ernst gemeint - die Stromtankstelle für Gäste, die im E-Mobil anreisen, eingeschlossen. Auch wenn man sich in diesem Bilderbuch-Gasthaus wegen eines der beeindruckendsten Weinkeller Österreichs alles schöntrinken könnte: Das ist gar nicht nötig.

Zum Gedeck gibt es ungewöhnlich feines Distelöl, Rohmilchbutter, Gemüse und Kräutertopfen. Der erste Gang im Menü, eine Räucherfischterrine mit hinreißender Gurkenmayonnaise, verrät viel von der Eleganz, mit der hier gekocht wird, obwohl Backhendl und Gulasch ebenso auf der Karte stehen. "Junger Römer", eine knusprige Strudelteigflade mit geschmortem Sommergemüse, zeugt gleichermaßen vom Schmäh des Wirtes wie von seiner Leidenschaft für Falco und dessen (fast) gleichnamigen Hit.

Mittags kann's beim Floh so voll werden, dass der fröhlich-herzliche Weinservice gar nicht mit der Küche mitkommt. Schade, ein oder zwei Achterl mehr wären schon noch drin gewesen. Wo gibt es schon eine Weinkarte, die alleine zwanzig Rote Veltliner listet? Die alle Bio- und Demeter-Weine ausweist? Supersaisonal sind die Paradeiserravioli mit Schaffrischkäse, der in Pulver aus getrockneten Tomaten gewälzt wurde. Die winzigen Rote-Rüben-Raritäten waren eine Spur zu knackig zur Seeforelle, der Lauch dafür schön weich geschmort. Ein Beweis dafür, dass nicht jedes Gemüse am besten fast roh auf den Tisch kommen sollte. Als "Fleischlos" wird ein sogar rein pflanzliches Gericht serviert, aus feinsten winzig-knackigen Eierschwammerln, gerösteten Melanzani, Zucchini und gefüllter Zucchiniblüte mit erfrischend säuerlichem Wildkräutersalat darauf. Hätte eine cremige Sauce oder Polenta das Gröstl und Blattgrün zusammengefangen, könnte dieser Gang als tolles Beispiel für mehrheitsfähiges veganes Essen durchgehen. Geschmeckt hat er auch so.

Josef Floh ist nicht nur Nachhaltigkeitsfanatiker, sondern auch ein brillanter Netzwerker. Dieses Jahr wurde er als einer von neun Betrieben in Österreich (pro Bundesland einer) ausgewählt, die Wildfangfische aus dem Hallstätter- und Grundlsee beziehen dürfen. 70 Prozent seiner Lebensmittel sind biozertifiziert, ein in dieser Liga selbst international unüblich hoher Anteil. Sein Sendungsbewusstsein kanalisiert er auch im Kochcampus, einer Vereinigung von sechs Spitzenköchen, die für Vielfalt und das Bekenntnis zur österreichischen Küche kämpfen und gegen Geschmacksverarmung und Gentechnik. Das alles könnte auch anstrengend wirken, wäre "der Floh" nicht ein derart menschenfreundlicher Genussmensch, mit Bleistift hinter dem einen Ohr und Schalk hinter dem anderen.

Ein Händchen für Nachspeisen hat er noch dazu: "Honigbiene" ist eine intensive Hommage an das wichtige Nutztier (da ist sie schon wieder, die Mission!) ebenso wie an den Sommer: salziges Lavendeleis, Honigcreme, Kamillenblütenstreusel. Großartig! Als Menü-Dessert gibt es ein vielleicht etwas aus der Saison gefallenes Dinkelgrießbrei, dem das Sorghum-Sorbet und der geschmorte Apfel aber sehr gut stehen.

Im "Floh-Markt" bietet der Chef übrigens ausgewählte Lebensmittel an, die zum Teil aus der Floh-Küche stammen, etwa das Distelöl von der Speisekarte. Sogar Frühstück kredenzt der Wirt neuerdings, obwohl er nicht einmal eigene Zimmer hat. Auch das mag wieder etwas anstrengend klingen. Doch nach diesem Besuch ist sicher: Es kann nur großartig sein.

© SZ vom 05.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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