Lokaltermin:Fattoria La Vialla

Der Bio-Hof in der Nähe von Florenz bietet seit kurzem auch einen Mittagstisch an. Was zuerst aussieht wie eine Touristenfalle, entpuppt sich als Fleisch gewordener Toskanatraum.

In der Toskana-Fraktion dürfte die Fattoria La Vialla eine feste Größe sein. Das Landgut nahe Florenz bietet landestypische Produkte und deutschsprachigen Service für eine große Kundenschar nördlich der Alpen. Neuerdings gibt es auch einen Mittagstisch. Klingt nach Tourifalle? Könnte man meinen. Dann aber stieß Philipp Maußhardt hier auf herrliche Speisen zu erstaunlichen Preisen.

Das Landgut "La Vialla" dürfte zu den bekanntesten kulinarischen Toskana-Adressen im deutschsprachigen Raum gehören. Die Kundendatei des Bio-Hofs soll über beachtliche 10 000 Adressen in Deutschland verfügen. Viele Käufer also für Landestypisches wie Pecorino, Olivenöl, Nudeln, Mandelbrot oder Wein, alles heimelig verpackt von der Fattoria, wo man die Sehnsuchtsknöpfe der Nordalpenklientel professionell zu drücken weiß. Das zeigen auch die vielen kleinen ungebetenen Aufmerksamkeiten zu allen erdenklichen Anlässen, welche die Fattoria zu ihrem Markenzeichen gemacht hat.

Bei so einigen Toskana-Reisenden gehört daher ein Abstecher zum Landgut - gelegen zwischen Florenz und Arezzo - zum festen Programm. Weshalb für den (freundlichen) Service im kleinen Hofladen und in der großen Wein-Kantine vorausschauend deutschsprachige Mitarbeiter rekrutiert wurden. Hungrige Besucher konnten bisher an einem der Tische rund um den Hofladen eine "Mirenda" essen, was mit "Brotzeit" oder "Vesper" nur unzulänglich übersetzt ist. Vor einiger Zeit nun haben die Betreiber von La Vialla auch ein Mittagsrestaurant eröffnet, genauer gesagt sogar zwei: So wird vor dem Haupthaus der Fattoria von Dienstag bis Freitag eine Tafel aufgebaut, an der bis zu 40 Personen Platz finden (nur mit Voranmeldung). Und nicht weit davon entfernt, vor dem kleinen landwirtschaftlichen Museum des Hofguts, stehen Holztische im Garten, an denen - ebenfalls nur zur Mittagszeit - wochentags die Gäste mit einem toskanischen Menü bewirtet werden.

Visitenkarte Biglietto
(Foto: privat)

Wer hier nun - nicht ganz zu Unrecht - eine Touristenabspeisung erwartet, wird angenehm überrascht. Und zwar zunächst davon, dass an den Plätzen vor dem pittoresken Museum der Gründer der hübschen Sammlung persönlich bedient. Der ältere Herr erzählt, er sei aufgewachsen in einem der Landhäuser von La Vialla, die heute als Ferienunterkünfte dienen.

Signore del Pasqua bringt zunächst einen Teller mit Antipasti, darunter wunderbare Crostini mit Hühnerleber und gereifter Pecorino mit Feigensenf. Lange gefragt, was man haben möchte, wird in La Vialla übrigens nicht. "C'è que c' è" (tschä-ke-tschä) sagt man hier - es gibt, was es gibt. Dazu als Apéritivo einen ungefilterten Sekt aus der eigenen Kellerei, der das leichte Sommerlüftchen, das vom Arnotal heraufweht, noch angenehmer erscheinen lässt.

La Vialla ist kein Hofgut in der 25. Generation mit Ahnentafel bis zurück zu den Medici, sondern das relativ junge Projekt eines Unternehmers, der sein Geld in der Textilindustrie verdient hat. Piero Lo Franco, als Seniorchef neben seiner Frau Giuliana noch immer präsent, verspürte vor rund 40 Jahren den Wunsch nach Veränderung. Er verkaufte seine Industrieanteile und erwarb gut 1000 Hektar Land mit vielen, oft verfallenen, Bauernhäusern. Schritt für Schritt stellte die Familie - inzwischen sind die drei Söhne die Motoren des Betriebs - die Landwirtschaft auf bio-dynamische Produktion um und baute ein Direktvermarktungssystem auf, das, bis hin zur eigenen, patentierten Schreibschrift, in Italien ziemlich einmalig ist.

In einem Satz

Das Essen ist bodenständig und vorzüglich, die Atmosphäre wie in einer Toskana-Werbung - so viel Glück ist ja fast kaum zu ertragen.

Qualität: ●●●●○

Ambiente: ●●●●●

Service: ●●●●●

Preis/Leistung: ●●●●●

Die nächste Überraschung ist dann die Pasta: Zu hausgemachten Tagliatelle hat die Köchin eine Soße aus saisonalem Gemüse gekocht, so konzentriert, dass sie mit ihrem leichten Röstaroma fast an Fleischsugo erinnert. Im La Vialla ist man stolz darauf, dass hier noch echte "Massaie" kochen, wie die italienische Bezeichnung für Hausfrauen lautet. Das mag nach altbackenem Marketing-Sprech klingen, gilt aber in Italiens traditionsbesessener Regionalküche bis heute vielerorts als Gütesiegel für authentische Rezepte und unverfälschten Geschmack. Und genau so schmeckt es hier auch.

Weil das Landgut sich bei der Aufzucht von Tieren auf Geflügel und Lämmer beschränkt, spielt beides bei den Hauptgängen die Hauptrolle. An diesem Tag wurde ein Lamm in den Holzbackofen geschoben. Zart, kross und gut gewürzt mit Rosmarin und wildem Thymian. Dazu eine mit viel Paprika bestückte Caponata, jener klassische Gemüsetopf, den es in vielen regionalen Varianten von Sizilien bis Ligurien gibt. Die kurzen Wartezeiten zwischen den Gängen überbrückt man hier mit frisch gebackenem Brot und einem süchtig machenden Olivenöl.

Dieses heimelige, längst zum Italienklischee geronnene Gefühl, bei Freunden zu essen, hier stellt es sich tatsächlich ein, spätestens als del Pasqua großzügig die Gläser nachfüllt. Nach zwei Weißweinen (einer ein ebenfalls unfiltrierter Torbolino) sind wir zum Roten gewechselt, einem Barricato aus dem Jahr 2013, dem später noch ein verführerisch duftiger Vinsanto folgt. Da ist es ein Glück, dass man das Landgut auch per Wanderweg erreichen kann. Zum Abschluss kommt Tiramisù, hier aber, noch eine Überraschung, kein Allerweltsdessert, sondern statt mit Mascarpone mit Ricotta aus frischer Schafsmilch zubereitet. Dieses Glück erlebt der Gast allerdings nur von Frühjahr bis Sommer, wenn die Mutterschafe in La Vialla noch Milch geben. Das Landgut verlässt man nur sehr unwesentlich ärmer als vorher - angesichts der äußerst gastfreundlichen 25 Euro für das komplette Menü inklusive Wein, Grappa und Espresso. Mit der beglückenden Verbindung aus Süßwein, Mandelkeks und Kaffee am Gaumen schlendert man später noch italienbeseelt durch den Olivenhain von La Vialla. Irgendwo ruft ein Pfau.

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