Lokaltermin:Burg Lenzen

Auf halber Strecke zwischen Berlin und Hamburg liegt das Bio-Hotel Burg Lenzen, das dem Bund Naturschutz gehört. Den Traumblick auf das Biosphärenreservat Elbauen gibt es gratis. Auch sonst sind die Preise dort fair.

Von Philipp Maußhardt

Die einsame Prignitz liegt auf halber Strecke zwischen Berlin und Hamburg und hätte als Ausflugsziel mehr Aufmerksamkeit verdient, findet Philipp Maußhardt. Auch wenn man hier nach einem guten Lokal etwas länger suchen muss. Fündig wurde er auf Burg Lenzen. Der Traumblick über die Elbauen und die fairen Preise machen kleine Stolperer der Küche mehr als wett

Der Blick von der Schlossterrasse verliert sich in der Weite der Elbauen. Der Park geht langsam in eine Flusslandschaft über, deren Schönheit als Biospährenreservat der Unesco gewissermaßen offiziell ist. Ein Storch landet auf der Wiese, zwischen uralten Eichen geht die Sonne unter. Es gibt wahrlich schlechtere Orte für ein Essen an einem Maiabend. In der 2500-Einwohner-Stadt Lenzen im Westen Brandenburgs sticht die aufwendig renovierte Burganlage mit Hotel, Restaurant und Besucherzentrum umso mehr ins Auge, als in der Altstadt viele Gebäude verfallen oder blinde Fenster vom Wegzug der Bewohner künden. Die Prignitz - so heißt dieser Landstrich - liegt ziemlich genau in der Mitte zwischen Hamburg und Berlin, doch vielen Großstädtern scheint der Weg dahin zu weit zu sein.

Die paar Touristen verlieren sich in den Gassen oder in den schier unendlichen Auwiesen. Wenn da nicht der Elbe-Radweg wäre, der von Mai bis September viele Radler lockt - das Burgrestaurant samt Hotel hätte kaum Überlebenschancen. So aber sind an diesem Abend die Tische gut besetzt, an den braun gebrannten Gesichtern lassen sich die Radfahrer unter den Gästen leicht ausmachen. Wenn auch das Bio-Siegel in den neuen Bundesländern bislang noch keine besondere Anziehungskraft entfaltet, so hat sich die Burg-Gastronomie samt Hotellerie ihm ganz verschrieben. Kein Wunder: Die Burg gehört der niedersächsischen Sektion des Bundes für Umwelt und Naturschutz.

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Entlang der Elbe blüht der Holunder, dass es eine Freude ist. Und so fällt es nicht schwer, aus den drei angebotenen Suppen zu wählen: Holundersuppe mit "herrlichen" Apfelstücken (5,50 Euro), wie es auf der Karte heißt, mag etwas albern klingen, aber die Suppe ist wirklich gut. Die Süße der Blüten und die Säure der Äpfel sind austariert, die Zitronenmelisse aus dem Restaurantgarten gibt noch einen zusätzlichen Frische-Kick. "Herrlich" sind hier aber auch die Preise, die der Abgeschiedenheit des Ortes offenbar Rechnung tragen. Jedenfalls muss man lange radeln, um irgendwo ein Lammragout mit Apfel und Fenchel zu Paprika-Bohnen-Gemüse und Kartoffeln für 12,50 Euro zu finden.

Aber der Reihe nach: Mit der Suppe hat sich Küchenchef Knut Jessen schon mal unsere Zuneigung erkocht. Und auf der nicht sehr umfangreichen Karte (eher ein gutes Zeichen!) finden wir noch vor dem Lamm einen passenden Zwischengang: Spaghetti mit Petersilien-Pesto und gebratenem Kürbis (8,90 Euro). Obwohl man natürlich vorsichtig bezweifeln darf, ob Kürbis im Frühjahr eine gute Entscheidung ist. Aber wer weiß, anständig eingefrorene Ware muss nicht verkehrt sein, gut eingelegte wäre allerdings noch besser. Dass der Zwischengang dann mäßig ausfällt, liegt aber vor allem an den weich gekochten Spaghetti. Ist es nur ein Phänomen oder schon ein Naturgesetz? Mit zunehmendem Abstand zum Brenner werden die Nudeln in Deutschland immer weicher serviert. Nudeln aber, vor allem solche aus Hartweizengries, sollten al dente sein, Biss haben. Immer noch keine Selbstverständlichkeit. Und leider besitzt auch die germanische Petersilie eher den Charakter eines Beigewürzes und eignet sich weniger als beispielsweise Bärlauch oder Basilikum für einen eigenständigen Pesto-Auftritt.

In einem Satz

Burg Lenzen ist ein Ausflugsziel für alle, die gern Wanderungen oder Radtouren in schöner Landschaft mit solider Bio-Küche verbinden.

Qualität: ●●●○○

Ambiente: ●●●●●

Service: ●●●○○

Preis/Leistung: ●●●●●

Erfreulich ist der Abend trotzdem. Schon weil man sich als Genießer ja immer auch in der Rolle des Entdeckers gefällt. Und in einer Region, in der es noch immer sehr wenige interessante Restaurants gibt, einen Platz wie diesen zu finden, beglückt. Hier wird experimentiert, und Schnitzel-Variationen gibt es nicht. Gut so!

Beim Lammragout fällt das Urteil dann ebenfalls nicht eindeutig aus: Es ist einen Tick zu lange geschmort, das sauber parierte Fleisch eine Idee zu trocken geraten. Die Sauce aber, mit ihrer starken Wacholdernote, passt gut zu Apfel-Fenchel-Gemüse und Paprika-Bohnen. Fenchel? Wir suchen den Teller danach vergeblich ab, offenbar wurde er heute durch Lauch ersetzt. Das kann man machen, müsste es dem Gast allerdings über den Service mitteilen.

Beim Dessert tappt die Küche wieder in die Saisonfalle. Versprochen war ein vielleicht eine Idee zu prätentiös annonciertes "Burgparfait aus heranreifenden Früchten und Kräutern aus dem Burgpark". Nun reift Anfang Mai allerdings noch nicht so viel heran. Und ja, das nun servierte Haselnuss-Parfait ist derart gut, dass man in diesem Fall tatsächlich "herrlich" schreiben möchte. Doch warum wird es mit Trauben serviert? Auch das wäre kein gravierendes Problem, würde es nicht der selbstformulierten Philosophie des Hauses widersprechen, ausschließlich regionale und saisonale Produkte zu verwenden. Wenn man diese Linie aber nicht durchalten will oder kann, sollte man sie auch nicht überall wie eine Monstranz vor sich hertragen.

Dennoch: Wir waren am Ende nicht nur von der Aussicht auf den Park begeistert. Diese Küche könnte hier und da noch etwas nachjustieren, aber sie weiß auch angenehm zu überraschen. Burg Lenzen ist daher nicht nur der Störche, Reiher und Kraniche wegen einen Ausflug wert. Irgendwann werden das vielleicht auch die Hamburger und Berliner Großstadtmenschen entdecken.

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