Lokaltermin:Barefood Deli

Die Welt der Prominenten-Lokale hat eine neue Facette: Im Hamburger Barefood Deli gewährt Til Schweiger Gästen die Gnade, an seinem Leben teilzuhaben. Man darf "Tils Bolognese" bestellen oder"Tils Lieblingspulli" kaufen.

Von Marten Rolff

Die erschütternd wenig schillernde Welt der Prominenten-Lokale hat eine neue Facette: Im Hamburger Barefood Deli gewährt Til Schweiger Gästen seit ein paar Monaten die Gnade, an seinem Leben teilzuhaben. Das erweist sich leider als wenig aufregend. Man darf "Tils Bolognese" bestellen oder "Tils Lieblingspulli" kaufen. Unser Autor hat sich lieber mal auf das Essen beschränkt.

Prominente, die ein eigenes Restaurant betreiben, dürfte es bald mehr geben als solche, die das nicht tun. Und wen wundert's? Wo das Konzept stimmt, kann ein Lokal schließlich Umsatz und Marke seines Patrons befeuern. So weit, so alltäglich also. Und doch ist das "Barefood Deli", das Schauspieler Til Schweiger im vergangenen Herbst in der Hamburger City eröffnet hat, zumindest für deutsche Verhältnisse (noch) ungewöhnlich. Warum? Womöglich haben Schweigers Berater schlicht ein wenig besser verstanden, dass der Gast sich dringender denn je nach Zugehörigkeit zu irgendeiner Community zu sehnen scheint; dass Lokale heute funktionieren können wie die analoge Ausgabe eines Influencer-Accounts auf Instagram. Gut möglich aber auch, dass Til Schweiger deshalb als Wegbereiter des deutschen Fetisch-Restaurants in die Gastronomie-Geschichte eingehen wird.

Denn fast alles im Barefood Deli ist darauf ausgerichtet, in die vermeintliche Lebenswelt des Promi-Neuwirts einzutauchen, von "Tils Cheeseburger" über den Cabernet Sauvignon "Emma" (so heißt Schweigers Tochter) bis zum Mozzarella-Salat von seiner Finca-Köchin Tina auf Mallorca. Nun wäre gegen etwas Fan-Pflege nichts einzuwenden, und auch zwei Stündchen gute Gourmetgeiselhaft ließe man sich gern gefallen. Doch darüber geht das Konzept deutlich hinaus: Gäste dürfen hier in Tils Kaschmir-Knitwear kuscheln, seinen aktuellen "Lieblingspulli" - das Modell "Roundneck-Navy Men" in Marineblau - gibt es ebenso im Restaurant-Shop wie seine Bettwäsche und seinen Kaffeebecher. Sie können "Tils Pils" trinken - ein Auftrags-Lager der Bayreuther Maisel-Brauerei. Und dazu "Tils Bolognese" essen - ein Familienrezept. Doch wie nun soll man diese Art von Erlebnis nennen? Kulinarisch sublimiertes Stockholm-Syndrom im fortgeschrittenen Stadium?

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Es lebe die Projektion! Gehört man jetzt zur Familie? Ob Schweigers wohl gern mit den Nachbarn am hübschen Holztisch ihrer Finca feiern? Haben Tils multitalentierte Töchter auch das geschmackvolle Geschirr getöpfert? Das wären so die Fragen, die sich nach dem Studium der Karte aufdrängen, als die sehr zugewandte, zuverlässige und überraschenderweise nicht mit dem Chef verwandte Kellnerin an den Tisch tritt.

Der Gastraum bietet auf zwei Etagen Platz für 200 Menschen. Es dominiert der Shabby Look, geweißelte Regale, Spiegel und Tischbeine, gewachste Kiefernholzflächen, Kacheln im Industrie-Chic. Das ist nicht ungemütlich, aber auch nicht groß anders als im Café ums Eck. Hat man jetzt schon länger so. Schweigers Wohnzimmer wäre damit umstandslos kettenfähig. Ende Mai hat er an der Ostsee sein "Barefoot Hotel" (Barefoot heißt seine Produktionsfirma) eröffnet. Und wo das Storytelling die Hauptsache ist, spielt das Essen nur eine Nebenrolle. Zusammengefasst geht es um mediterran inspirierte, schicke Allerweltsküche: Steak, Fisch, Pasta, Risotto, stets serviert mit etwas zu viel Attitüde.

Der Auftakt ist frisch: Die Datteltomaten mit roten Zwiebeln und Kapern (8,50 Euro) sind aromatisch, die kräutrige Vinaigrette ausbalanciert. Und zum gratinierten Ziegenkäse mit Baby Leaf und Beeren (12,50 Euro) macht der fruchtige Wumms des Cassisdressings Freude. Viel zu süß indes ist die Himbeersoße zu "Tinas Fior di Latte" (12,50 Euro), da helfen auch Pinienkerne nicht, zumal die Orangen unterm Mozzarella es an Spritzigkeit fehlen lassen. Vielleicht sollte die Finca-Köchin mal einige der zu Recht berühmten mallorquinischen Sommerorangen rüberschicken? Das Garnelen-Ceviche von Tils Lieblingskoch Emilio aus Palma (14,50 Euro) ist trotz Chili, Limette und Koriander recht zahm. Und dass dieser Salat aus gebratenen Garnelen zu Avocado und Tomate mit dem peruanischen Trendteller aus mariniertem rohen Fisch kaum mehr als den Namen gemein hat? Geschenkt.

Ähnlich durchwachsen die Hauptgänge: Das Rib-Eye-Steak (33,50 Euro) ist tadellos gegart und geschmacklich gut, die Süßkartoffelpommes sind außen kross und innen cremig (3,50 Euro, Beilagen extra), ein Rätsel nur die fast rohen Knoblauchzehen zum Rind. Zu gebratenem Kabeljau (23,50 Euro) kombiniert die Hipsterküche neuerdings gern Spinat mit Roter Bete, hier als zweifelhafte Rahmvariante zu aromaarmen Bete-Nocken, so lasch angebrandet vom Meerrettichschaum, dass sich bittere, erdige und scharfe Noten lustlos ineinander verlieren. Das Limettenrisotto (17,50 Euro) ist dann derart fruchtig, dass grüner Spargel, Kräuterseitling und Filetspitzen dazu einen schweren Stand haben, vielleicht hätte der Parmesan im Reis besser funktioniert denn als gebackenes Gitterkrönchen obendrauf?

Die vegetarische Variante des Risottos, bei der einfach das Filet weggelassen wurde, kostet später genauso viel wie die mit Fleisch. Der netten Kellnerin ist das unangenehm, sie könne leider nichts tun, abgerechnet werde "in Modulen". Das passt zu den 4,20 Euro pro Liter, die hier das gefilterte Leitungswasser kostet, was in Hamburg schon Unmut auslöste. Vielleicht ist das ja das Dilemma der Fetisch-Gastronomie: Will das Lokal Tils Kumpelbude sein, ist es zu teuer; möchte es dagegen interessant werden, müsste die Küche am Drehbuch schrauben.

Als Dessert kommt hier nur Apfelstrudel (6,90 Euro) infrage, das Rezept ist vom "Strudelhorst", der laut Karte "den besten der Welt" macht und "Tils bester Freund" ist. Was das Faible für Superlative angeht, sind Schweiger und die Konzeptgastronomie geradezu seelenverwandt. Und der Strudel? Wo das Urteil vorweggenommen ist, erübrigt sich ohnehin jede Kritik.

Vom Regisseur Til Schweiger weiß man, dass er Kritikern, die seine Arbeit nicht würdigen, gern Arroganz vorwirft. Doch Vorsicht: Wo sie als Stilgurus auftreten, sitzen Prominente viel schneller in der Dünkelfalle. Vielleicht sollte man Schweiger an seine Schauspielkollegin Gwyneth Paltrow erinnern. Die Beliebtheitswerte der Amerikanerin sind dramatisch gefallen, seit sie gegen Geld über Gesundheitsküche doziert. Das Problem daran war übrigens nie die penetrante Verkaufe, sondern ausschließlich Paltrows Tenor: Seht her, so irre perfekt ist mein Leben! Nur als Geschäftsmodell ist es noch viel perfekter.

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