Ladies & Gentlemen:Aufstrich für die Ewigkeit

Deo Makeup

Duschen war gestern.

24-Stunden-Make-up und Deo, das vier Tage hält: Die Kosmetikindustrie wirbt mit immer wahnwitzigeren Langlebigkeits-Angaben. Nicht auszudenken, würde jemand wirklich daran glauben.

Von Julia Werner und Max Scharnigg

Es gibt ein Make-up, das ganze 24 Stunden im Gesicht bleiben soll. Das ist natürlich verwirrend, lehrte uns doch die Beauty-Branche bisher, dass man nur auf den Glow hoffen kann, wenn man sich an folgenden strikten Tagesablauf hält: schminken, abschminken, schminken, abschminken, und zwar mit den ebenfalls von der Beauty-Branche zur Verfügung gestellten Gesichtsreinigungsprodukten.

Was war noch mal der Glow? Das Versprechen des strahlenden Teints, denn das innere Strahlen kann man heutzutage wohl von niemandem mehr verlangen. Man kann es nur mit Produkten ins Gesicht zaubern, das beweisen unzählige Vorher-nachher-Fotos im Internet.

Diesen Klassiker des Beauty-Marketings macht sich allerdings auch das FBI zunutze: Crystal Meth ist zur Zeit eine Modedroge, und der einzige Appell, der bei der weiblichen Konsumentin zu funktionieren scheint, ist der an ihre Eitelkeit. Die gruseligen Fotoserien, auf denen Frauen zu sehen sind, die mal glatt und frisch waren und zwei Jahre später zum grauen, verpickelten Zombie mutierten, sind ein überzeugendes Argument gegen Crystal Meth - werfen allerdings bei Working Girls abends vor dem Spiegel die Frage auf, ob solche Kampagnen nicht auch gegen Büro-Anwesenheitspflicht helfen würden.

Schließlich haben klimatisierte, druckerfeinstaubatmende Büros den gleichen Grauschleier-Effekt aufs Gesicht. Oder liegt es am Kantinenessen? Es bringt also nichts, sich die Poren 24 Stunden am Stück zuzukleistern. Die Spuren der Arbeit darunter bleiben. Einzige Zielgruppe wären wohl 24-Stunden-Partygirls. Womit wir wieder bei den Drogen wären.

Julia Werner

Selbst für den Mann-Mann nur minimal nervig

Keine Frage, die Erfindung des Deodorants war ein Meilenstein. Komplizierte Dinge wie der öffentliche Nahverkehr oder der Betriebssport sind damit überhaupt erst denkbar geworden. Das Deo gehört heute wie die Zahnbürste oder die Seife zur Grundausstattung in der Nasszelle. Aber im Gegensatz zur Letzteren versteht es die Kosmetikindustrie immer noch als Trendprodukt, vor allem, wenn sie sich an Männer richtet.

Dann werden dem Deo brachiale Verführungskünste angedichtet oder wahnwitzige Akkulaufzeiten, pardon, Duftreichweiten. Männer wollen Zahlen und Daten auf der Packung, das besagt eine Werberegel, die mittlerweile archäologisch wertvoll sein dürfte. Also: 24, 48, 96 Stunden hält das neue Deodorant. Das ist verstörend.

Wer hat je danach gefragt, wie viele gottverdammte Tage ein Deo-Aufstrich hält? Globetrotter? Astronauten? Ist es eigentlich wasserfest? Eine dauerhafte Hohlraumversiegelung? Wann war man überhaupt das letzte Mal vier Tage nicht im Bad? Das 96-Stunden-Deo suggeriert den heimlichen Wunsch nach Verwahrlosung, ähnlich wie ein anderes neues Produkt namens "Pizzaburger", das sich ebenfalls an die männliche Zielgruppe richtet.

Dabei ist die Benutzung eines Deos wirklich nicht zeitraubend und selbst für einen ausgesprochenen Mann-Mann nur minimal nervig. Klar, das ließe sich als üblicher Werbeschwurbel abtun, bliebe da nicht eine kleine Sorge, die zwischenmenschliche Moderne betreffend: Was, wenn demnächst Männer wirklich an das 96-Stunden-Versprechen glauben? Und nach 50 Stunden guter Schwitzleistung und drei Pizzaburgern in den Bus steigen, in dem man sitzt?

Max Scharnigg

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