Kochtrend:Meine Küche, mein Brett, mein Glück

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Könnte ein Werk von Victor Vasarely sein, ist aber ein handgefertigtes Frühstücksbrett aus Russland. (Foto: Zernin Handcrafted)

Schöner schnippeln: Das einfache Schneidebrett hat eine erstaunliche Karriere gemacht. In der modernen Küche dient es heute als Prestigeobjekt mit Bodenhaftung.

Von Marten Rolff

Es ist etwa drei Jahre her, dass zwei Brüder aus Offenbach mit der Weiterentwicklung eines Küchenutensils im Netz für Euphorie sorgten. Auf der Internetplattform Kickstarter sammelten sie mit ihrem Prototyp binnen Kürze 3600 Unterstützer und fast eine Dreiviertelmillion Euro ein. Die Begeisterung ließ vermuten, die beiden hätten die Brotbackmaschine revolutioniert oder eine Bratpfanne mit intelligenter Beschichtung erfunden. Tatsächlich aber ging es um ein Schneidebrett. Das Besondere an dem inzwischen sehr populären "Frankfurter Brett", das auch den "German Design Award 2017" bekam: An seitlichen, ausfahrbaren Bügeln lassen sich kleine Container für Schnittgut einhängen.

Geht es um die Kücheninnovation des Jahres oder nur um ein teures Stück Holz? Diese Frage beschäftigte viele, soll hier aber nicht beantwortet werden. Unstrittig dagegen: Das früher unscheinbare Schneidebrett hat in den vergangenen Jahren eine erstaunliche Karriere gemacht. Eine zweckmäßige Arbeitsunterlage also, die in der Küche überhaupt erst im Laufe des 20. Jahrhunderts ein größeres Thema wurde, weil man Gemüse und Kartoffeln lange von Hand direkt in den Topf geschnippelt hatte. Und diese Unterlage soll nun Designobjekt, Statussymbol und, wenn man es so nennen will, Hightech-Gerät sein?

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Als Beleg dafür hätte schon der Besuch eines Holzstandes auf einem beliebigen Weihnachtsmarkt gereicht. Birne, Bergahorn, Bambus, Eibe, Hainbuche, Walnuss, Wenge, Zebrano - in Sachen Holzvielfalt übertrifft die Brotbrettauslage jeden Waldlehrpfad. Auf Designmessen überbieten sich Luxustischler bei der Umdeutung des Bretts von der Schneideunterlage zum Prestigeobjekt. Ob Edelholzintarsien, Mosaike, 3-D-Optik, Messingbeschläge, Natursteineinschlüsse oder Lederhenkel, ob geschnitztes oder gebranntes Monogramm - die Wege zum Unikat sind grenzenlos.

Damit stoßen gehobene Anbieter wie Elbholz oder Foodwood schon mit Frühstücksbrettern in Preissegmente vor, die früher handbemalten Porzellantellern vorbehalten waren. Hinzu kommen Kosten für Pflegeöle, deren Einsatz nicht mehr auf die Oberflächen von Mahagonisekretären beschränkt ist. Schließlich soll auch Kochequipment heute möglichst vorteilhaft altern.

Jahrhundertealte Mooreiche oder Apfelbaum aus der Normandie? Gibt es alles

Natürlich ist es kein Zufall, dass im Zeitalter der Hightechküche ausgerechnet das schlichte Holzbrett so beliebt ist. Wuchs, Region, Maserung, Jahresringe, haptische Eigenschaften - kaum ein Material kommt dem ungebrochen starken Wunsch nach Individualität mehr entgegen als Holz. Und kein anderes Material lässt zwischen Induktionsherd, Dampfgarer und intelligentem Kühlschrank eine bessere emotionale Rückkoppelung zur Natur zu. Italienliebe zelebriert man am liebsten auf Olive, während heimatverbundene Hobbyköche sich auf heimischen Obsthölzern wie Zwetschge oder Kirsche ausleben. Und wie ließe sich Beständigkeit besser ausdrücken als mit dem über Jahrhunderte in feuchter Erde ausgehärteten Holz der Mooreiche?

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Glaubt man zum Beispiel Matthias Attelmann, suchen Kunden heute mehr denn je nach Wertigkeit und Qualität, Nachhaltigkeit und Sinn. Nach Stücken, die man theoretisch auch vererben könne. Der frühere Möbelschreiner aus dem nordrhein-westfälischen Hattingen hat sich vor zehn Jahren (und nach Recherche bei mehreren Köchen) ausschließlich auf Schneidebretter spezialisiert. Heute definiert seine "Unicate-Manufaktur" das obere Ende dessen, was man für einen viertel Quadratmeter Holz in der Küche anlegen kann. Knapp 430 Euro kostet ein großes Schneidebrett, für die Einarbeitung des Kunden- oder Firmennamens per Brandstempel fallen noch einmal 150 Euro an.

Wer solche Beträge ausgibt, interessiert sich meist nicht nur für ein Einzelstück, sondern auch für optimale Schneidewinkel, die ideale Unterbodenbelüftung, die Hitzebeständigkeit von Silikonfüßen (bis 320 Grad) oder das korrekte Material für Gratleisten (Schwarznuss). Das Geschäft läuft gut, als nächstes sind limitierte Jahreskollektionen geplant. Mit feinporigen Holzarten, die einen kulinarischen Bezug haben. Starten will Attelmann mit Apfelbaum aus der Normandie.

Bei der Wahl eines Schneidebretts geht es also nicht nur ums Design, sondern immer mehr auch um Form und Funktion. Der wichtigste Grundsatz lautet auch hier: Holz ist nicht gleich Holz. Wem die Hygiene wichtig ist, wird auf die antibakteriellen Eigenschaften von Kiefer vertrauen. Eiche mag Symbolkraft und optische Vorteile haben, als Schneideunterlage ist sie wegen ihrer Großporigkeit und des hohen Gerbsäureanteils eher ungeeignet. Profis setzen meist auf besonders feinporige Rotkernbuche. Und Teak oder Olive gelten als besonders robust, enthalten allerdings Silizium, was die Messer stumpf macht; nicht unwichtig in einer Zeit, in der man für japanische Küchenmesser so viel ausgeben kann wie für einen Kleinwagen.

Worauf man schneidet, ist vor allem eine Glaubensfrage. Einig sind sich die Liebhaber gehobener Schneidebretter allerdings darüber, dass es um sehr viel mehr geht als um eine Arbeitsunterlage. Die Erfinder des "Frankfurter Bretts" drücken es auf ihrer Internetseite so aus: "Mit einem einfachen Stück Holz hat das Frankfurter Brett ungefähr so viel gemein wie ein Fahrrad mit einem Porsche."

© SZ vom 23.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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