Kochbuchautorin Rachel Khoo:Entzückend erfolgreich

Kochbuchautorin Rachel Khoo: Mit Erdbeermund ist auch gut Kirschen essen: Rachel Khoo - in Großbritannien so etwas wie der weibliche Jamie Oliver - lebt den kulinarischen Mix einer globalisierten Gesellschaft.

Mit Erdbeermund ist auch gut Kirschen essen: Rachel Khoo - in Großbritannien so etwas wie der weibliche Jamie Oliver - lebt den kulinarischen Mix einer globalisierten Gesellschaft.

(Foto: David Loftus/Dorling Kindersley Verlag)

Sie spricht bayerisch, kocht französisch und ist in Großbritannien so etwas wie der weibliche Jamie Oliver. Rachel Khoo gehört zu den wenigen, die es geschafft haben - in einem Markt, der sich beschleunigt hat wie ein Hochleistungsmixer.

Von Anna Günther, London

Rachel Khoo kommt mit dem Fahrrad zum Interview, weit hat sie es ja nicht. Der Helm liegt im Lenkerkörbchen. Sie trägt das Haar geflochten, ein rosa-gelb-geblümtes Kleid mit Fünfzigerjahre-Tellerrock, hohe Schuhe, und natürlich: kräftigen Lippenstift - ihr Markenzeichen. Mit diesem Outfit fügt sie sich perfekt ins Ambiente der Columbia Road. Hier sieht East London noch so aus, wie Filmproduzenten und Fernsehleute sich das wünschen. Eine Straße, in der alle leben wollen, wo aber die Miete leider unbezahlbar ist. Die Schauspielerin Keira Knightley soll in der Nähe wohnen. Sean Penn hat kürzlich hier gedreht. Rachel Khoo auch.

Soeben hat die 33-Jährige, die wirkt wie 25, ihr fünftes Kochbuch fertiggestellt, die vierte Kochserie mit der BBC ist im Kasten, darüber hinaus bloggt sie natürlich und schreibt Kolumnen. Ihre Shows laufen in den USA, in Asien, in Schweden und im deutschen Fernsehen. Damit gehört Rachel Khoo zu den wenigen, die es wirklich geschafft haben auf einem Markt, der sich in den vergangenen 20 Jahren beschleunigt hat wie ein Hochleistungsmixer.

In den Buchläden lächeln Dutzende, auf sympathisch getrimmte Köche von den Covern. Doch nur kochen zu können und dabei jung, attraktiv, witzig und eloquent zu sein reicht nicht mehr. Als der Brite Jamie Oliver vor knapp zwei Jahrzehnten seinen Durchbruch vor der Kamera hatte, kochten im Fernsehen fast nur alte Männer in weißen Jacken. Seit Oliver wird die Personalisierung jedes Jahr ein bisschen weitergedreht, werden die Bücher immer ein bisschen bunter. Sie zeigen Szenen von fröhlichen Runden an großen Holztischen, aus Gärten und Gemüseläden. Der Koch muss Geschichten erzählen. Die lexikalischen Wälzer stehen in der Spezialistenecke.

Bloggs, Twitter, Instagram - sie bespielt alle Kanäle

Mittlerweile will der Konsument mehr, will teilhaben am Leben seiner Stars, auch wenn die nur fürs Fernsehen hinterm Herd stehen. Und Rachel Khoo gibt ihren Fans mehr. Sie bespielt alle Kanäle, bloggt über ihren Aquarell-Kurs, twittert Tellerbilder und postet bei Instagram Fotos vom Wochenendtrip nach Rom.

Sie lässt ihre Fans am Alltag teilhaben, editiert natürlich. Das Private bleibt trotzdem privat, aber die Nähe wirkt: 49 000 Menschen folgen ihr bei Twitter, 37 000 bei Instagram. Sie gibt das lustige Mädchen von nebenan, beantwortet fast alle Kommentare auf ihrer Homepage. Ein bisschen kokett, ein bisschen retro, das ist ihre Nische. Ihre Fans sollen sich darin wiedererkennen. Sie selbst sagt: "Das ist keine Inszenierung. Ich bin wie ich bin." So ganz glaubt man das nicht, aber sie wirkt tatsächlich wie in ihrer Sendung, entwaffnend nett und lustig.

Im Restaurant in der Columbia Road deutet Rachel Khoo nun in eine Ecke: "Da drüben saß Keira Knightley beim letzten Mal mit ihrem Mann und hat Wein getrunken." In ihrem kleinen Kochkosmos mag Rachel Khoo groß sein, in diesem Moment ist sie vor allem Fan. Das "Brawn's" hat sie ausgesucht, weil es Brücken schlagen will zwischen der französischen und der britischen Küche. Der Kellner spricht Englisch mit französischem Akzent. Auf der Karte stehen panierte Froschschenkel, Cheddar-Soufflé und Steak tartare. Die Froschschenkel isst Rachel Khoo mit den Fingern und lässt probieren - nachdem sie den Teller für ihre Follower fotografiert hat.

Die Mutter kochte in der Woche asiatisch und Sonntags Rostbraten

Von allem etwas und das für alle - das spiegelt auch Khoos eigenes Leben, da ist für jeden Fan ein Stück Projektionsfläche dabei: Ihre Mutter ist Österreicherin, der Vater aus Malaysia. Geboren und aufgewachsen ist Khoo in London, mit zwölf zog sie ins niederbayerische Landshut um. Das kommt auch auf dem deutschen Markt an, ein Projekt in Malaysia ist ebenfalls in Planung.

Während andere Köche Bücher über die Küche eines Landes schreiben, das gerade chic ist, lebt Khoo den kulinarischen Mix einer globalisierten Gesellschaft. Die Mutter kochte in der Woche asiatisch, sonntags gab es englischen Rostbraten, und mit ihrer Oma in Vorarlberg backt Rachel Khoo bis heute Kaiserschmarrn. Erzählt sie von ihrer Kindheit und der österreichischen Familie, hat ihre Sprache eine dezente bayerische Färbung. Französisches Essen brachte ihr Erfolg, sie könnte aber genauso in Barcelona oder Boston kochen. Die BBC hat Khoos Show nun mit Schwerpunkt London produziert, auch eine kulinarische Reise durch Europa gefilmt. Für "Rachel Khoo's Kitchen Notebook" zog sie 2013 nach acht Jahren Paris wieder an die Themse.

Paris zieht immer

Bekannt wurde Khoo mit dem Buch "Paris in meiner Küche". Ihr Ansatz: mit Hausmannskost am Nimbus der Haute Cuisine rütteln, den Fans die Scheu nehmen. Richtig neu mag das nicht sein, aber für die Umsetzung reichten ihr zwei Herdplatten samt Miniofen in ihrem Pariser Einzimmer-Appartement. Sie holt Zuschauer und Leser in ihr Zuhause, ärgert sich beim Kochen über Winzküche und Abwasch. Maximale Nähe eben.

Für sie sei französisches Essen viel mehr als der Michelin, sagt Khoo, sie möge "eher das, was man zu Hause isst", wer brauche da eine perfekt ausgestattete Küche? Genau, denkt die geneigte Leserin. Die kleinen Mädchen, die Khoo in den ersten Jahren in Paris als Au-pair betreute, zeigten ihr, wie einfach französische Küche sein kann. Wichtig seien vor allem " gute Zutaten, schon Kinder wissen in Frankreich, wo es den besten Schinken, das beste Brot gibt." Schinken-Käse-Toast mit Ei in der Tasse gebacken? Kann jeder. Bei Khoo ist das eine Version des Croque Madame. Coq au Vin packt sie auf Schaschlikspieße. Foie gras formt sie zu Trüffelbällchen und wälzt diese in Kakao. Sieht hübsch aus und klingt besser als Stopfleber.

Anspruchsvoll sind nur wenige Gerichte, das ist das Konzept, mit dem die Khoo-Company floriert. Und Paris zieht immer. Sie läuft durch charmante Viertel, quatscht mit der Frau aus dem Käseladen, lässt sich vom Bäcker das Geheimnis des perfekten Baguette erklären und serviert den Schlachtern des Großmarkts frühmorgens ihre japanische Version von Steak tartare. Nie wirkt sie in ihrer Sendung so nervös wie in diesem Moment. Klar springen die Männer auf Khoos Charme an. Und es scheint ihnen sogar zu schmecken. Zudem testete Rachel Khoo die Gerichte für ihr erstes Buch nicht irgendwo, sondern: im "kleinsten Restaurant von Paris". Nur zwei Gäste bekochte sie jeweils in ihrer 21-Quadratmeter-Wohnung in Belleville. Das sprach sich rum, sie war Wochen im Voraus ausgebucht.

Kochen in Paris, mit Rachel Khoo hatte das einen Hauch von Audrey Tautou - nur eben in einer winzigen, zugigen, ja schimmeligen Wohnung, wie sie für Tausende Pariser Alltag ist. Enge und Nähe wurden ihr bald zu viel, fürs Nachfolgerbuch "Meine französische Küche" reiste sie durchs Land, kochte mit Fischern und Feldarbeitern.

Ihr Traum: Ein eigenes Kochbuch

Nach Paris war sie über die Liebe zum Backen gekommen. Mit 25 gab sie den PR-Job in London auf und zog nach Frankreich - trotz der Zweifel ihrer Eltern. "Ich dachte, wann, wenn nicht jetzt, wenn es nicht klappt, gehe ich eben wieder zurück." Der Umzug nach Landshut mit zwölf Jahren hat sie geprägt, die Klosterschule dort auch. Eine große Umstellung. Fremde Länder und Sprachen schrecken sie seitdem nicht. An der Kochschule "Le Cordon Bleu" ließ sie sich zur Patissière ausbilden, nebenbei arbeitete sie als Au-pair und jobbte: in Kaufhäusern, als Englischlehrerin oder als Bäckerin beim Weihnachtsmarkt von VW in Wolfsburg. Sie konzipierte Events, half im Kochbuchladen aus, machte Häppchen für Buch-Präsentationen. Beim Testen von Rezepten für andere Autoren entdeckte sie ihren Traum. Ein eigenes Kochbuch.

Ihre ersten Bücher waren dann Auftragsarbeiten über Müsliriegel und Brotaufstriche - auf Französisch. Bei "Paris in meiner Küche" konnte sie da schon leichter mit der Bevormundung durch Manager und Verleger umgehen. "Das war so ein Boysclub, nur weil ich kein eigenes Restaurant hatte, haben die mich nicht ernst genommen", sagt Khoo. Das Dauerlachen verschwindet für einen Moment. Sie wirkt mädchenhaft, aber in Geschäftsdingen ist sie hart. "Ich habe nicht nur ein hübsches Gesicht, ich habe Kunst studiert, ich habe Ideen. Entweder die Bücher und Fernsehsendungen laufen so, wie ich mir das vorstelle oder gar nicht." Ein bisschen trotzig klingt das jetzt. Wenn das Kochen mal nicht mehr funktioniere, dann mache sie eben etwas anderes.

Sie lässt sich nicht festlegen. Und sie hat längst verstanden: Das ist eine Art von Festlegung, die auf dem harten Markt gerade ganz hervorragend funktioniert.

Rachel Khoo: Paris in meiner Küche. 120 fabelhafte Rezepte für jeden Tag & Meine französische Küche. Mehr als 100 Rezepte aus Frankreichs Genießerregionen. Dorling Kindersley, 2012 & 2014, 24,95 Euro. Rachel Khoo auf Sendung: London in meiner Küche. Samstags von 12.20 Uhr an auf Sixx.

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