Julian Zigerli auf der Fashion Week Berlin:Schöne bunte Arbeitswelt

Julian Zigerli Show - Mercedes-Benz Fashion Week Spring/Summer 2015

Julian Zigerli überrascht gern. Die Kehrseite dieses magentafarbenen Ensembles mit aufwändigen 3-D-Prints ist - schwarz.

(Foto: Getty Images for IMG)

Das passende Badehöschen zur Laptoptasche, das Businesshemd tief geschlitzt: Der Schweizer Julian Zigerli macht übergeschnappte Mode für eine übergeschnappte Arbeitswelt. Und hat damit vielleicht das Zeug zu einer Sensation.

Von Lena Jakat, Berlin

Noch 15 Minuten bis zur Show. Die Klamotten und Accessoires für die einzelnen Looks hängen einsam an Kleiderstangen. Ein Hemd, magentafarben und bedruckt mit quadratischen 3-D-Grafiken, baumelt über dem passenden kastenförmigen Rucksack. Unter dem Titel "Look 14" verrät ein Blatt Papier, dass Model Philip das Hemd hier gleich tragen soll und wie genau er darin auszusehen hat. Alles organisiert, alles ordentlich. Nur ein Paar Socken liegt zerknüllt neben den Sneakers eines Models. Von Aufregung ist nichts zu spüren. Der Designer lächelt, grüßt professionell-entspannt. Er liegt voll im Zeitplan.

Julian Zigerli hat sich, wie er selbst sagt, fünf Jahre Zeit gegeben, um sich Gehör zu verschaffen in der Modewelt. 2010 hat er seinen Abschluss gemacht, sein Label gegründet. Im Januar durfte er auf Einladung des großen Giorgio Armani persönlich seine Entwürfe auf der Mailänder Männermodewoche zeigen. Im Juni war er zurück in der italienischen Modehauptstadt, beschloss dort den Schauenkalender. Nur gut zwei Wochen später eröffnete Zigerli an diesem Montag die Fashion Week in Berlin. Alles scheint nach Plan zu laufen für den 29-jährigen Schweizer. "Es fühlt sich schon ganz gut an, dort schließen und hier eröffnen zu können", sagt er.

Julian Zigerli Show - Mercedes-Benz Fashion Week Spring/Summer 2015

Wendet sich der Träger dieses Entwurfs ab, sieht der Betrachter - weiß.

(Foto: Getty Images for IMG)

Strenge 3D-Prints leuchten auf Business-Hemden, ein Outfit strahlt vorne blau und überrascht hinten durch seine weiße Fläche. Schlitze verleihen Einblicke, wo sonst Kugelschreiber in Brusttaschen stecken. Bonbonfarbenes Strandgut tummelt sich auf dem klassischen Businessmantel. Zigerlis Mode greift Motive aus der Arbeitswelt auf und spielt mit ihnen, ohne dabei verspielt zu wirken. "Da ist einerseits der Geschäftsmann, der gerade 42 Stunden durchgearbeitet hat. Und andererseits ist da der entspannte Dude aus L.A.", erklärt Zigerli. "Das ist natürlich alles nicht ganz ernst gemeint" kommentiert der Schweizer etwa die passende Laptophülle zum Badehöschen. "Und kippt immer wieder um ins Verrückte."

Mit seinen Anspielungen auf die hysterische, leicht übergeschnappte Geschäftswelt befindet sich Zigerli auf die Minute pünktlich im unsichtbaren Kalender von Zeitgeist und Geschmack. Seit seinen Auftritten in Mailand gilt sein Name als einer der vielversprechendsten in der Männermode. In Berlin hat er womöglich sogar das Zeug zu einer modischen Sensation. Hier dominieren altbekannte Namen und ihre vertrauten Stilrichtungen das Programm, die ganz Großen sind ebenso abgewandert wie der eine oder andere hoffnungsvoll beachtete Nachwuchsdesigner. Ob zumindest er, Zigerli, dauerhaft hierbleiben wolle, in der Stadt, in der er studiert hat? "Das ist schwierig abzuschätzen", antwortet der diplomatisch. Und es sei immer auch eine Kostenfrage. "Aber der Wille ist da, und die Kraft auch."

Julian Zigerli Show - Mercedes-Benz Fashion Week Spring/Summer 2015

Passende Laptophülle zur Badehose - Zigerli macht's möglich.

(Foto: Getty Images for IMG)

Während der Schau des Männermodemachers bleiben die hinteren Reihen zwischen den Betonwänden des Eisstadions leer. Doch die Anwesenden applaudieren begeistert, als die Models in Zigerli-Knallfarben oder tennis-inspiriertem Feinstrick vorbeiflanieren. Die Laufstege der Modewelt waren jahrzehntelang Frauensache. In London, Paris und Mailand haben sich erst in den vergangenen Jahren eigene Veranstaltungswochen für Männermode etabliert. Sind die Herren bislang zu kurz gekommen? "Männermode war immer viel klassischer", sagt der Schweizer. Etwas revolutionäres - "groundbreaking", sagt Zigerli - habe es nie gegeben. Männer seien anspruchsvoller, glaubt er. "Frauen kaufen sich auch mal was Hübsches, um es einmal anzuziehen. Männer wollen mehr Funktion - einen Pulli, in dem sie abends weggehen und morgens ins Büro gehen können." So praktisch wie eine Jacke mit mehrfach geschlitzten Ärmeln eben sein kann.

Nach der Schau huscht eine Fotografin mit Vintage-Kleid und rundem Hut zwischen halbnackten Models umher. Die Männer schlüpfen zurück in ihre eigenen Klamotten, bücken sich nach Schnürsenkeln. Helferinnen mit Kleiderbügeln heben Hemden und Hosen auf, die achtlos auf dem Boden gelandet sind, versuchen, die Ordnung wiederherzustellen. Dazwischen lacht Zigerli gelöst in die nächste Kamera. Ob das, was er da eben gezeigt hat, das Zeug dazu hat, sensationell zu sein, "groundbreaking"? Noch ein gutes Jahr hat Zigerli Zeit, das herauszufinden.

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