Die weiße Männer-Feinrippunterhose ist der hässliche kleine Bruder der Jogginghose. Im Gegensatz zu seinem schlabbrigen Verwandten ist sie nirgends als Ausgeh-Uniform akzeptiert oder erwünscht. Und doch haben es zwei weiße Unterhosen am vergangenen Wochenende vor ein Millionen- bzw. Milliardenpublikum geschafft.
Zum einen präsentierte sich Moderator Neil Patrick Harris während der Oscar-Verleihung mehr als zwei Milliarden Fernsehzuschauern weltweit sowie der gesamten A-Prominenz Hollywoods im weißen Slip. Zum anderen überreichte Modemacher Jean Paul Gaultier in Paris den "César", den französischen Oscar, für die besten Kostüme in dem Film "Saint Laurent" von Bertrand Bonello. Ebenfalls in einem weißen Schlüpfer.
Wieso das alles? Im Fall von Oscar-Host Harris ist es schnell erklärt. Er stand plötzlich mit nichts als weißen Grobripp-Unterhosen der Marke Karlheinz auf der Bühne, quasi als Persiflage auf den Oscar-Abräumer "Birdman". Dort gibt es eine Schlüsselszene in der Michael Keaton nur mit Unterhose bekleidet über den Broadway läuft - und dadurch für eine kurze Zeit zur Twitter-Berühmtheit avanciert. Ob Harris es als Reaktion auf das irre erfolgreiche Oscar-Selfie von Vorjahresmoderatorin Ellen DeGeneres tat? Er hatte zumindest vorab angekündigt, das Foto, das auf Twitter Rekorde brach, übertrumpfen zu wollen.
Mit diesem Selfie hatte Ellen DeGeneres es im vergangenen Jahr vorgemacht. Den Erfolg wollte Neil Patrick Harris übertrumpfen.
(Foto: Reuters)Der Designer schweigt
Im Falle von Gaultier lässt sich der Auftritt nicht restlos aufklären. Der französische Designer trug neben der weißen Unterhose, eine schwarzen Fliege, ein weißes Hemd, einer Smokingjacke, sowie Strumpfhalter samt Strümpfen und Schuhen - aber keine Smokinghose. Er wurde auf die Bühne von der Schauspielerin Marilou Berry begleitet, die ebenfalls keine Hose trug. Warum das Ganze? Dazu schweigt Gaultier.
Jean Paul Gaultier bei der Verleihung des César.
(Foto: Ian Langsdon/dpa)Sieht man sich die Karriere des umtriebigen Franzosen an, verwundert der Auftritt dann aber doch nicht weiter. Gaultier gilt als "Enfant terrible" der französischen Modeszene und gehört zu den wichtigsten Designern der Gegenwart. In den Achtzigerjahren machte er Unterwäsche zum ersten Mal ausgehfein. In seiner Kollektion damals sah man extravagante Büstenhalter und Korsetts, die zu Röcken und Marinehosen kombiniert wurden.
1990 wurde Gaultier dann über Nacht auf der ganzen Welt bekannt - durch einen BH. Die Rede ist von Madonnas berühmtem Kegel-BH, den die Sängerin auf ihrer "Blonde-Ambition"-Tour trug. "Wir hatten die Idee, einen Anzug und ein Korsett zu kombinieren. Aber das Korsett ist jetzt eher wie ein Käfig geworden", sagte Gaultier dem Branchenmagazin Women's Wear Daily. 2012 ist der "Cone-Bra" übrigens für 52 000 Dollar in London versteigert worden.
Ob soviel Geld irgendwann auch für Gaultiers oder Harris' Unterhose gezahlt werden wird, ist aber fraglich. Genauso wie der Siegeszug der weißen Unterhose. "Unten ohne" als Trend für Auftritte auf großer Bühne dürfte sich nach diesem Wochenende erstmal wieder erledigt haben. Hoffentlich.
