50 Jahre:Wie Vans zu Sneaker-Klassikern wurden

50 Jahre: Das erste Paar Vans wurde 1966 in Kalifornien von einem gewissen Paul Van Doren als Bootsschuh verkauft.

Das erste Paar Vans wurde 1966 in Kalifornien von einem gewissen Paul Van Doren als Bootsschuh verkauft.

Ein zugedröhnter Sean Penn machte die Schuhe über Nacht berühmt. Mittlerweile haben sie es vom Skateboard bis auf die Laufstege geschafft: ein Rückblick auf 50 Jahre Vans.

Von Jan Stremmel

Der erste Markenbotschafter war so zugedröhnt, dass er rückwärts aus dem Bus auf den Schulparkplatz fiel. Er watschelte in seinen lustigen Schachbrettschuhen jeden Tag zu spät in den Unterricht, bestellte Pizza ins Klassenzimmer - und hatte sich offenkundig komplett debil gekifft. Man könnte sich aus heutiger Sicht kaum einen indiskutableren Werbeträger für eine Modemarke vorstellen als Jeff Spicoli, die Hauptfigur der Komödie "Ich glaub', ich steh' im Wald" von 1982. Wer Spicoli jedenfalls mit all den ultrabraven Instagram-Influencern vergleicht, mit denen Marken heute werben, mag kaum glauben, dass der Film den Schuhen weltweit zum Durchbruch verhalf.

Andererseits steckt in diesem ersten großen Auftritt wohl schon die halbe Erklärung dafür, dass noch heute, 35 Jahre später, Millionen junger Leute weltweit mit exakt den Schachbrettschuhen herumlaufen, die Spicoli (gespielt vom jungen Sean Penn) damals im Film trug. Die Präsentation als ultimative Kifferlatschen war das Gegenteil von normaler Turnschuhwerbung und verführerisch unprätentiös.

Der Film ist eine der vielen kuriosen Geschichten, die in den vergangenen Monaten wieder im Netz hochkamen, was damit zusammenhing, dass die Marke Vans ihren 50. Geburtstag feierte. In einem der lustig animierten Jubiläums-Clips auf Youtube erzählt ein Sprecher aus dem Off die Erfolgsgeschichte. Irgendwann sagt er: "Dann kam Hollywood. Und der Film, von dem unsere Anwälte sagen, dass wir ihn hier nicht erwähnen dürfen." Dazu im Bild: ein gezeichneter Kifferbus, eine Pizzaschachtel, im Hintergrund bimmelt eine Schulglocke. "What ever. Ihr wisst, welchen Film wir meinen." PR-technisch mal wieder eher unorthodox. Man bleibt sich treu.

Skateboarder lieben die waffelähnliche Gummisohle

Das erste Paar Vans wurde 1966 in Kalifornien von einem gewissen Paul Van Doren als Bootsschuh verkauft. Skateboarder liebten die waffelähnliche Gummisohle aber aufgrund ihrer Rutschfestigkeit noch mehr als die Bootsbesitzer, und so wurde der Schuh zur Standardausrüstung der neuen Subkultur. Inzwischen haben die Schuhe natürlich längst den Ruf der Slacker-Treter abgelegt. Der Firmensprech bringt diese Tatsache auf die griffige Formel: "from sidewalk to catwalk" - vom Bürgersteig auf den Laufsteg. Das Modell "Old Skool" etwa war im vergangenen Jahr einer der am häufigsten getragenen Sneaker bei den Modeschauen überhaupt. Das Supermodel Gigi Hadid oder der extrem stilbewusste Sänger Frank Ocean sind damit mehrfach aufgetreten. Der in Fachkreisen zuletzt höchst gehypte Designer Gosha Rubchinskiy entwarf sogar eine eigene Vans-Edition - und reihte sich damit in eine namhafte Liste ein: Marc Jacobs, Kenzo sowie Marni, Supreme oder Opening Ceremony haben bereits mit Vans kollaboriert.

Dass man Sneaker von Adidas bis Reebok auch zu Designeranzügen und -kleidern trägt, ist nichts Neues. Deren Ursprünge liegen allerdings nicht in einer traditionell anarchischen Subkultur, sondern im schon immer salonfähigen Tennis oder Basketball. Und trotzdem bleiben auch die ursprünglichen Vans-Kunden, Skater und Surfer, dem Waffelschuh weiter treu. Von den üblichen öffentlichen Sellout-Vorwürfen angesichts der Beliebtheit vor Mailänder Laufstegen ist keine Spur. Warum eigentlich nicht?

Die Marke wurde zu einem Stück Jugendkultur

Ein Anruf beim Europa-Chef von Vans: Jan Van Leeuwen. Er spricht vor allem darüber, dass man sehr viel nicht getan habe: Man habe zum Beispiel nicht versucht, sich in der Modewelt zu etablieren. Oder Gigi Hadid oder Kendrick Lamar dafür bezahlt, dass sie Vans tragen. Vielmehr sei es oberstes Firmengebot, zuzuhören - und zwar denen, die wichtig für die Marke sind: den Skatern. Die hatten ursprünglich auch das heute weltberühmte Schachbrettmuster mit Filzstiften auf die weißen Schuhe gemalt, woraufhin das Unternehmen es ins Design übernahm. Diese wichtige Kernzielgruppe heißt in der Vans-Marketingsprache: "the expressive Creator", der "expressive Schöpfer". In der Skate-Kultur verwurzelt, musikalisch, an Kunst interessiert. "Alles, was wir machen, soll diesen Typ ansprechen", sagt Van Leeuwen. Denn er entfalte einen "Abstrahleffekt auf den Mainstream".

Klingt etwas PR-käsig, ist aber wohl seit den Anfängen ein bewährtes Prinzip: Von den Skatern in Kalifornien strahlte die Marke auf die Punkrock-Bands der Siebziger, von dort auf andere Künstler, und so war es irgendwann kein Widerspruch, dass 2013 sowohl die japanische Modemarke Kenzo eine eigene Vans-Kollektion entwarf als auch die Band Metallica. Wer da auf wen abstrahlte, war allerdings kaum noch zu erkennen. Die Marke ist über die Jahrzehnte schlichtweg zu einer Art Leinwand geworden - ein Stück Jugendkultur, das abgesehen von einem kleinen, imageträchtigen Kern jeder interpretieren kann, wie er möchte.

Clownschuhe und Boxstiefel - Aus Fehlern gelernt

Die Pflege der ursprünglichen Zielgruppe wird trotzdem mit einigem Aufwand betrieben: Die Firma betreibt Skateparks auf der ganzen Welt, zum Jubiläum tourte Steve Van Doren, der 61-jährige Sohn des Gründers, mit dem Wu-Tang Clan einmal um die Welt und grillte im Hawaii-Hemd Würstchen für Surfer. Und abseits der Designer-Gastspiele entwickelt man weiter funktionale Skateschuhe, die auf einem eigenen Vertriebsweg in andere Läden kommen als etwa die normalen Teenager-Klamotten oder exklusiven Schuhkollektionen. Die silber glänzende Version "Disco Python" für junge Mädchen oder den streng limitierten rosa Gosha-Rubchinskiy-Schuh bekommt man als "expressiver Schöpfer" im Skateladen im Normalfall gar nicht zu sehen - diese Sachen landen direkt in der Shopping Mall beziehungsweise in der Modeboutique. Was für Modelabels kein ungewöhnlicher Vorgang ist, kann man für eine so demonstrativ anarchische Firma wie Vans nun freilich auch ein bisschen perfide finden: Die Firma trennt die kritische Kernzielgruppe geschickt von den Empfängern ihres Abstrahleffekts.

Man hat allerdings auch aus Fehlern gelernt. Ende der Achtzigerjahre wollte das Familienunternehmen neue Märkte erobern, auf einmal produzierte Vans Tanzschuhe, Boxstiefel und sogar Clownschuhe. "Wir haben eben immer auf unsere Kunden gehört", erklärt es der Europa-Chef. "Damals hatten sich offenbar ein paar Leute Boxstiefel gewünscht." Es folgte die Insolvenz. "Heute achten wir da mehr auf unsere DNA." Die Marke hat fünf Modelle zu "Ikonen" ernannt, es sind Schuhe wie der "Sk 8 Hi", die es seit den Siebzigern gibt und an denen nun nichts mehr verändert wird außer Stoff und Farbe.

Es sind Klassiker, wie der "Chuck" von Converse oder der "Stan Smith" von Adidas. Allerdings hat sich der eigentliche Verwendungszweck bei den ehemaligen Schuhen des kiffenden Skaters Jeff Spicoli doch besser gehalten als bei der Konkurrenz: Die ehemaligen Basketball- oder Tennisschuhe von Converse und Adidas trägt schließlich niemand mehr zum Sport. Dagegen bewies kürzlich ein Klatschmagazin die Zeitlosigkeit von Vans mit ein paar Paparazzi-Fotos. Sie zeigten einen 23-jährigen Skateboarder, er rollte in Vans-Schuhen gekonnt lässig über einen Bürgersteig. Ein "expressiver Schöpfer", wie die Firma ihn sich nur wünschen kann. Es handelte sich um Hopper Penn, den Sohn von Sean Penn.

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