70 Jahre Tom Selleck:Ein Bart und sein Mann

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Ein Mann und sein Bart: Tom Selleck als Magnum (Bild aus dem Jahr 1980)

(Foto: imago/AGD)

Hipster tragen den Moustache als Lifestyle-Symbol vor sich her. Das Original jedoch ist kein Trend. Sondern eine Ansage. Es wächst seit den Achtzigern da, wo es hingehört: in Tom Sellecks Gesicht, zwischen Mund und Nase.

Von Violetta Simon

"Der Schnurrbart ist zurück", liest man seit ein paar Jahren sehr oft. Eine schöne Vorstellung: eine Karawane von Schnauzbärten, die nach langer Reise wiederkehren in die vertraute Umgebung. Sich niederlassen über ein paar vollen, fein geschwungenen oder schmalen Lippen. Deren Besitzer erfreut sagen: "Ach, bist du auch wieder da?"

Leider ist diese Beobachtung so nicht korrekt. Erstens handelt es sich bei den vermeintlichen Rückkehrern in Wahrheit um eine Neuanschaffung namens "Moustache". Zweitens kehren die Schnauzer nicht zu ihren ursprünglichen Besitzern zurück - sonnengegerbte Herren mit wuchernder Brustbehaarung, die mit einer goldenen Panzerkette um den besten Platz zwischen den offenstehenden Hemdknöpfen ringt. Die Oberlippenbärte sind ein Attribut der Generation des "Neuen Mannes", die ihn als temporäres Lifestyle-Symbol vor sich herträgt.

Eine bedauerliche Verunglimpfung also, jedenfalls in Hinsicht auf den Schnauzbart von Tom Selleck. Dieser nämlich war gar nicht erst verschwunden. Er war, seit seinem ersten Auftritt in der US-Serie "Magnum", stets da wo er hingehört: In Sellecks Gesicht, zwischen Mund und Nase. Diesen Schnauzbart trägt der Schauspieler, der an diesem Donnerstag seinen 70. Geburtstag feiert, seit 1980 quasi ohne Unterlass. Schön füllig und ein bisschen gewölbt, ein Paradebeispiel des Schnäuzers - das Original, nicht die Kopie.

Vollbärte, Ziegenbärte, keine Bärte

Jude Law, Jonathan Rhys Meyers und Robert Downey Jr. werden in den kommenden Jahren noch viele Bart-Variationen im dunstigen Abbild ihres Badezimmerspiegels kommen und gehen sehen. Sie werden Vollbärte, Ziegenbärte, keine Bärte oder gar Koteletten tragen. Der Schnauzbart von Tom Selleck bleibt, wo und wie er ist.

Selleck hat etwas Wichtiges verstanden: Es kommt darauf an, dass ein Mann den richtigen Bart trägt. Den einen, der zu ihm passt. Von allen möglichen Bartformen offenbart der Schnauzer am deutlichsten den wahren Kern des Mannes.

Manchmal gelingt das so gut, dass das Gesicht für die Identifikation entbehrlich wird. Dass der Bart, auf ein Logo reduziert, genügt, um eine Person darzustellen - auch jene, an die man lieber nicht erinnert werden will. Charlie Chaplin benutzte den kleinen quadratischen Oberlippenbart auch für seine Rolle als Diktator, und doch konnte das Bartstück ihm nichts von seiner Menschlichkeit nehmen. Weil das Insignium des Tyrannen nicht für ihn gedacht war.

Die Frage nach dem Bart ist also mehr als eine des Geschmacks oder der Mode. Der österreichischen Sängerin Conchita Wurst diente die unverwechselbare, großflächige Gesichtsbehaarung beim Eurivision Song Contest als Symbol für Toleranz. Für den Privatdetektiv Magnum ist der Bart Träger einer Botschaft: Einen Schnauzer kann und sollte nicht jeder tragen. Im Gegensatz zum wildwüchsigen Vollbart - nicht selten das Ergebnis einer verlorenen Wette oder einer Phase der Trägheit - ist der Oberlippenbart nämlich eine Ansage.

Nur eine Kopie

Vermutlich sähe Selleck ohne Bart sogar besser aus, womöglich sogar zu schön, um wahr zu sein. Sicher hätte sein Gesicht auch einen Vollbart vertragen. Doch hätte man ihn dann nicht missverstanden als Kopie eines Aussteigers? Einer, dem man seine Holzfäller-Mentalität nicht abnimmt, der etwas zu verbergen hat?

Es ist der Schnauzbart, der den Kern dieser Magnum-Figur zum Vorschein gebracht hat. Die Hawaiihemden und der rote Ferrari - all das waren nur Accessoires. Der Bart aber, er hat sich als eigenständiges Markenzeichen etabliert. Er hat es so weit gebracht, dass ein Mann, der das Selleck-Modell trägt, oft aussieht, als hätte er ihn sich angeklebt.

Nur Tom Selleck wirkt durch den Schnauzer vertrauenswürdig, ohne seine Attraktivität einzubüßen - und attraktiv, ohne an Vertrauenswürdigkeit zu verlieren. Man kann also sagen: Der Mann hat seinen Bart gefunden. Mögen die beiden in Würde altern.

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