Hobby-Hühnerzüchter:Jeden Tag ein Ei, oder auch mal zwei

Bearded White Silkie bantam pullet

Wo sind denn da die Augen? Das flauschige Seidenhuhn ist bei Hühnerhaltern auch wegen seiner Zutraulichkeit beliebt.

(Foto: Iconica/Getty Images)

Immer mehr Menschen begeistern sich für scharrendes Geflügel im eigenen Garten. Und es zählt nicht nur die Bio-Qualität der Eier, die Hühner sollen auch optisch etwas hermachen.

Von Anne Goebel

Wenn Frankreichs Königin Marie Antoinette der Sinn nach robustem Landleben stand, ließ sie sich in ein Dorf bei Versailles kutschieren, das nur ihr gehörte. Dort kostümierte sie sich als Schäferin oder Milchmagd, harkte den Boden mit silbernen Rechen und sammelte frisch gelegte Eier in reizenden kleinen Eimern aus Porzellan. Wie eine echte Bäuerin eben.

Wenn Kathrin Greimel der Sinn nach Landleben steht, klemmt sie sich den Bambusstecken unter den Arm und dirigiert ihre vier Hühner, zwei weiße und zwei schwarz getupfte, über die gepflasterte Einfahrt. Draußen an der Straße parken SUVs und schicke kleine Cinquecentos. Innen eilt über den Natursteinweg eine Prozession aus Rosalie, Henriette, Lilly und Emmy Richtung Garten mit Blick auf den Ammersee. Wenig später: kehliges Kollern. Bullerbü-Gefühl. "Ich liebe dieses Geräusch", sagt Kathrin Greimel und atmet tief aus.

Genügsam scharrendes Federvieh gehört seit jeher zum Idealbild ländlicher Idylle. Und scharren sie unter Bäumen, im Gras - umso idyllischer. Am liebsten malt sich der zivilisationsmüde Städter die Szenerie so behaglich aus wie auf einem Gemälde von Carl Larsson: ein paar Hennen als helle Sprenkel in der Wiese. Und genau dieses schwedenschöne Bild wollen sich jetzt immer mehr Menschen nach Hause holen. Hühner sind Trend, Züchter vermelden steigende Nachfrage. Nach den alten Gemüsesorten und den essbaren Wildblumen werden in Deutschlands Gärten jetzt die Glucken kultiviert. Marie Antoinette hätte ihre reine Freude.

Wobei es ein bisschen ungerecht ist, die bizarre Scheinwelt der Monarchin gleichzusetzen mit unserem heutigen Wunsch nach Landleben light. "Le Hameau de la reine", der königliche Weiler mit Stall und Mühle, war in den 1780er-Jahren ein vollkommen künstliches Ensemble. Ein Staffagedorf mit bäuerlichen Komparsen, hinter den Fachwerkfassaden luxuriös ausgestattet. In der Gegenwart treibt die Hobby-Hühnerfarmer etwas mehr Ernsthaftigkeit an. Für das eigene Bio-Ei braucht es handwerkliches Geschick beim Aufbau des Geflügelunterschlupfs, regelmäßige Fütterung, den Verzicht auf ein Stück Rasen, der zum eingezäunten Auslauf wird. Es ist nicht alles nur Theater - aber die Kulisse sollte schon stimmen.

So wie bei Kathrin Greimel, die mit Mann und drei Kindern im Südwesten von München lebt, wo die Autos gern massig und ein bisschen geräumiger sind, die Häuser und die Gärten auch. Eine beliebte Gegend für Menschen mit Faible für stilvolle Terrakottatöpfe auf der Terrasse und anspruchsvolle Kaffeemaschinen in der Küche. Und eben neuerdings für Hühner, am liebsten alte, seltene Rassen. Am Gartentisch von Greimel (sympathisch simple Kaffeemaschine) geht der Blick auf den glitzernden See. "Seit ich die vier Mädels habe, fühle ich mich geerdet", sagt die 49-Jährige über ihre Hennen. Nach einem stressigen Tag mit Job, Whatsapp, Herumkutschieren der Kinder freue sie sich darauf, abends den Stall zu putzen. Und am Morgen auf das Einsammeln der Eier. Sie hat sich ihren Kindheitstraum erfüllt: ein Stück Bauernhof. Klar habe das auch etwas mit Lifestyle zu tun, sagt Greimel. "Immer mehr Leute im Ort haben Hühner. Und die sollen auch hübsch aussehen."

Schneeweiß, gepunktet, mit gefiederten Beinen: die Auswahl an Hühnern ist groß. Etwa 200 Rassen sind in Deutschland registriert. Wer sich in das ständig wachsende Angebot an Ratgeberliteratur vertieft, wird am Ende die Entscheidung umso schwieriger finden. Altsteirer, Sundheimer mit grün schillerndem Schwanz oder doch ein Polnisches Haubenhuhn?

In Büchern wie "Hühner halten im Garten. Der Weg zum eigenen Bio-Ei" wird der Laie mit Basiswissen versorgt. Je nach Rasse legt eine Henne bis zu 300 Eier pro Jahr, ein Hahn ist dazu nicht notwendig und in Wohngebieten auch nicht zu empfehlen. Mindestens drei Hühner sind für ein friedliches Stallklima ratsam. Michael von Lüttwitz, Geflügelzüchter und Buchautor ("Hühner halten. Das Rundum-sorglos-Paket"), rät zu großzügig bemessenem Auslauf, etwa 20 Quadratmeter für eine kleine Gruppe Federvieh. "Wenn der Auslauf mit Bäumen und Sträuchern durchsetzt ist, vermittelt das den Tieren Sicherheit. Sie können in Ruhe nach Fressbarem scharren", so Lüttwitz. Ein hübsches Stück Garten mit Hollerbusch und Apfelbaum ist also ideal.

Das lackschwarze Ayam Cemani gilt in der Szene als "Lamborghini der Hühner"

Hühnerhaltung gilt als unkompliziert. Die Vögel sind anspruchslose Esser, Ställe in allen Größen gibt es zum Bestellen im Netz, für die Urlaubszeit werden Nachbarskinder das Füttern und Eierklauben gerne übernehmen. Aber man kann den Trend natürlich auch in einer ganz anderen Liga spielen. Haustiermoden können ja mindestens so exzentrisch sein wie eine Alexander-McQueen-Show zu seiner besten Zeit. Nach der Golden-Retriever-Phase in den fernen Neunzigern, der distinguierten Eleganz französischer Jagdhunde nun also: die Prestigehühner.

Taubenblaue Paduaner mit aufgeplustertem Kopfgefieder gelten als besondere Zierde im heimischen Gehege. Perfektionisten verordnen ihm Bäder mit Babyshampoo und anschließendem Fönen. Weiße Seidenhühner sind mit dem langen Haar und Ohren in leuchtendem Türkis ein edler Anblick. Das lackschwarze Ayam Cemani aus Indonesien gilt in der Szene als "Lamborghini der Hühner". Standesgemäßes Domizil für solche Raritäten vom Spezialzüchter ist etwa das viktorianische "Gypsy Daydream Chicken House". Kosten: Knapp 5000 Euro.

Der britische Magazin-Journalist William Cash hat in einem großartig süffisanten Times-Artikel den Hype um die "boutique-breed", um exquisite Hühnerrassen, nun ja: aufs Korn genommen. Höhepunkt ist sein Bericht über ein Abendessen der Duchess of Devonshire für den Modeschöpfer Oscar de la Renta. Als Tischdeko wählte die Herzogin ihr frisch abgebraustes Cochin-Huhn, präsentiert in einer Glasschale. Wer es erst mal eine Nummer kleiner angehen will: Marans-Hühner legen schokoladenbraune Eier. Auch das macht Eindruck bei Gästen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: