Hairstylist Sam McKnight:Der Einwickler

Sam McKnight erschuf den Kurzhaarschnitt von Lady Diana und die Hochzeitsfrisur von Kate Moss. Als er anfing, kostete ein Schnitt 15 Pfund. Heute ist er der gefragteste Hairstylist der Modewelt.

Von Silke Wichert

Während alle Welt ihre Jobtitel aufpäppelt und es von Chief Office Managern und Editors at Large nur so wimmelt, sagt dieser Mann, nach seiner Jobbeschreibung gefragt, schlicht: "I do hair." Ich mache Haare. Das ist bei jemandem, der in den vergangenen 40 Jahren den schönsten Frauen der Welt, nun ja, die Haare gemacht hat, absolut zutreffend, in der sonst eher aufgeregten Modewelt allerdings auch bemerkenswert unaufgeregt.

Sam McKnight ist nicht irgendein Hairstylist, er ist der Hairstylist der Branche. Karl Lagerfeld arbeitet fast ausschließlich mit ihm, jede Saison wird er für ein Dutzend Schauen gebucht, unzählige Vogue-Cover tragen seine Handschrift. Angeblich soll Kate Moss damals sogar ihren Hochzeitstermin nach seinem Kalender gelegt haben, was McKnight nun allerdings mit lautem Prusten kommentiert. "Kate? Hahaha, nein, haha, nie im Leben!" Frisiert hat er die Braut natürlich, aber so wichtig sei er dann doch wieder nicht.

Für den Notfall hat McKnight immer Haarteile dabei

Andererseits tun Frauen für eine gut sitzende Frisur bekanntlich so einiges. Sie fahren Hunderte Kilometer, um den einmal am vorletzten Wohnort gefundenen Friseur, der sie und ihr feines Haar endlich verstanden hat, bloß nicht zu verlieren. Oder sie rufen, wie Sarah Jessica Parker auf dem Weg nach London zur Beerdigung von Designer Alexander McQueen, ihren Freund Sam an, er solle bitte schnell noch ein Haarteil für das Event vorbereiten. Am Ende erschien sie - so viel Pietät muss sein - mit einer McQueen würdigen Hochsteckfrisur in Form eines Bienenkorbs auf dem Kopf. "Keine große Sache, das hatten wir schnell montiert", sagt McKnight. "Ich habe für den Notfall immer eine Tasche mit Haarteilen und Accessoires dabei. Man weiß ja nie, was kommt." Bereitschaftsdienst macht ein Hairstylist gelegentlich also auch.

Das Angenehme bei McKnight ist: Er kann diesen ganzen Beauty-Talk, wie man den "Strand-Look-ohne-Strand" in nur achtzehn Schritten ganz einfach nachstylt, bei Bedarf freundlich runterspulen. Er hat aber auch nichts dagegen, es einfach bleiben zu lassen. Und stattdessen vom Garten eines Bekannten zu erzählen, den er gerade "meditativ" zurechtgestutzt habe. Blumen sind McKnights zweite Leidenschaft, ganz ohne Scheren geht es bei ihm offensichtlich nicht. Sein Instagram-Account ist voll von Fotos prächtiger Blüten. Und dann finden sich dort noch diese Selfies, von denen die Modewelt gar nicht genug bekommen kann: McKnight mit blondiertem Haarteil auf der Halbglatze. McKnight mit wuscheliger Lockenperücke. McKnight mit angesetzten Dreadlocks. Was er bei Shootings und Schauen verwendet, landet irgendwann auch auf seinem Kopf. "Da sehen Sie, auf welche Gedanken Friseure kommen, wenn uns zwischendurch langweilig wird", sagt er. Etwas ironische Distanz zum Job schadet offensichtlich nicht, wenn man in diesem Geschäft alt werden und halbwegs bei Sinnen bleiben will.

Gelandet ist er dort auch eher zufällig. McKnight stammt aus einem schottischen Bergwerkskaff, "ziemlich weit weg von allem, wo es um gut frisierte Haare geht". Die Eltern hatten wenig Geld, der Junge wollte Grundschullehrer werden, seinen Nebenjob in einem Friseursalon von Freunden mit angeschlossener Disco fand er allerdings deutlich aufregender als das College. Also ging er Mitte der Siebziger nach London, machte eine Ausbildung zum "Hairdresser" und war bald bei Molton Brown beschäftigt, schon damals eine der bekanntesten Adressen in der Stadt - und zuständig für die Cover-Produktionen der britischen Vogue, die ihre Redaktion gleich um die Ecke hatte. So landete er mit Anfang zwanzig in der Mode.

Seine ersten Kunden zahlten nur 15 Pfund

"Hairstylisten im heutigen Sinne gab es damals noch nicht", sagt McKnight. "Alles war viel weniger professionell, spontaner. Allerdings ruinierten wir den Models auch regelmäßig die Haare. Die Glätteisen waren glühend heiß, die Produkte unglaublich scharf. Es dauerte manchmal Tage, bis die Mädchen das Zeug wieder aus den Haaren raushatten."

McKnight machte sich selbständig, arbeitete gelegentlich für Modemagazine und hielt sich fürs Erste mit privaten Kunden über Wasser. Einer von ihnen hieß Paul Smith, besaß damals nur einen kleinen Laden in Covent Garden und ließ sich stets zusammen mit seiner Frau die Haare schneiden. "15 Pfund der Schnitt!", erinnert sich McKnight. Er überlegt. "Kann das sein? War ich wirklich so billig?" Anfang der 80er muss das gewesen sein, eine halbe Ewigkeit ist das her. Was er heute dafür nehmen würde, will man jetzt natürlich wissen, worauf erwartungsgemäß nur ein höfliches "Well, you know . . ." kommt. Wenn sogenannte Star-Friseure wie Frédéric Fekkai mehr als 500 Euro von ihren Kunden verlangen, darf man annehmen, dass auch McKnight den Mindestlohn erreicht.

Warum aber sind Haarstylisten so wichtig geworden in der Mode? Supermodels wie Claudia Schiffer oder Naomi Campbell setzen mittlerweile keinen Fuß ins Studio, wenn der "Hair Artist" ihrer Wahl nicht zur Verfügung steht. "Haare und Hüte können ein Outfit vollenden oder, wenn es schlecht läuft, ruinieren. Dazwischen gibt es nichts", erklärte der Designer Dries Van Noten kürzlich in einem Interview.

Das perfekte ungemachte Haar

Spontan denkt man da an die jüngste Frühjahr-Sommer-Show von Haider Ackermann, die wieder schön androgyn und fließend und voller Drapees war, von der einem aber nur die weißblonden Kurzhaarperücken in Erinnerung geblieben sind, mit denen die Models wie nach dem Zusammenstoß mit einem Wischmopp aussahen. Bei Dries Van Noten liefen die Models zur "Sommernachtstraum"-inspirierten Kollektion mit frisch gewaschenen, fluffig fliegenden Haaren über den Laufsteg. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Das perfekte ungemachte Haar gehört zu den schwierigsten Übungen im Geschäft. Überflüssig zu erwähnen, mit wem Van Noten in der Regel zusammenarbeitet.

Alles muss heute einem integralen Gesamtkonzept gehorchen, und keiner versteht es besser als Sam McKnight, die Vision eines Designers bis in die Haarspitzen fortzusetzen. "Karl schickt mir ein paar Wochen vorher einen Entwurf der jeweiligen Kollektion. Dann probieren wir mit einem Model im Studio einige Frisuren aus, schicken ein paar Mal Bilder hin und her - fertig." So entstanden legendäre Frisuren wie die Bollywood-Dreadlocks für Chanels "Métier d'Arts"-Kollektion 2012 oder die Pelz-Irokesen bei Fendi vor zwei Jahren. Nichts, was man ernsthaft zu Hause nachmachen sollte. Wenn die Prêt-à-porter-Schau von Chanel um 10.30 Uhr beginnt, müssen die Models bereits um fünf Uhr anrücken, damit McKnight und sein 30-köpfiges Team allen die gleichen Perücken, Haarteile oder einfach nur frisch gewaschene Haare verpassen können. Das nur so nebenbei für alle, die glauben, viel Zeit ihres Lebens beim Friseur zu verbringen.

Wenn es stimmt, dass Frauen ihrem Friseur die erstaunlichsten Dinge anvertrauen, muss Sam McKnight so eine Art wandelndes Schwarzbuch der schönen Frauen sein. Sie begeben sich am liebsten in die Hände des Schotten im ewigen Fred-Perry-Poloshirt. Es gibt da dieses Foto von ihm und Linda Evangelista in inniger Umarmung, wo der junge McKnight mit Haaren ein bisschen an Kevin Costner erinnert. Außerdem unzählige Backstage-Bilder mit ihm und Gisele Bündchen und Cara Delevingne, wie sie vor dem Spiegel Grimassen schneiden. Und natürlich mit Kate Moss, die er das erste Mal traf, "da war sie 15 oder 16 und gerade in New York angekommen. Ihre Schönheit hat uns damals alle umgehauen", sagt McKnight.

Dianas Wirbel waren schwer in den Griff zu kriegen

Und dann gab es da noch: Lady Diana. Anfang der Neunziger rief ihn sein Freund, der Fotograf Patrick Demarchelier, an, er habe einen "etwas speziellen" Job. McKnight und die Prinzessin verstanden sich auf Anhieb, am Ende des Shootings hatte sie einen coolen Kurzhaarschnitt und ein legendäres Cover für die britische Vogue. "Danach arbeiteten wir sieben Jahre lang zusammen", erzählt McKnight. Das sei eine wunderbare Zeit gewesen, wenn auch die Reporter der britischen Tabloids bis vor die Haustür seiner Eltern kamen und hinterher über Dianas neuen Leibfriseur schrieben: "Er schneidet nicht einmal die Haare seiner eigenen Mutter!"

McKnight begleitete Diana auf allen offiziellen Reisen, "auch zu Mutter Teresa, ins Taj Mahal oder in die Flüchtlingslager von Afghanistan". Er weiß jetzt schon, was kommt: die Prinzessin, die sich erst noch die Lockenwickler aufdrehen ließ, bevor sie durchs Minenfeld stolzierte. "Sie müssen es aus ihrer Warte betrachten. Sie sagte einmal zu mir: 'Die Leute wollen Prinzessin Diana sehen, nicht die ungeschminkte Hausfrau' - die sie ja auch sein konnte. Sich gut anzuziehen und zurechtzumachen war für sie eine Sache von Respekt, das hatte nichts mit Eitelkeit zu tun." Aber vielleicht einmal selbst versuchen, die Haare zu richten? "Konnte sie nicht. Sie hatte viele Wirbel, die waren schwer in den Griff zu kriegen." Für McKnight oder einen seiner Assistenten hieß das tägliche Besuche im Kensington Palast, weil es immer irgendwo eine Fabrik oder ein Krankenhaus zu eröffnen gab. "Wenn sie nur ins Fitnessstudio ging - freier Tag."

Man überlegt kurz, wer seiner Kollegen heute wohl Herzogin Kate die Haare so adrett nach innen föhnt. Vielleicht macht sie es bürgerlich selbst. Wahrscheinlich eher nicht. Angeblich macht es kaum noch einer eigenhändig. "Wenn ein Star heute das Haus verlässt, läuft er quasi schon auf dem Laufsteg", sagt McKnight. "Außer Dienst zu sein, ist als Berühmtheit viel schwieriger geworden." Selbst Hillary Clinton, mit eher feinem Haar gebeutelt, witzelte darüber, sie habe ihre Autobiografie erst "The Scrunchy Chronicles" nennen wollen - "112 countries and it is still all about my hair". Das Thema beschäftigt die Leute. "Jeder kann sich eben damit identifizieren", sagt McKnight, "jeder hat Haare." Kurze Pause. "Oder sagen wir, jeder hatte einmal Haare."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: