Haartransplantation von Benedikt Höwedes:Mann ohne Ecken

Fototermin Nationalmannschaft - Benedikt Höwedes

Beim Fototermin der Nationalmannschaft im Mai wurde Benedikt Höwedes noch vom Stylisten toupiert. Demnächst geht es auch ohne.

(Foto: dpa)

Einst galten Glatzköpfe wie Kojak als besonders männlich. Wenn die Geheimratsecke wuchs, rasierte man das Haar einfach ganz ab. Heute wird operativ aufgehübscht. Jüngstes Beispiel: der Nationalspieler Benedikt Höwedes.

Von Oliver Klasen

Als Silvio Berlusconi sich 2004 dazu entschloss, Haare von seinem dichter bewachsenen Hinterkopf auf die vorderen kahlen Stellen transplantieren zu lassen, konnte man das ja noch abtun. Selbst als er sich damit brüstete: "Industrielle verlegen ihre Unternehmen, ich habe eine Verlegung meiner Haare unternommen". Tja, Berlusconi eben. Der lasterhafte Macho. Einer, der es nötig hat, auch noch im hohen Alter mit seiner vermeintlichen Männlichkeit zu prahlen.

Doch inzwischen ist daraus eine Bewegung entstanden, der sich immer mehr Männer anschließen - und zu der sich immer mehr bekennen. Zuerst kam Wayne Rooney. Der englische Fußballer ließ sich in den vergangenen Jahren gleich mehrfach Haarbüschel transplantieren. Dann ging 2013 auch Dortmunds Trainer Jürgen Klopp zu einem Chirurgen, der die Geheimratsecken operativ verkleinerte. Und FDP-Politiker Christian Lindner, der mit seiner Partei zwar eine Bundestagswahl verloren hat, sich davon aber nicht die Frisur vermiesen lassen wollte, präsentierte vergangenen Herbst nicht nur sein neues, auffallend dichtes Haupthaar, sondern twitterte die frohe Botschaft auch gleich in die Welt: "Um es mit Jürgen Klopp zu sagen: 'Ich finde, das Ergebnis ist ganz cool geworden, oder?' CL"

Der neueste Fall ist nun Benedikt Höwedes. Der Fußball-Nationalspieler und Innenverteidiger des FC Schalke 04 hat via Bild-Zeitung ein Bekenntnis abgelegt: "Ja, ich habe mich einer Haartransplantation unterzogen."

Im vergangenen halben Jahr sei sein Haaransatz immer weiter nach hinten gerutscht. Nach dem Titelgewinn der deutschen Nationalmannschaft in Brasilien habe er daher den Eingriff vornehmen lassen. "Die acht bis zehn Tage mit Schwellungen taten schon ziemlich weh. Aber für eine Glatze fühle ich mich noch zu jung", sagte der 26-Jährige.

Die Glatze verschwindet

Wo sind sie, die Männer, die offensiv zu ihrem kahlen Kopf stehen konnten, deren Glatze keine Unzulänglichkeit verkörperte, sondern einen Überschuss an Testosteron und damit eine besonders kraftvolle Männlichkeit?

Der glatzköpfige Ermittler Kojak war eine Legende in den Achtzigern. In den Neunzigern war zum Beispiel der deutsche Schauspieler Heiner Lauterbach das Vorbild für Männer, die nur noch sehr wenig bis keine Haare mehr haben. Im neuen Jahrtausend verkörperte US-Darsteller Vin Diesel das Ideal des coolen Kahlkopfes. Diese Zeiten sind offensichtlich vorbei. Der Trend scheint an sein Ende gekommen.

Noch bis vor Kurzem rasierten Männer ihr verbliebenes Haar auf Millimeterlänge, wenn die Geheimratsecken immer größer wurden und sich zu einer Platte zu vereinen drohten. Doch für Männer wie Höwedes kommt das nicht infrage. Die neue Generation lässt sich das Kopfhaar operativ aufhübschen - und steht damit für die neue, vielleicht weniger kantige Männlichkeit: eine Männlichkeit ohne Geheimratsecken.

In Brasilien wurde der Nationalspieler wegen seines für dortige Kommentatoren unaussprechlichen Namens einfach "Howetz" genannt - das ist ihm offenbar kantig genug. Und wenn die Fans im Stadion jetzt singen: "Du hast die Haare schön", dann ist das für ihn ab jetzt wohl keine Häme mehr.

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