Glühweine im Sommelier-Test:So schmeckt der Advent

Guter Glühwein ist mehr als eine Mischung aus Alkohol, Gewürzen und Zucker, die vor allem beschwipsen soll. Eine Probe mit Sommelier zeigt, worauf es ankommt - und wann es anstrengend wird.

Protokolle: Benedikt Warmbrunn

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Quelle: Robert Haas

Das erste Gebot der Glühweintrinker auf Weihnachtsmärkten und -feiern scheint zu sein: Beschwipst soll er machen. Und heiß muss er sein. Weitere Gebote: Gibt es nicht. Der Geschmack ist vielen schon vom zweiten süßlich-klebrigen Schluck an egal. Klar, der heiße Alkohol dampft einem ins Gesicht, der Zucker legt sich auf die Zunge - andere Zutaten haben keine Chance. Dabei ist es mit einem guten Glüh- wie mit einem guten Rotwein: Er ist facettenreich, mit jedem Atemzug, mit jedem Schluck verändert sich sein Geschmack.

Zeit also für einen Test. Für uns hat der Münchner Sommelier Philipp Künemund (im Bild) sechs sehr unterschiedliche Glühweine probiert - vom günstigen Discounter-Getränk bis zum renommierten Markenprodukt. Die erste Vorgabe: Rot muss der Glühwein sein. Die zweite: Kalt muss der Glühwein sein. Klingt seltsam, doch auf einmal setzen sich mit jedem Glas verschiedene Aromen durch, schmeckt die Zunge einmal mehr Früchte, einmal mehr Würze. Aber egal, ob heiß oder kalt, ob fruchtig oder würzig, am Ende macht jeder Glühwein garantiert eines: beschwipst.

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Der Marmeladige (Testverlierer)

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Quelle: Robert Haas

"Der Name klingt nach einem traditionellen Rezept, aber dieser Glühwein schmeckt einfach nur künstlich. Die Säure ist zu stechend, die Süße zu aufgesetzt, das passt überhaupt nicht zueinander. Da nehme ich Kirsche wahr, ein bisschen Orange, Waldblüte und einen Hauch von geriebener Muskatnuss. Das ist zu viel auf einmal. Spätestens am Gaumen ist das zu üppig mit der Fruchtigkeit, schmeckt viel zu marmeladig. Bei diesem Glühwein ist man nach der zweiten Tasse satt von dieser aufgesetzten Fruchtigkeit, die Chemiekeule kommt zu stark durch. Da habe ich schnell keine Lust mehr auf einen weiteren Schluck."

Name: Omas Glühwein

Hersteller: St. Lorenz Weinkellerei

Preis: 0,89 Euro

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Der Würzige

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Quelle: Robert Haas

"Der erste Riecher, der erste Schluck: sofort sehr aromatisch. Das riecht sehr stark nach Zimt, auch nach Pfeffer. Irgendwann setzt sich dann zusätzlich noch ein bisschen Orange durch, dazu gemahlener Pfeffer und Sternanis. Dieser Glühwein baut wirklich ganz auf die Würze - aber das steht ja auch auf dem Etikett: würzig-aromatisch. Und genau das ist er auch. Fruchtaromen dagegen stehen eher im Hintergrund. Wenn überhaupt, dann sind es helle, rote Früchte. Ansonsten muss man sagen, dass Süße und Säure gut ausbalanciert sind, und dass es durch die Gerbstoffe am Gaumen ein bisschen eckig wird. Im Abgang wird es richtig bitter. Auch wenn der Glühwein so günstig ist, würde ich nicht sagen: Er geht gar nicht. Der Grundwein ist sicher nicht der beste, aber auch nicht der allerschlechteste. Ich kann mir aber jedoch gut vorstellen, dass er nach der zweiten Tasse anstrengend wird."

Name: Aldi-Glühwein

Hersteller: Aldi

Preis: 0,99 Euro

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Der Skandinavische

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Quelle: Robert Haas

"Extrem würzig. Pfeffer, Zedernholz, irgendwie riecht das nach einer alten Zigarrenkiste. Erst am Gaumen lässt die Würze nach; das ausgeprägte Kirscharoma setzt sich durch und der Geschmack wird dunkelbeerig und marmeladig. Die Süße wirkt hier leider sehr aufgesetzt. Die Säure finde ich dagegen ganz angenehm, sie ist gut eingebunden. Auch die Gerbstoffe sind geschmacklich nicht so aufdringlich. Aber insgesamt ist dieser Glühwein nicht ausbalanciert. Manche Komponenten halten sich dezent zurück, aber das hilft nichts: Es sticht hier und da etwas heraus, und alles in allem ist das nicht stimmig. Ich hatte mir mehr erhofft. Schade!"

Name: Vinglögg

Hersteller: Ikea

Preis: 2,50 Euro

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Der Erdige

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Quelle: Robert Haas

"Wie es der Name verspricht: ein sehr natürlicher Glühwein. Er riecht nach Rosmarin, Schwarzkirsche, Kümmel und Waldboden, das Aroma ist sehr erdig. Am Gaumen finde ich ihn äußerst angenehm, die Süße ist nicht zu plump - hier wird einfach nichts künstlich in eine Richtung geschoben, um einen Grundgeschmack hervorzuheben. Dafür ist er eckig, kantig und rassig. Am Anfang schmeckt das vielleicht noch etwas gewöhnungsbedürftig, zumal der Geruch so auffällig ist - aber Luft tut auch diesem Glühwein gut, er entwickelt sich mit jedem Schluck besser. Für mich ist das in unserem Test der Glühwein mit dem meisten Charakter, er hat für mich die größte Eigenständigkeit."

Name: Bio-Glühwein

Hersteller: Kunzmann

Preis: 3,79 Euro

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Der Edle

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Quelle: Robert Haas

"Ein anspruchsvoller Glühwein, sicherlich kein Schmeichler. Er setzt nicht so sehr auf Fruchtigkeit, sondern auf Würze, ist sehr kräuterig. Da habe ich sofort ganz stark Nelke in der Nase, auch einen leichten Kakao-Geschmack, dazu schwarze Kirschen und Lakritze. Der Grundwein ist auf jeden Fall edel, anders als bei den meisten anderen Glühweinen. Er hat nämlich sehr viel Spielraum und eine komplexe Struktur. Zudem schmeckt man eine angenehm integrierte Süße, die nicht einfach aufgesetzt ist - der Rotwein hat sie richtig aufgenommen. Was mich überrascht, ist, dass der hochwertige Grundwein einen hohen Gerbstoffgehalt hat, dadurch wirkt er sehr rassig. Das gibt ihm einen ganz eigenen Stil, er schmeckt kaum noch wie ein Glühwein - die Frage ist natürlich, ob es das ist, was man sucht. Nach dem Öffnen der Flasche prägt der Sauerstoff den Geschmack, jeder Schluck bekommt dadurch einen eigenen Charakter. Das finde ich ziemlich aufregend."

Name: Dallmayr-Glühwein

Hersteller: Dallmayr

Preis: 6,50 Euro

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Der Filigrane (Testsieger)

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Quelle: Robert Haas

"Bei diesem Glühwein könnte ich mir vorstellen, dass die Leute komplett auf ihn abfahren. Mir schmeckt er zumindest am besten. Er ist im Geruch rund und ausgewogen. Da ist kein Aroma, das dir ins Gesicht schlägt, sondern es ist stimmig. Ich rieche anfangs ein starkes Pflaumenaroma, dazu Nelke, Jasmin, rote Johannisbeere. Am Gaumen allerdings ist mir die Süße zu krass,<NM1> da ist zu viel gewollt<NM> da ist dieser Glühwein sehr <NM1>dadurch wird es sehr<NM>restsüß. Klar, auf dem Weihnachtsmarkt wollen die Leute genau diese Süße schmecken - da verkauft er sich bestimmt super. Dennoch ist eine so übertriebene Süße schade, denn eigentlich hat dieser Glühwein eine sehr gute, weinige Struktur. Behält man ihn ein bisschen auf der Zunge, merkt man, dass es nicht der schlechteste Rotwein ist. Man muss sich die Süße wegdenken - dann wird dieser Wein sehr griffig. Ich mag es auch, wenn der Wein wie hier nicht zu herb ist, wenn die Gerbstoffe gut eingebunden sind, dann wird jeder Schluck ein bisschen seidiger. Und sobald die Frucht durchkommt, ist er fast schon puristisch. Irgendwie auch filigran."

Name: Nürnberger Rauschgold-Engel

Hersteller: St. Ursula Weinkellerei

Preis: 1,75 Euro

© SZ vom 29.11.2014/jana/rus
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