Getränketrend:Pink Latte ist das Anti-Trump-Getränk

Rose Petal Milk Tea, Café Grace Street, New York

Ein Getränk von äußerer und innerer Schönheit: Ein kleiner Becher "Rose Petal Milk Tea" kostet im "Grace Street Café" in New York etwa fünf Dollar.

(Foto: Johanna Bruckner)

Rosafarbener Kaffee bringt den Amerikanern Zucker und Zufriedenheit.

Von Johanna Bruckner, New York

95 Prozent der Menschen halten Pink-Träger für dümmlich. Das behauptete vor einigen Jahren zumindest eine Studie; befragt worden waren 1000 Personen. Es muss sich dabei um Probanden mit sehr viel Glück im Leben gehandelt haben, die ihren Alltag noch nie bunter machen mussten. Anders ist es nicht zu erklären, wie man die positive farbpsychologische Wirkung von Pink in etwas so Boshaft-Kleingeistiges verkehren kann. Denn je schlechter die Welt und je unglücklicher der Mensch ist, desto mehr Pink braucht es. Oder halten Sie es für einen Zufall, dass eine große amerikanische Kaffeekette jüngst einen "Unicorn Frappuccino" in ihr Angebot aufgenommen hat, während gleichzeitig vom Weißen Haus aus ein Präsidentendarsteller Dunkelheit verbreitet?

Trump will eine Mauer bauen. Starbucks baut Türme aus pinkfarbenem Crushed Ice, Sahne und knallbunten Zuckerstreuseln. Das ist die kapitalistische Form von: Das Imperium schlägt zurück. Hier gibt es nicht gut und böse, hier gibt es böse und abgrundtief böse. Und natürlich jede Menge Kalorien. Fett schützt bekanntermaßen vor Kälte und so ein Einhorn-Becher ist eben auch das Versprechen, die um sich greifende, emotionale Kälte für ein paar Schlucke vergessen zu können.

Am Anfang war also der "Unicorn Frappuccino" (oder doch die Einhorn-Schokolade eines deutschen Herstellers?) - daraus musste unter den gegebenen Umständen fast zwangsläufig eine ganze Bewegung werden. Von Los Angeles bis New York bringen mittlerweile "Pink Latte"-Variationen den Amerikanern Zucker und Zufriedenheit. Die Phantasie der Barista ist dabei grenzenlos. In L.A. ziehen die Blätter von roten Rosen drei Tage in einem Wasserbad mit Rohrzucker. Die Essenz wird dann mit Milch und Espresso so kunstvoll zusammengeschüttet, dass ein Schichteffekt entsteht. Ebene eins: Rosenmilch. Ebene zwei: schwarzer Kaffee. Ebene drei: Geschmackshimmel.

So stellt man sich das zumindest vor, während man in New York auf dem Weg ins "Grace Street Café" in Koreatown ist (mehr Informationen hier). Dort gibt es einen "Rose Petal Milk Tea", über den eine Autorin des New Yorker Stadtmagazins Gothamist schreibt, er gehöre zum Besten, was sie je getrunken habe. Ein Glasturm der Glückseligkeit - nimm' das Trump Tower!

Dieser Rosentee mit Milch - er ist so viel mehr als ein Heißgetränk

Die Vorfreude wird noch dadurch gesteigert, dass die freundliche junge Frau hinter dem Tresen beim Bestellen um einige Minuten Geduld bittet. Dieser Rosentee mit Milch - er ist so viel mehr als ein Heißgetränk, denkt die Wartende bei sich. Er ist ein Symbol: gegen die erratische Twitter-Hektik, für das Zeitnehmen, Nachdenken, Milch sanft aufschäumen. Dann ist jedoch erst mal ein Realitätscheck angesagt. Der "Rose Petal Milk Tea" sei ursprünglich ein Special zum Valentinstag gewesen, erklärt die Café-Angestellte. Weil er so erfolgreich gewesen sei, habe man ihn auf die Karte genommen. Vor allem Frauen bestellten ihn.

Da sind sie wieder: der fiese Kommerz und sein kleiner gemeiner Bruder, die gegenderte Zielgruppenansprache. Rosa - Mädchenfarbe. Das steckt in Köpfen und kommt aus Mündern. Man würde sie gerne stopfen, pardon füllen, mit jenem zartrosa Tee, der in einem schmucklosen Pappbecher kommt. Mit filigranem Milchschaum-Muster und einer Spur aus getrockneten Rosenblättern.

Wer diesen Tee trinkt, der denkt nicht mehr in Geschlechtern, der denkt gar nicht mehr. Er genießt. Den feinen Duft nach Assam und echten Rosen. Die milchige Süße, die sich im Körper ausbreitet. Wäre es tatsächlich möglich, dass dem Menschen die Sonne aus, nun ja, Körperöffnungen scheint - dieses Getränk hätte Supernova-Potenzial.

Wer an dieser Stelle denkt: "Will ich auch. Das muss man doch auch selber machen können?" Tun Sie es nicht. Kaufen Sie nicht die Flasche Rosensirup für etwa zwölf Euro. Verschwenden Sie nicht Milch und Lebenszeit. Ersparen Sie sich die Erfahrung, im Mund den Geschmack jener Trockenblumenmischung zu haben, die Ihre Großmutter immer auf der Toilette stehen hatte. Sparen Sie lieber auf ein Flugticket nach New York. Die Welt braucht nicht noch mehr Grauen, sie braucht mehr Pink.

Rezept für geeiste Lavendel-Latte (für unbelehrbare Selbermacher und Pink-Phobiker)
Iced Lavender Latte, Café Routine, New York

Zutaten:

Lavendel-Sirup

Milch

Espresso (am besten kalt)

Eis

Zubereitung:

Ein großes Glas zu Zweidritteln mit Eiswürfeln füllen. Sirup über das Eis laufen lassen (je nach gewünschter Süße: ein bis zwei Esslöffel). Etwa bis zur Hälfte mit Milch füllen. Espresso in einem Schwung dazu kippen.

Mythos New York - eine Serie

"Die Stadt, die niemals schläft", "Metropole der Singles", "unbezahlbar" - Reisende haben viele Bilder im Kopf, wenn sie New York City besuchen. Aber was ist dran an den Klischees? In der Serie "Mythos New York" macht unsere neu angekommene Korrespondentin den - ganz subjektiven - Realitätscheck.

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