Getränke:Es gibt richtig guten Prosecco - das weiß nur niemand

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Der Geschmack, den viele Deutsche mit Prosecco verbinden, ist vor allem von besonders billiger und süßer Ware geprägt. (Foto: Alex Holyoake/Unsplash.com)

Die Deutschen lieben Prosecco. Leider konsumieren sie in der Regel süße Massenware. Woran man die guten Alternativen erkennt.

Von Patrick Hemminger

Er ist billig, er ist süß und meist nicht mehr als eine schlichte Plörre. Das sagt Primo Franco, und die Rede ist vom Prosecco, der in Deutschland verkauft wird. Daher weiß Franco auch schon, was gleich wieder passieren wird. Der italienische Winzer hat soeben auf einer Weinmesse seinen Stand aufgebaut und schon kommen die ersten Besucher zum Probieren.

Es ist jedes Mal dasselbe Spiel: Sie nippen, ziehen anerkennend die Augenbrauen hoch und sagen: "Das ist gut. Was ist das?" "Prosecco", antwortet Primo Franco grinsend, und verlässlich staunen die Leute über die feine Perlage des Weins, die feinen und frischen Aromen von grünen und weißen Früchten, den lang anhaltenden Geschmack und überhaupt die ganze Köstlichkeit dieses Schaumweins.

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Tatsächlich ist das Staunen nicht verwunderlich, denn Franco gehört zu den Besten seines Fachs. Der Geschmack, den viele Deutsche mit Prosecco verbinden, ist aber vor allem von besonders billiger und süßer Ware geprägt. Nun ist Zucker im Wein zunächst gar nichts Schlechtes. Er erfüllt aber nur dann seinen Zweck, wenn ihm eine ordentliche Säure entgegensteht. Nur dann wirkt die Süße nicht pappig, sondern schmeichelt dem Gaumen. Leider nutzen Hersteller einfacher Weine sie aber dazu, Qualitätsmängel zu übertünchen. Prosecco ist hierfür ein ideales Beispiel.

Dass es richtig guten Prosecco gibt, scheint kaum noch einer zu wissen. Franco hat eine klare Meinung dazu, wer die Schuld daran trägt: "Der schlimmste Feind des Prosecco sind die italienischen Restaurants", sagt er. Und Enrico Valleferro, Exportmanager der renommierten Kellerei Adami, stimmt ihm zu. Für Prosecco muss ein Gastronom sich nicht anstrengen. "Wenn er nur Prosecco auf die Karte schreibt, dann verkauft er im Jahr einige Tausend Flaschen. Völlig egal, was es ist, die Leute kaufen es. Natürlich nimmt er deshalb einen günstigen."

Das ist schön für den Gastronomen, für die Erzeuger von hochwertigem Prosecco ist es ärgerlich. "Prosecco verkauft sich so gut, dass er nicht erklärt werden und der Wirt auf seiner Karte nicht spezifisch werden muss", ergänzt Valleferro. Ob da also ein High-End-Tropfen oder ein Billigwein ausgeschenkt wird, erfährt der Gast nicht - will es in der Regel aber auch gar nicht wissen.

Ein guter Prosecco kostet schon zehn bis zwölf Euro

Prosecco ist ein Schaum- oder Perlwein aus der Rebsorte Glera, der in Norditalien hergestellt wird, vor allem in der Provinz Venetien. Es wird unterschieden zwischen den Weinen aus dem Kerngebiet um die Dörfer Conegliano und Valdobbiadene und der Region drumherum. Wo ein Wein herkommt, erkennt man in Italien an den kleinen Etiketten am Flaschenhals. Braun und mit DOCG beschriftet ist die Kernregion, blau und mit den Buchstaben DOC ist die Umgebung.

In der DOCG-Region Conegliano-Valdobbiadene sind die Produktionsvorschriften strenger, zudem die Weinberge steiler, die Böden besser, die Rebstöcke älter und das Klima unterschiedlicher. Etwas vereinfacht gesagt, kommt dort der gute Stoff her. Kostenpunkt pro Flasche: zehn bis zwölf Euro, auch beste Ware ist im Vergleich zu gehobenen Weißweinen also eher günstig. Der andere Prosecco steht dann für weniger als drei Euro bei den Discountern. Prosecco ist allgegenwärtig und sein Ruf im Keller. Kaum einer weiß um die Qualitäten dieses Anbaugebiets.

"Es ist typisch für große Appellationen, dass sie alle Preise haben, von billig bis teuer", sagt Winzer Primo Franco. "Aber im Gegensatz zu Bordeaux oder Champagner wird das Image des Prosecco nicht von den teuren Weinen bestimmt, sondern von den billigen." Etwa 450 Millionen Flaschen werden davon jedes Jahr produziert. Aus der anspruchsvolleren DOCG-Region kommen gerade mal 90 Millionen.

Der Konsum der günstigen Variante nimmt hierzulande stetig zu. Er stieg zuletzt von gut 30 auf mehr als 40 Millionen Flaschen pro Jahr. Die Kellereien aus dem DOCG-Gebiet hingegen tun sich schwer auf dem deutschen Markt. Primo Franco zum Beispiel begann Ende der 70er-Jahre mit dem Export von Spitzenprosecco nach Deutschland. 1992 war er bei 100 000 Flaschen angekommen, inzwischen ist sein Verkauf nach Deutschland auf jährlich 15 000 Flaschen gesunken. Und alle Winzer erzählen eine ähnliche Geschichte.

"Deutschland ist unser ältester Auslandsmarkt, heute ist es aber der schwierigste, weil alles über 4,50 Euro den Deutschen zu teuer ist", sagt auch Daniel D'Anna Bortolotti. Sein Familienunternehmen verkauft derzeit noch ein Viertel seiner Produktion nach Deutschland, es waren einmal zehn Prozent mehr. Besuchen Touristen sein Weingut zur Verkostung, dann weiß er schnell, woher die Menschen kommen. Deutsche, Holländer und Schweizer fragen nämlich vor dem Probieren nach dem Preis - alle anderen erst danach.

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Prosecco hat keine lange Geschichte, er ist kein Produkt mit großer Tradition. Lange Zeit wurde in der Region gewöhnlicher und nicht besonders guter Stillwein gekeltert. Vor etwa 100 Jahren begannen die Winzer mit der Herstellung von Schaumwein zu experimentieren. Die zweite Gärung ließen sie in einem Drucktank stattfinden, nicht in der Flasche, wie es zum Beispiel beim Champagner gemacht wird.

Diese neue Vorgehensweise, Charmatmethode genannt, geht deutlich schneller und ist erheblich günstiger. Champagner bleibt nach der zweiten Gärung noch mindestens 15 Monate in Kontakt mit den abgestorbenen Hefezellen. Dadurch entwickeln sich die charakteristischen Noten von Brioche und Hefe. Prosecco hingegen wird bald nach Ende der Gärung in Flaschen gefüllt. Dadurch bleibt sein Aroma frisch und fruchtig. Dass diese Methode zu diesem Wein deutlich besser passt, erkannten die Winzer erst vor knapp 70 Jahren.

Keine 20 Jahre später verkaufte man dann die ersten Flaschen nach Deutschland, Prosecco wurde dort rasch beliebt. So beliebt, dass Ende der Achtzigerjahre große Kellereien damit begannen, Supermärkte zu beliefern. "Als sich die Discounter einmischten, wurde es schwierig. Denn plötzlich fragten mich alle nach billigem Prosecco", sagt Primo Franco. Auch die Händler wollten bei dem Wettkampf um den billigsten Prosecco mitmachen. "Noch nie hat mich ein Einkäufer aus Deutschland nach Qualität gefragt. Alle wollen immer nur den Preis wissen", sagt Franco.

Guter Prosecco rechnet sich für Händler in Deutschland kaum noch

Auf Frederik Schulte dürfte das nicht zutreffen. Er leitet den Weineinkauf bei Dallmayr in München, eines der größten Delikatessengeschäfte Europas. Der Experte stimmt den italienischen Winzern zwar zu, dass die Deutschen nicht um die Qualitäten guten Proseccos wissen. Die Schuld dafür sieht er aber weniger bei den Discountern und den Restaurants als beim zuständigen italienischen Weinbauverband, der in den vergangenen Jahren zu wenig getan habe. "Es fehlt an Aufklärung über das, was Prosecco kann", sagt Schulte.

Das zweite Problem ist seiner Ansicht nach der Preis. Da sich Prosecco im Rest der Welt sehr gut verkauft, steigen die Preise Jahr für Jahr. Händler müssen deshalb immer schärfer kalkulieren. Preissteigerungen an die Kunden weiterzugeben, werde kaum funktionieren. Schon jetzt ist die Konkurrenz enorm stark. "Der deutsche Winzersekt ist inzwischen so gut", sagt Schulte. "Da bekomme ich für zehn Euro einen tadellosen Sekt, der auch noch zwei Jahre in der Flasche gereift ist, da erübrigt sich die Frage nach teurem Prosecco."

So wird guter Prosecco bei uns immer mehr zur Ausnahme, die sich sogar für den Feinkosthandel kaum noch rechnet. Auch Dallmayr hat Flaschen aus dem Sortiment genommen. Und "wenn sogar ein Kunde wie Dallmayr nicht mehr kauft", so stöhnt Weinhändler Daniel D'Anna Bortolotti, "dann ist das ein deutliches Signal."

© SZ vom 12.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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