Geschmackssache:Khwan

Berlin-Friedrichshain hat eine neue spannende Adresse für asiatisches Essen. Im Khwan stehen zwar keine Thailänder am Herd, trotzdem gibt es hier so authentisches und köstliches Thai-Barbecue, wie man es sonst kaum bekommt in Deutschland.

Von Fabienne Hurst

Berlin-Friedrichshain hat wieder mal ein neues abendliches Pilgerziel. In einem angemessen runtergerockten Holzschuppen laden ein Brite und ein Südafrikaner zum Thai-Barbecue. Im Khwan sind die Möbel vom Flohmarkt, aus den Boxen tönt Indie-Rock, und die Karte ist auf Englisch. Ein Klischee-Lokal? Mag sein, sagt unsere Autorin, aber leider geil. Vor allem das Essen.

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Das RAW-Gelände in Berlin-Friedrichshain ist ein Ort, der polarisiert: wegen der wilden Partys, der Drogen, der Schlägereien. Der Spiegel hat das Vergnügungsareal einmal als "No-go-Area" beschrieben, was vielleicht eine Idee zu alarmiert klang. Für Touristen aus aller Welt jedenfalls findet auf dem RAW-Gelände das Berlin statt, von dem sie im Internet gelesen haben. Wo früher Eisenbahnen repariert wurden, reihen sich heute Clubs, Bars, Skateparks und Kletterhallen aneinander, von der Optik her alles ein bisschen unfertig und abgerockt, Berlin-Style halt. Aber egal, ob man es hier nun gefährlich oder aufregend findet, eines war wohl immer unstrittig: Das hier ist kein Ort für besondere kulinarische Höhepunkte. Bis jetzt jedenfalls.

Denn seit Kurzem befindet sich am westlichen Ende des Geländes das "Khwan", was thailändisch "Rauch" bedeutet. In einem alten Schuppen haben der in London aufgewachsene Daniel Lambert, 38, und David Chien, 35, ein Südafrikaner mit taiwanesischen Wurzeln, ihr Thai-Barbecue eröffnet. Nachdem sie sich zuvor auf Berliner Street-Food-Märkten ausprobiert haben, ist es ihr erstes dauerhaftes Restaurant. Noch aber erinnert das Innere des windschiefen Bretterbaus eher an eine Garage; alles wirkt improvisiert: Hier stehen zusammengewürfelte Sitzgelegenheiten, Bierbänke, Tische vom Flohmarkt und Weinfässer, alles getaucht in ein gnädig gedimmtes Licht und Kerzenschein. Aus den Lautsprechern tönt Indie-Rock, von Franz Ferdinand bis zu The Smiths. Doch erste Befürchtungen von zu viel Hipstergedöns verfliegen schnell: Weder wird das Bier in Marmeladengläsern serviert, noch stehen die inflationären Süßkartoffelpommes auf der Speisenkarte. Okay, geschrieben ist sie komplett auf Englisch, aber das Personal spricht dann so gut deutsch, dass sogar Jens Spahn von der CDU zufrieden wäre. Auch versucht man hier erst gar nicht so zu tun, als sei man in Fernost: keine Thaifolklore mit beleuchteten Plastikbuddhas, nicht mal die kleinste kunstvoll geschnitzte gelbe Rübe als Tellerdeko gibt es. Gut so.

Die freundliche Bedienung empfiehlt, verschiedene Gerichte gleichzeitig zu bestellen und zu teilen, wie es in Thailand üblich ist. Der Blick in die ausgefallene Karte lässt schon erahnen: Es ergibt wenig Sinn, sich nur einen Gang zu bestellen und dann ständig neidisch und neugierig auf den Teller des Nebenmanns zu schielen. Beim "Full banquet"-Menü (56 Euro für zwei Personen, 79 für vier) ist von allem etwas dabei - einzelne Gerichte kosten zwischen vier Euro (eine Auster) und 16 Euro (Lammgericht).

Den Anfang machen zweierlei wilde Watt-Austern: einmal roh mit Limette und Dill, einmal auf dem Grill geröstet mit Nam Jim, einer Sauce aus grünen Chilis und Koriander. Ein buttrig-zitroniger Bissen mit feinem Raucharoma - der perfekte Start ins Menü. Eine Aperitif-Alternative ist der "Bangkok Wan", ein fruchtig herber Cocktail aus Zitronengras-Wodka, Litschi-Saft, Ingwer, grünem Pfeffer und Prosecco.

Weiter geht es mit einem frischen, würzigen Papayasalat mit Bohnen und Tomaten, ein guter Gegenspieler zum Schweinebauch-Huang Lay. Das ist ein herrlich dunkles Curry, geschmort mit ganzen Knoblauchzehen, Mandeln, Erdnüssen und getrockneten Chilischoten, dazu kommt ein leicht süßer, klebriger Reis im Bastkörbchen. Scharf hingegen ist das gegrillte Lamm mit Korianderwurzel, Chili und Honig. Alles ist schnörkellos angerichtet auf kleinen, mit Bananenblättern ausgelegten Silberplatten. Eher ungewöhnlich für die Thai-Küche sind die großzügigen Mengen an Koriander und Minze, für die man angesichts der Schärfe jedoch ausnahmsweise dankbar ist. Highlight des Tellerpotpourris ist das Hühnchen, mariniert in einer Sauce aus Zitronengras, wildem Ingwer und Tamarinde. Gnädigerweise erfragt der Kellner vorher den gewünschten Schärfegrad, denn sensible Gaumen sind mit maximal "medium" gut beraten. Wäre es doch schade, wenn man das zarte, vom Knochen fallende, umami-würzige Fleisch wegen eines brennenden Mundes gar nicht schmecken würde.

Alle Gerichte sind Ergebnisse jahrelanger Recherche, denn Lambert und Chien waren nicht von Haus aus mit thailändischen Rezepten vertraut. Vielmehr haben sie sich auf Reisen in diese unprätentiöse, aber durchaus aufwendige Küche verliebt. Jetzt zaubern sie voller Ehrgeiz Gerichte, wie man sie sonst nur in den Garküchen im Nordosten Thailands bekommt.

Das Khwan ist nur von Mittwoch bis Samstag geöffnet, den Rest der Woche wird mariniert, experimentiert und vorbereitet - die Miso-Rippchen vom Schwein von der Schwäbischen Alb zum Beispiel werden sieben Tage lang fermentiert, um ihre zarte Konsistenz und ihren würzigen Geschmack zu entwickeln. Nur wer kein Fleisch isst, wird hier vermutlich nicht glücklich, denn selbst an der gerösteten Aubergine ist Garnelenpulver. Zwar macht die Küche Zugeständnisse und bereitet für Gäste, die sich mit diesem Wunsch vorher anmelden, auch einen speziellen Gemüsegang zu, aber im Großen und Ganzen dürften sich Vegetarier im Khwan fühlen wie Klassikliebhaber auf einem Punkkonzert. Wenn auch auf einem extrem guten.

In einem Satz

Auch wenn keine Thais am Herd stehen, gibt es hier authentische, spannende Thai-Küche zu guten Drinks in gemütlicher Atmosphäre.

Qualität: ●●●●●

Ambiente: ●●●●○

Service: ●●●●○

Preis/Leistung: ●●●●●

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