FC Bayern:Wein darf sein

Pep Guardiola süffelt bei der Double-Feier Weißwein auf dem Münchner Rathausbalkon. Geht gar nicht? Geht sehr wohl! Eine Stilkritik.

Von Felicitas Kock

Allein wie er das Glas hält. Dieser zierliche Mann aus Spanien. Zwei Finger sanft um den Stiel gelegt, der Daumen gibt die nötige Stabilität. Fast sieht es aus, als würde er den Tropfen in der Sonne prüfen: Ist dieser Wein einem Double-Sieger angemessen? Korkt da was?

Nein, da korkt nichts. Und auch sonst ist die Welt in Ordnung, obwohl oder gerade weil Pep Guardiola den Erfolg der Bayern auf dem Münchner Rathausbalkon mit Weißwein begossen hat.

Alkohol ist ja eine höchst ansteckende Sache. Das merkt jeder, der wegen Medikamentenkonsum, Schwangerschaft oder zum Wohl der Leber (Prost, Wasser!) mal eine Zeit abstinent war. Wenn die Runde zehn Helle bestellt, fühlt sich "eine Apfelschorle" irgendwie falsch an. Obwohl es aus gesundheitlicher Sicht die einzig richtige Entscheidung ist. Und auch "ein doppelter Bourbon" wirkt schnell unpassend, wenn alle anderen Leichteres konsumieren. Weil man sich in der Regel auf eine Art Getränk einigt - so wie man sich auf den angestrebten Verlauf des Abends einigt. Soll es eher ein Schorle-Treff, ein Bier-Gezeche oder eine Gin-Tonic-Nacht werden? Die meisten schwimmen einfach mit, im sozialen Alkoholstrom. "Holst' dir ein Bier? Bringst' mir eins mit?" So läuft das. Wer dagegen anrudert, aus welchen Gründen auch immer, muss stark sein und frei von jeder Form des Anbiederns.

Der FC Bayern ist schon durch Sponsorenverträge alkoholisch gebunden. Öffentliche Duschen werden aus dem Drei-Liter-Pokal der Brauerei Paulaner genommen. Bei der Party auf dem Rathausbalkon stehen mindestens zwei dirndltragende Damen mit solchen Riesengläsern, um auch dem letzten Dortmunder zu zeigen, dass hier mal wieder Bayern feiern. Fußballer überschütten sich mit Bier, Formel-1-Fahrer spritzen mit Champagner, das sind die Regeln des Sports.

Wenn nun aber Pep Guardiola bei der Bayern-Double-Feier ein Weinglas in die Höhe reckt und dabei so ganz unbayerisch aussieht, viel zu graziös und edel und ganz offen dekadent, wenn er sich entschlossen hat, aus dem Biergelage einen Wein-Empfang zu machen, dann ist das eine ungewohnte, aber keine unschöne Geste.

Ein Pep muss sich nicht anbiedern. Nicht in den vergangenen drei Jahren und nicht jetzt, nach den Titeln und den Tränen vom Samstagabend. Dass er Wein lieber mag als Bier, hat er immer gesagt. Auch, dass er am Abend vor den Spielen immer Riesling trinkt. Und wie er so dasteht mit seinem erhobenen Weinglas und mit anderen Leuten spricht, während Karl-Heinz Rummenigge ein Loblied auf ihn singt, wirkt er nicht nur eleganter als das mit einem Bierglas je möglich wäre, sondern geradezu mariannenhaft befreit. Darauf kein Prosit. Sondern ein Chin-chin!

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