Essen und Trinken:Wie salzt man richtig?

Essen und Trinken: Salzen: Eine der niedrigschwelligsten Küchenhandlungen überhaupt. Und eine mit den meisten Fehlerquellen.

Salzen: Eine der niedrigschwelligsten Küchenhandlungen überhaupt. Und eine mit den meisten Fehlerquellen.

(Foto: mauritius images)

Am Grill wie am Herd wird darüber leidenschaftlich gestritten, und selbst Profiköche wissen es manchmal nicht. Eine Anleitung in sechs Schritten.

Von Josef Wirnshofer

Die Grillsaison hat begonnen, und wo immer Menschen dieser Tage ein Kotelett oder ein Filet auf den Rost werfen, wird eine Frage wichtig, die man sich auch während des restlichen Jahres am Herd viel zu selten stellt: Wie salzt man eigentlich richtig? Das ist weniger banal, als es klingt. Denn wenn es so einfach ist, warum gibt es dann so viel zu diskutieren? Meer- oder Steinsalz? Welche Sorte? Viel oder wenig? Vorher oder nachher salzen? Mit oder ohne Salz marinieren? Einigen kann man sich am Ende nur auf eines: Keiner weiß es wirklich. Mit dem Salzen verhält es sich ja wie mit dem Brustschwimmen oder dem Lesen der Uhr: Man lernt es früh und denkt später nicht mehr darüber nach. Es ist also eine der niedrigschwelligsten Küchenhandlungen überhaupt. Und eine mit den meisten Fehlerquellen. Wir haben deshalb Köche und Wissenschaftler gefragt, was man beachten sollte.

Welches Salz gehört in die Küche?

Am Anfang steht, wie so oft, die Überforderung. Und für die reicht im gut sortierten Lebensmittelhandel heute schon der Blick ins Regal: Meer- und Steinsalze von allen Kontinenten. Dazu Spezialsorten, bei denen sich die Frage stellt: Kocht man damit oder ist das eher fürs Prestige? Schwarzes Lavasalz aus Hawaii. Oder das pyramidenförmige Maldon Sea Salt, auf das manche Fleischliebhaber ebenso schwören wie andere auf Kala Namak, ein Himalajasalz aus Indien. Was aber braucht man wirklich? "Eigentlich ist es sehr einfach, daheim reichen drei verschiedene Salze", sagt Ingo Holland, Spitzenkoch, Gewürzmüller und Verfasser eines Standardwerks zum Thema ("Salz", Tre-Torri-Verlag). Zum Abschmecken ist gemahlenes Stein- oder Meersalz unverzichtbar. Wichtiger als die Sorte ist aber die feine Mahlung, damit es sich schnell auflöst und verteilt. So merkt der Koch sofort, ob eine Sauce oder ein Ragout ausreichend gesalzen ist. Auch kleine Fleischstücke wie Schnitzel oder Kalbsmedaillons würzt man mit feinem Salz, da es sich dünn auftragen lässt. Zweitens sollte grobes Meersalz in der Küche stehen. "Das kauft man am besten in Gebinden von mehreren Kilo", sagt Holland, "so zahlt man nicht jedes Mal die Verpackung für ein paar Hundert Gramm mit." Grobes Meersalz eignet sich, um Wasser für Nudeln zu salzen oder für blanchiertes Gemüse. Auch große Steaks oder Bratenstücke lassen sich damit würzen. Zuletzt empfiehlt Ingo Holland ein hochwertiges "Fingersalz", das man zum Schluss auf Fleisch oder Fisch gibt. Fleur de Sel etwa, die flockige Salzschicht, die sich durch Sonneneinstrahlung auf Meerwasser bildet und vorsichtig abgetragen wird. "Das schmeckt nicht anders als normales Meersalz, aber durch die Textur entsteht ein knuspriger Effekt, zum Beispiel auf einer Scheibe Roastbeef."

Natürlich oder raffiniert?

Wer Köche danach fragt, wie man die Qualität eines Salzes beurteilt, bekommt stets den gleichen Rat: probieren, schmecken. Es gibt aber auch eine ganz konkrete Regel: Auf raffinierte Salze sollte man verzichten. Hierzulande sind das meist Steinsalze, die in kleinen Kartons günstig verkauft und mit einem hohen Jod- und Fluorgehalt beworben werden. Das Problem? "Beim Raffinieren wird dem Salz alles entzogen, was nicht Natriumchlorid ist", sagt Thomas Vilgis. Der Professor für Theoretische Physik an der Universität Mainz leitet auch die "Foodforschungsgruppe" am Max-Planck-Institut für Polymerforschung. Ein raffiniertes Salz, sagt Vilgis, schmecke nur salzig, das tauge höchstens für Nudelwasser. Alle anderen Geschmäcker, die durch Mineralstoffe enthalten waren, sind getilgt. Ingo Holland sieht vor allem auch die sogenannten Rieselhilfen als Problem, mit denen raffinierte Salze versetzt sind. Sie schmecken bitter und lassen das Salz unangenehm wirken. Überhaupt müsse man skeptisch sein, wenn bei einem Naturprodukt wie Salz Zusatzstoffe auf der Verpackung genannt sind, findet Holland.

Wann salzt man ein Essen?

Eine der bekanntesten Küchenweisheiten geht so: Fleisch nicht vor dem Garen salzen! Weil Salz hygroskopisch wirkt, also Wasser bindet, fürchten viele, es entziehe vor dem Braten so viel Saft, dass das Fleisch hinterher trocken wird. "Das ist so aber nicht richtig", sagt Ingo Holland. Es kommt auf den Einzelfall an. Trocken werde Fleisch zum Beispiel, wenn ein Steak über Tage vakuumiert in gesalzener Marinade lagert. Hilfreich dagegen: ein Roastbeef oder einen Braten mit grobem Meersalz würzen und 30 bis 45 Minuten vor dem Garen stehen lassen. "Dadurch wird etwas Flüssigkeit aus Wasser und Proteinen entzogen, die dann Gewürze beim Anbraten besser und gleichmäßig an das Fleisch bindet." Anders ist es bei Dry Aged Beef, sagt Thomas Vilgis: "Das hat durch das Reifen ohnehin einen geringeren Wassergehalt und bringt schon so viel Geschmack mit - Umami, Aromen -, dass es reicht, auf dem Teller ein paar Salzflocken darüber zu streuen." Auch frischer Fisch braucht vorab wenig bis kein Salz. Gerade das Fleisch von Meeresfischen verfügt bereits über eine gewisse Salzbasis. Außerdem enthält es relativ viel Wasser. "Salzt man ein Fischfilet vorher zu stark, wird dieses Wasser rausgepresst, die Temperatur in der Pfanne sinkt und Sie bekommen keine vernünftige Bräunung mehr hin", sagt Vilgis. Bei Soßen und Fonds lässt sich übrigens sehr einfach definieren, wann gesalzen wird: ganz am Schluss. Dadurch kann man den Salzgehalt steuern. Salzt man schon den Ansatz und reduziert dann erst, sind Soße und Fond am Ende oft versalzen. Auch Spinat und Pilze sollte man erst spät salzen. Dann nämlich, wenn sie in der Pfanne zusammengefallen sind. Vorher würde das Salz Wasser ziehen und dazu führen, dass das Gemüse kocht statt zu braten.

Wie salzt man Gemüse?

"Viele Gemüse enthalten aufgrund des Pflanzenstoffwechsels schon Salze, die man durch eine entsprechende Zubereitung fördern kann", sagt Thomas Vilgis. Der Eigengeschmack von Kohlrabi, Brokkoli oder Spargel kommt deshalb intensiver durch, wenn man am Salz spart. Was wäre also eine entsprechende Zubereitung? "Nicht in einer wasserreichen Umgebung garen, sondern in einer fettreichen - denn Salz mag kein Fett und bleibt deshalb lieber im Gemüse." Bedeutet ganz aktuell: den Spargel in Butter braten, statt ihn zu blanchieren, wodurch die Salze in den Stangen ausgeschwemmt würden. Ist die Butter leicht gesalzen, braucht es hinterher kein zusätzliches Salz mehr. Es reicht etwas Koriander und Limettensaft, um daraus einen lauwarmen Spargelsalat zu machen. Gemüse wie die Gartenbohne wiederum muss man blanchieren. Hierbei kommt man dem Mineralienverlust entgegen, indem man das Kochwasser großzügig salzt. Fünfzehn Gramm pro Liter, empfiehlt Ingo Holland, "da sollte aber jeder seinem eigenen Geschmackssinn vertrauen, statt das Salz nach Gramm abzuwiegen."

Wie salzt man ohne Salz?

Manchmal kann man auch salzen, ohne ein Körnchen Salz einzusetzen. "Kräuter enthalten auch Mineralien", sagt Thomas Bühner, dessen Restaurant "La Vie" in Osnabrück mit drei Michelin-Sternen ausgezeichnet ist. Er empfiehlt, ein Kalbsfilet mal in gehacktem Kerbel, Estragon, Pimpinelle, Petersilie und Schnittlauch zu wälzen. "Da reicht schon die natürliche Würze der Kräuter, um das Fleisch salzig wirken zu lassen." Wer möchte, kann aus Sojasauce oder der Tinte vom Tintenfisch (beim Fischhändler vorbestellen) auch sein eigenes Salz herstellen. "Dazu gießen Sie die Flüssigkeit auf ein Backblech mit Backpapier und lassen sie bei 70 Grad im Backofen trocknen", sagt Bühner. Hinterher die getrocknete Schicht nur noch im Mörser mahlen. Das Tintenfisch-Salz passt zum Beispiel gut zu Fischgerichten. Genauso lässt sich Salz nutzen, das in Lebensmitteln bereits verarbeitet wurde. Sardellen etwa geben einer Tomatensoße ausreichend Würze. Auch Käse taugt als Salzersatz. Wenn man ein weich gekochtes Ei mit Parmesan oder Gruyère bestreut, schmeckt es nicht nur salzig, sondern auch komplexer.

Welche Rolle spielt die Körnung?

Es lohnt, nicht nur darüber nachzudenken, welches Salz man einsetzt und wann, sondern auch darüber, welche Form das Salz hat. "Salz schmeckt erst, wenn es sich im Mund auflöst", sagt Thomas Vilgis. Diesen Umstand kann man nutzen, etwa mit ein paar Körnern Fleur de Sel auf einer Tranche Fisch oder Fleisch. Der Effekt ist nicht nur wegen des kurzen Crunches im Mund gut; sind sie ein wenig ungleichmäßig auf der Tranche verteilt, dann sorgen sie auch für geschmackliche Abwechslung, sagt Vilgis: "Wenn sich so ein Korn im Mund auflöst, schmeckt man einzelne Salzspitzen, was den Geschmack stärker moduliert, als wenn man das Salz gleichmäßig verteilt." Um Soßen oder Suppen nachzuwürzen, eignet sich dagegen eine Salzsole. "Wenn Sie in eine kalte Salatsoße grobes Meersalz geben, löst sich das sehr spät auf", sagt Ingo Holland, "mit einer flüssigen Sole lässt sich aber geschmacklich schnell nachjustieren." Dazu befüllt man ein Einmachglas zur Hälfte mit walnussgroßen Steinsalzbrocken und gießt mit Wasser auf. Dann verschließen und stehen lassen. Nach einer Woche ist die Sole fertig - und durch den hohen Salzgehalt von mindestens 26 Prozent beliebig lange haltbar.

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