Essay:Frau zeigt Flagge

Die Protestkultur hat sich Ästhetik und Marketing bei der Mode abgeschaut. Das macht die Märsche gegen Trump so plakativ. Schön und gut - wenn das nur nicht alles bleibt.

Von Julia Werner und Dennis Braatz

Es ist ein Meer aus Plakaten, mit denen die Frauen in ihren bunten Kostümen übers Pflaster stöckeln. Manche schmettern ihre Parolen auch ins Megafon: "Ladies First" oder "History is her story!" Im Hintergrund läuft Chaka Khans Song "I'm Every Woman". Oh nein, wir sind hier nicht in Washington. Sondern im Pariser Grand Palais. Dies war das Finale von Chanels Modenschau im September 2014. Botschaft: Seid feministisch, aber bitte feminin!

Zweieinhalb Jahre später wird Donald Trump als US-Präsident vereidigt - ein Mann, der sich mal damit gebrüstet hat, dass einer wie er Frauen einfach so begrapschen kann. "Wenn du ein Star bist, lassen sie dich. Du kannst alles machen. Ihnen an die Muschi fassen. Alles." Millionen Menschen auf der ganzen Welt sind auch deshalb am vergangenen Samstag auf die Straße gegangen, und das Verblüffende dabei war: Auf den ersten Blick waren die Märsche der Chanel-Show nicht unähnlich. Die moderne Protestkultur bedient sich tatsächlich bei der Mode, sie übernimmt ihre Ästhetik, ihre Verbreitungskanäle und nicht zuletzt auch ihre Verkaufsstrategien.

Es ist cool, feministisch zu sein. Und noch cooler, dabei gut auszusehen

Es geht bei den Plakaten los. In allen Regenbogenfarben wurden sie bemalt und mit Illu-Optiken versehen, die man sonst in Hochglanz-Magazinen findet. Die wortwitzigsten Sprüche waren da notiert: "Same Shit, Different Century" (Gleiche Scheiße, anderes Jahrhundert) oder "Melania, blink twice if you need help!" (Zweimal blinzeln, wenn du Hilfe brauchst!) Und natürlich "Pussy grabs back" (Muschi grapscht zurück), als Antwort auf das Trump-Zitat. Am Tag darauf schmückten die schönsten und kreativsten Plakate die Online-Bildergalerien von New York Times bis Vogue. Die Outfits der Demonstrantinnen werden seitdem rauf und runter bewertet. Auf den Streetstyle-Fotos und Selfies, die das Netz fluten, tragen die Frauen nur kein Chanel. Das neue It-Accessoire ist der pinkfarbene Pussy Hat.

Die Strickanleitungen konnte man im Vorfeld im Internet herunterladen, inzwischen gibt es die Mütze auch fix und fertig bei Amazon. Es werden "Women's March"-Hoodies und T-Shirts angeboten, selbst für die Nachwuchsfeministen, also die Kinder, die man jetzt zur Demo mitnimmt. Für Erwachsene sind die Vagina-Ketten der Designerin Emily Fitzgerald schon ausverkauft. Und in Paris, wo gerade die Couture-Woche zu Ende ging, trug das Publikum auffällig oft ein Motto-Shirt von Dior: "We should all be feminists". Ob Maria Grazia Chiuri, Diors erste Chefdesignerin, das alles irgendwie hat kommen sehen oder mit dem Shirt nur ihre eigene Beförderung feiern wollte, ist da auch schon egal.

Chanel : Runway - Paris Fashion Week Womenswear Spring/Summer 2015

Karl Lagerfeld inszeniert eine Chanel-Show im September 2014 als feministische Demonstration.

(Foto: WireImage/Getty Antonio de Moraes Barros Filho/Getty Images)

Fest steht: Feminismus liegt im Trend. Cooler, als Teil dieser Bewegung zu sein, ist eigentlich nur, dabei auch noch gut auszusehen. Was natürlich nicht heißen soll, dass unter den Millionen Demonstranten am Wochenende nicht auch jene waren, die seit Jahrzehnten für die Rechte von Frauen kämpfen.

Dass sich Protestbewegungen über textile Codes definieren, ist an sich nichts Neues. Anfang des 20. Jahrhunderts wählten die Suffragetten, die für das Wahlrecht der Frauen kämpften, Violett, Weiß und Grün als ihre Symbolfarben. Violett für Würde, Weiß für Reinheit, Grün für die Hoffnung. Sie betrieben auch schon Merchandising, verkauften etwa Flaggen und Broschen. Die Hippies, die in den Sechzigern für den Frieden auf die Straße gingen, trugen Army-Parka, Peace-Zeichen und lange Haare, alles Anti-Statements zum angepassten Bürgertum. Und als sich vergangenes Jahr in Polen Tausende Frauen gegen ein mögliches Abtreibungsverbot stark machten - erfolgreich - taten sie dies in Schwarz.

Die Vorteile von Demo-Dresscodes liegen auf der Hand, sie schaffen ein Gefühl von Zusammenhalt und illustrieren die jeweilige Botschaft. Jahrzehntelang hat die Mode vorgemacht, wie so etwas funktioniert: Mit einer ganz bestimmten Tasche oder der richtigen Kleidform konnte sich die Kundschaft die Zugehörigkeit zu einer coolen Gruppe regelrecht erkaufen. Seit die Social-Media-Kanäle voll sind mit Modemomenten, seit alle mitmachen können, alles darf und nichts mehr muss, verliert die Mode aber an identitätsstiftender Kraft. Sie ist mehr und mehr nur noch eine laue Pose.

So lief bei den Anti-Trump-Demos dann auch die Stil-Elite auf, völlig elektrisiert davon, endlich mal wieder eine Botschaft zu haben. Madonna war mit Pussy Hat dabei, wenn auch in Schwarz. Pink hätte nämlich einfach nicht so gut ausgesehen. Jane Fonda, Katy Perry und Charlize Theron waren dabei und Modebranchenstars wie die Bloggerin Leandra Medine oder der Autor Derek Blasberg.

Und natürlich kann man jetzt sagen: Das waren doch bloß die Vertreter des "Marketplace Feminisim", des Marktplatz-Feminismus! Diesen Begriff hat die amerikanische Journalistin Andi Zeisler kreiert. In ihrem Buch "We Were Feminists Once: From Riot Grrrl to CoverGirl®" wirft sie Stars wie Beyoncé und Miley Cyrus vor, die Frauenpower geschäftstüchtig auf der Bühne zu inszenieren. Auch Lena Dunham muss man dazuzählen, die Erfinderin der Kultserie "Girls", das New Yorker It-Girl mit Cellulitis an den Oberschenkeln, die gerade auf dem Cover der amerikanischen Glamour posierte (auf dem Titel der Vogue war sie schon). Frauen wie sie stehen nicht nur wegen der guten Sache für den Feminismus ein. Sie verdienen auch Geld damit.

Essay: Seit Wochen finden Demos gegen Donald Trump statt, wie hier im Dezember in Portland, Oregon.

Seit Wochen finden Demos gegen Donald Trump statt, wie hier im Dezember in Portland, Oregon.

(Foto: Diego G Diaz/Shutterstock)

Wie vielversprechend das Geschäft inzwischen ist, hat das Topmodel Cara Delevingne vorgeführt. 2015 trug sie mal ein Sweatshirt mit dem Slogan "The Future is Female"; das Teil war eine Koproduktion des kleinen Labels Otherwild mit der Feministin Liza Cowan. Delevingne bekam für das Sweatshirt so viel Zuspruch, dass sie kurz darauf bekannt gab, eine eigene "The Future is Female"-Kollektion verkaufen zu wollen. Otherwild und Cowan wehrten sich vergeblich. Inzwischen verkaufen unzählige Kleinstanbieter Bleistifte, Kaffeetassen oder Handyhüllen mit dem Slogan.

So betrachtet scheint der Women's March nur der vorläufige Höhepunkt einer Stilbewegung zu sein, die sich seit Lagerfelds Fake-Demo auf dem Pariser Laufsteg formiert hat. Die Frage nach der großen Party lautet deshalb: Was tun, damit der Feminisimus nicht weiter ausgehöhlt wird und am Ende so unverbindlich ist wie die Mode? Wie lässt sich diese weibliche Kollektivkraft nutzen?

Auf Womensmarch.com gibt es bereits eine Liste der Aktionen für die nächsten hundert Tage Trump. In der euphorischen Nachbereitung des Events auf Instagram werden aber nicht sie geteilt, sondern immer noch die lustigen Plakate und Helikopter-Fotos der Menschenmassen. Dass Donald Trump die amerikanische Unterstützung von Organisationen, die Frauen in armen Ländern in Abtreibungsfragen beraten, für illegal erklärt hat: Von den Pussy-Hat-Feministinnen wurde das während der letzten Tage längst nicht so eifrig diskutiert wie das Stewardessen-Kostüm der neuen First Lady oder die lässigsten Motto-Shirts. Das kann es natürlich nicht sein.

Ein vermarkteter Feminismus ist immer noch besser als gar kein Feminismus

Ganz falsch wäre aber, im Umkehrschluss nun das Motto-Shirt zu verdammen, weil es das Übel eher illustriert, als wirklich anpackt und der Hersteller auch noch Geld damit verdient. Pragmatisch betrachtet ist es nämlich so: Das Shirt muss getragen werden, weil gut vermarkteter Feminismus für die Welt immer noch besser ist als gar keiner. Und gerade in Zeiten von Fake News und der lähmenden Tatsache, dass soziale Medien Wahlergebnisse beeinflussen können, ist es ein erhebendes Gefühl, einen Donald Trump zur Amtseinführung einmal im Internet, also auf seinem eigenen Terrain zu schlagen.

Der neuen Frauenbewegung darf nur nicht das Gleiche passieren wie der zu Tode gehypten It-Bag: Sie darf kein Accessoire werden, mit dem man sich eben mal schmückt. Sie muss ein einziger großer "Sistermarch" bleiben (einer der wichtigsten Hashtags vom Samstag). Oder wie die Frauenrechtlerin Gloria Steinem in ihrer Rede sagte: "Gott steckt vielleicht in den Details, aber in der Verbindung steckt die Göttin." Sollte auch dieser Satz seinen Weg auf ein T-Shirt finden, muss man zugeben: Es haben schon blödere Sprüche auf Brüsten gestanden.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: