Elblotsen-Mütze:Was Schmidts Kopfbedeckung ausmacht

SCHMIDT HONECKER

Erich Honecker und Helmut Schmidt: Repräsentanten zweier grundverschiedener Systeme und Kopfbedeckungen

(Foto: AP)

Der Altkanzler kaufte das Modell "Elblotse" im Laden von Lars Küntzel. Der erklärt, warum die Mütze so gut sitzt.

Von Oliver Klasen

Etwa alle drei bis vier Jahre, vermutlich dann, wenn das alte Stück abgetragen war, kam der Kunde und verlangte eine neue Elblotsen-Mütze. Klassisch aus blauem Tuch, so wie die Lotsen auf der Elbe sie Ende des 19. Jahrhunderts getragen hatten. Lars Küntzel, von Beruf Mützenmacher, hat diesen Kunden - sein berühmtester übrigens - zwar nie persönlich beraten. Küntzel war nie selbst zugegen in seinem Mützengeschäft in der Hamburger Innenstadt, als er erschien. Doch über das bevorzugte Modell weiß er eine ganze Menge zu berichten.

Der berühmte Kunde hieß Helmut Schmidt, Krisenmanager und Welterklärer, nebenbei Innensenator in Hamburg, Fraktionschef, Minister und Bundeskanzler in Bonn, später Zeit-Herausgeber, wieder in Hamburg. Jetzt ist Schmidt gestorben - "der Lotse geht von Bord", wie einige Medien schreiben - und alle fragen sich, was wird von ihm bleiben. Klar, es gibt die wuchtigen Bilder, die sich eingebrannt haben in das kollektive Gedächtnis der Deutschen. Schmidt, als er in einer Fernsehansprache auch gezielt die RAF-Terroristen anspricht. Schmidt, als er in der Elefantenrunde, eingehüllt in Rauch, Franz Josef Strauß abkanzelt. Schmidt, als er nach seinem Sturz Kohl im Bundestag gratuliert.

Aber so wie die Zuschauer der Tagesschau oft eher auf die Kleidung der Sprecher achten als auf den Inhalt, sind es für Menschen, die sich nicht so sehr für Politik interessieren, vielleicht auch die kleinen Dinge, die Marotten, Gewohnheiten und modischen Eigenheiten Schmidts, die bleiben werden. Wie eben die Elblotsenmütze, die er beim Segeln auf dem Brahmsee in Holstein trug, wo er oft Urlaub machte, und manchmal auch bei offiziellen Anlässen.

72,50 Euro kostet die Schmidt-Kopfbedeckung

Küntzel muss sich nicht verstellen, man nimmt ihm am Telefon ab, dass er ein Hamburger Traditionsgeschäft führt, mit Mützen, deren Schnitte alle "mindestens 120 Jahre alt sind". Er verkaufe alles "von der Strickmütze bis zum Zylinder, aber mehr so die klassische Schiene", sagt er, als er später zurückruft.

Die Elblotsenmütze habe stets einen "sehr hohen Rand, einen guten Halt am Kopf und biete wenig Windwiderstand", sagt Küntzel. Der Grund dafür ist einleuchtend: "Wenn die Elblotsen per Jakobsleiter an Bord klettern mussten, hatten sie keine Hand frei, um die Mütze festzuhalten". 72,50 Euro muss man ausgeben, wenn man eine solche Mütze haben will. "Die gängigen Größen haben wir da", sagt Küntzel. Falls jemand eine ungewöhnliche Größe oder vielleicht eine Mütze aus Kaschmir statt des üblichen Marinetuchs verlangt, ist das auch kein Problem. Hinter dem Laden befindet sich eine Werkstatt, in der Küntzel auf alten Pfaff-Nähmaschinen handgefertigte Stücke herstellt.

Lieber bürgerlich-hanseatisch als adelig-gönnerhaft

Die Schmidtsche Mütze - der Elblotse - wird oft mit der Prinz-Heinrich-Mütze verwechselt, einer Yachtclub-Mütze, benannt nach Großadmiral Prinz Heinrich von Preußen, dem jüngeren Bruder von Kaiser Wilhelm II. Die Unterschiede zwischen beiden Modellen - minimale Abweichungen in punkto Mützensteg und Mützendeckel - können nur Fachleute erkennen. Aber eine bürgerlich-hanseatische Lotsenmütze passt natürlich auch besser als eine adelig-gönnerhafte Prinzenmütze zu einem Mann, der sich immer als "Macher" verstanden hat, als jemand, der den Überblick behält und die wichtigen Entscheidungen trifft.

Für Schmidt, der schon bei Küntzels Vorgänger Claus Eisenberg kaufte, lag das Mützengeschäft ideal. Nebenan war sein Stammfrisör, "da hab ich ihn öfter reingehen sehen", sagt Küntzel. Und es waren nur 200 Meter zum Speersort, dem Sitz der Zeit-Redaktion, wo Schmidt bis kurz vor seinem Tod drei- bis viermal in der Woche erschien, um in seinem Büro zu denken, zu lesen und zu schreiben oder freitags um zwölf an der Konferenz des Politik-Ressorts teilzunehmen.

Die Elblotsen-Mütze ist nicht die am Besten laufende Mütze in Küntzels Programm, sie wird nur recht selten verlangt. "Aber ich denke mal, die wird sich halten, nech", sagt Küntzel. Möglicherweise untertreibt er da ein bisschen.

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