Eis am Stiel:Flutschfinger, Capri und Co.

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Vor 110 Jahren entdeckte ein Junge in San Francisco per Zufall das Stieleis - heute ist es gefrorene Popkultur. Eine Stiel-Kritik.

Von Tarek J. Schakib-Ekbatan

Es war kalt an diesem Abend in San Francisco, damals, vor genau 110 Jahren, und Frank Epperson, elf Jahre alt, war wohl abgelenkt. Er hatte seine Limonade gerade frisch zubereitet: Brausepulver, Wasser und ein Stäbchen zum Umrühren. Er stellte den Behälter zum Abkühlen auf die Fensterbank, und dann: vergaß er ihn. Erst am nächsten Morgen kam ihm seine Limonade wieder in den Sinn, die sich jetzt gefroren um den Stiel krallte. Bei Zimmertemperatur ließ sich der Ballen langsam heraus schälen - und war schleckbar.

Doch erst im Jahr 1923 meldete Epperson das Patent an. Er hatte zu diesem Zeitpunkt bereits selbst Kinder, und Kühlschränke mit Tiefkühlfach waren keine Seltenheit mehr in amerikanischen Haushalten. Also ideale Voraussetzungen für den "Popsicle" - so der Name, den Epperson seiner Erfindung gab. "Pop", ein anderes Wort für Limonade, und "sicle", eine spielerische Abwandlung des Wortes "icicle", was "Eiszapfen" bedeutet. Leider hatte ein gewisser Harry B. Burt sein Patent für Stieleis bereits ein Jahr früher als Epperson angemeldet. Nur: Bei Burt war es Vanilleeis mit Holzstäbchen in der Mitte - und nicht gefrorene Limonade. Auf die Idee mit dem Stäbchen war Burt erst viel später gekommen als Epperson, so dass man sagen muss: Frank Epperson aus San Francisco ist der eigentliche Erfinder des Stieleises.

Heute sind Stieleise gefrorene Popkultur. Immer aktuell und für viele gleichzeitig ein nostalgisches Vehikel zurück in die Kindheit. Eine Milliarde Stück essen die Deutschen pro Jahr. Wenn man der Frage nachgehen möchte, wie das Stieleis aus den USA in deutsche Tiefkühlfächer kam, landet man bei Theo Schöller: Er hatte Stieleis zum ersten Mal im Varieté Scala in Berlin während einer Konzertpause geschleckt und sich sofort verliebt. Und sich daraufhin vergenommen, es in Deutschland zu vermarkten. Am 18. Juni 1937 zog Schöller in Nürnberg eigenhändig sein erstes Stieleis aus der Gefrierform. Es war der Tag seines 20. Geburtstags, seine Familie applaudierte. Das Eis wurde dann auch von seinen etwa 20 Mitarbeitern in Handarbeit hergestellt. Allerdings unter der Lizenz des Münchner Unternehmens Jopa; erst in den Sechzigerjahren vertrieb er es unter eigenem Firmenlogo.

Längst wird das Stieleis nicht mehr von Fahrradkurieren in Thermosflaschen ausgefahren, sondern lässt sich bequem aus der Truhe angeln. Und auch das Sortiment ist größer als früher. Damals gab es nur eine Wahl: die zwischen rund und eckig.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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