Einrichtung:Kleinstaat Kinderzimmer

Ein Kinderzimmer geschmackvoll einzurichten ist gar nicht so einfach. Und wie viel sollen die Eltern dabei mitreden? Fünf Designexperten erzählen, wie sie die Räume ihrer Söhne und Töchter gestalten.

Protokolle von Jenny Hoch

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Quelle: SZ

Ehrlich gesagt, vieles von dem, was sich Erwachsene heute als teure Designermöbel in die Wohnung stellen, sieht eigentlich so aus, als wäre es für Kinder entworfen: Die ikonischen Plastikstühle von Kartell zum Beispiel, bonbonbunte Sofalandschaften von Patricia Urquiola oder auch das halbe Alessi-Sortiment für die Küche.

Sucht man hingegen ausgewiesene Einrichtung für den Nachwuchs, dann landet man vermutlich eher nicht in den geschmackvollen Designgeschäften und Manufakturen, sondern in den Möbelkaufhäusern an der Autobahnauffahrt. Was dort als Einrichtung in der "Erlebniswelt Kinderzimmer" aufgebaut ist, ist meistens den drei P zuzuordnen: Praktisch, Preisgünstig, Pressspan. Das Argument dafür kann man sich denken: Kinder legen keinen Wert auf Designernamen und stilistischen Schnickschnack und außerdem ist das Zeug in zwei Jahren sowieso entweder zu klein oder kaputtgespielt.

Hat Ästhetik und Design im Kinderzimmer also keinen Platz? Wir haben für diese Seite fünf Eltern versammelt, die sich beruflich mit gutem Geschmack und Stil beschäftigen und sie gefragt: Wie sieht es eigentlich bei Ihnen im Kinderzimmer aus? Ist da auch alles so schick?

Nada Lottermann: Raum für Geschichte

"Ich bin als Fotografin und Stylistin ein Augenmensch, natürlich ist es mir wichtig, wie das Zimmer aussieht, das sich meine Töchter Lila, 11, und Juli, 8, teilen. Ich mag es modern, aber nicht clean. Die Einrichtung soll eine Geschichte haben und nicht leblos wirken wie im Katalog bestellt. Im Zweifel ärgert man sich nur, wenn man etwas Teures gekauft hat und sie kritzeln alles mit Filzstiften voll. Obwohl es natürlich viele besondere und coole Möbel für Kinder gibt, hier in Frankfurt zum Beispiel von Morgen Interiors. Da musste mich mein Mann bremsen. Das Erste, was ich für das Kinderzimmer ausgesucht habe, war die Wandfarbe: bewusst kein Rosa, sondern einen verwaschenen Mauve-Ton. Dann kamen schlichte weiße Betten dazu, ein alter Bauernschrank und ein riesiger Perserteppich, den ich günstig auf Ebay ersteigert habe. Eine Einrichtung muss wachsen, ich bringe oft etwas von meinen Reisen mit, Aufbewahrungsboxen etwa. Irgendwann habe ich angefangen, die Kinderzeichnungen zu rahmen. Dazu kamen andere persönliche Bilder, etwa eines, das immer bei meiner Oma hing. Das meine ich mit 'Geschichte' - ein Raum voller Erinnerungen."

Nada Lottermann war mal Model und arbeitet heute in Frankfurt/M. als Fotografin und Stylistin

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Leyla Piedayesh: Schluss mit Zauberwald

Designer Kinderzimmer

Quelle: Lala Berlin

"Als meine Tochter Lou ein kleines Mädchen war, hatte sie ein Traumkinderzimmer. Mir ging es darum, dass sie sich wohlfühlt in einem Umfeld, in dem auch ich mich wohl fühle. Ihr Zimmer glich einem verwunschenen Zauberwald. Ich hatte die Decke mit Lampen und Mobiles behängt. Es gab eine Tafelwand zum Bemalen, ein Tisch-Arrangement in Türkis-Tönen und auf dem Boden hatte ich quadratische Teppichpanele zu einem Farb-Mosaik gelegt. Jetzt sind wir umgezogen, und Lou wünscht sich einen Sitz-Ball für den Schreibtisch. Das ist aus ästhetischen Gründen zwar nicht schön, aber da ich mich selber mit der Auswahl des Bürostuhls schwer getan habe, bekommt sie ihn. Außerdem hat sie einen tollen Teppich von Rug Star, und ich habe mit Regalelementen von Cubit gearbeitet. Das sind Kuben in unterschiedlichen Größen und Farben mit denen man sich seine individuelle Regalwand zusammenstellen kann. Lou ist jetzt achte Jahre alt und mag es gar nicht, wenn ich etwas über ihren Kopf hinweg entscheide. Ich versuche allerdings, sie umzustimmen, wenn mir etwas gar nicht gefällt."

Leyla Piedayesh ist Modedesignerin und Gründerin des kultisch verehrten Hauptstadt-Labels Lala Berlin.

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Steffen Kehrle: Mehr Minimalismus

Spielzeugkiste auf Rädern Industriedesigner Steffen Kehrle München

Quelle: Matthias Ferdinand Döring

"Wenn man ein Baby bekommt, will man ja alles richtig machen. Meine Frau und ich haben uns lange überlegt, was wir für das Kinderzimmer unbedingt wollen: eine Wickelkommode, ein Bett, eine Sitzgelegenheit für uns selber und einen Teppich, weil Kinder am Anfang ja viel auf dem Boden krabbeln. Erst haben wir gedacht, dass ich alles selbst baue. Aber als unser Sohn da war, bin ich schnell davon abgekommen, alles selbst machen zu wollen. Self-made für Babys und Kleinkinder ist mir zu riskant, damit habe ich mich noch nicht genug beschäftigt. Es ist etwa wichtig, dass Kindermöbel von Experten auf ihre Sicherheit geprüft werden. Ich finde es prinzipiell übertrieben, wenn Sachen für Kinder genauso teuer sind wie für Erwachsene, allerdings gehört guter Geschmack zu meinem Job. Kriterien wie Qualität und Funktionalität bedeuten mir viel, die schöne Form entsteht eher indirekt im Herstellungsprozess. Um es kurz zu machen: Wir haben uns letztlich für eine Wickelkommode von Richard Lampert und ein mitwachsendes Bett von Stokke entschieden. Beides Firmen, die minimalistisch arbeiten - so wie ich auch."

Steffen Kehrle arbeitet als Produkt- und Möbeldesigner in München und hat als Dozent für Designtheorie unterrichtet.

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Katja Buchholz: Platz für Kreativität

Designer Kinderzimmer

Quelle: BUCHHOLZBERLIN

"In Frankreich sitzen Kinder selbstverständlich mit am Tisch und bekommen das Gleiche zu essen wie die Erwachsenen. Dieser Grundsatz hat uns so überzeugt, dass wir ihn auch auf unsere Möbel für Kinder ausgedehnt haben. Wenn ich für unsere fünfjährige Tochter einen Tisch baue, wende ich dieselbe Sorgfalt auf, wie für die Möbel, die ich für unsere Kunden entwerfe. Als Mavie noch kleiner war, habe ich ihr einen dreibeinigen Hocker geschenkt, den ich einem Melkschemel nachempfunden hatte. Ich habe ihr auch eine eigene Garderobe gebaut: ein Holzbrett, auf das ich alte Holztiere geschraubt habe, die als Haken dienen. Leider gibt es in diesem Bereich wenige Anbieter, aus eigener Erfahrung weiß ich, wie schwierig es ist, Hochwertiges zu einem kinderfreundlichen Preis herzustellen. Die Sachen von Haseweis aus Berlin etwa gefallen mir gut. Ich mag es, wenn Kinderzimmer-Möbel schlicht sind, dann kann sich die Kreativität der Kinder drum herumranken. Natürlich stehen auch bei uns quietschrosa Sachen. Für mich ist das schwer auszuhalten, aber ich sage mir: Das geht vorbei."

Katja Buchholz lebt als Architektin und Möbeldesignerin in Berlin und ist für ihre skulpturalen Tische aus Altholz bekannt

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Andreas Murkudis: Selbst ist das Kind

Designer Kinderzimmer

Quelle: Peter Schumacher

"Ich kenne viele durchdesignte Kinderzimmer, in denen schon vor der Geburt alles perfekt ist. Ich persönlich habe aber gar nicht erst versucht, mich so selbst zu verwirklichen. Denn alles, was ich mag, lehnen meine Kinder ab. Sie wollen keine Farbkonzepte und keine schlichten Teppiche, stattdessen wünschen sie sich eine unaufgeräumte Wohn-Höhle. Meine 13-jährige Tochter hat ein riesiges Bett in dem sie Hausaufgaben macht. Ich bin Minimalist, sie liebt es bunt und verschnörkelt. Das Zimmer meines neunjährigen Sohnes dagegen ist voller Lego und von der Decke hängt ein Seil. Es herrscht ästhetisches Chaos. Aber das ist okay, denn das ist ihr Rückzugsbereich, den sollte man respektieren. Solange die Wünsche der Kinder nicht exorbitant sind, erfüllen wir sie. Wir haben ihnen Basics in gutem Design und Qualität besorgt - etwa Stapelbetten und Schreibtische von Richard Lampert - den Rest haben sie selbst gestaltet. In Deutschland wird das Thema Kinder und Design ja sonst eher vernachlässigt. Man gibt hierzulande zwar viel für sein Auto aus, aber ungern für Möbel. Da stimmen oft die Relationen nicht."

Andreas Murkudis hat mit seinem Mode und Möbel-Sortiment Berlin fast im Alleingang guten Geschmack beigebracht.

© SZ vom 24.12.2016/afis
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