Dyson:Hightech-Haartrockner soll das Prinzip Föhn neu erfinden

Japan Dyson Founder

Staubsauger-Erfinder James Dyson bei der ersten Vorstellung seines Supersonic-Föhns im Jahr 2016.

(Foto: ullstein bild)

Obwohl das Gerät eines britischen Herstellers schon ein gutes Jahr auf dem Markt ist, haben sich seine inneren Werte noch nicht so richtig herumgesprochen. Die Lösung: Mehr Influence, bitte!

Von Max Scharnigg

Es ist wie in der Schule, die Störer sitzen in der letzten Reihe. Dabei müht sich der jugendliche Ingenieur vorne auf der Bühne gerade wirklich mit einer anschaulichen Darstellung von Elektromotoren ab. In der linken Hand hält er dazu einen Motor, etwa Avocadogroß, der einen handelsüblichen Haartrockner bisher unweigerlich schwer und laut gemacht habe. Rechte Hand: Ein Motor mit der Typbezeichnung V9, den die Firma Dyson schon vor einiger Zeit entwickelt hat, der nur so groß ist wie eine Pflaume und leise und leicht ein neues Föhn-Zeitalter einleiten soll.

Auf den hinteren Bänken aber, wo sich die deutschen Influencer und Beautyblogger freundschaftlich gurrend verklumpt haben, hält sich die Begeisterung in Grenzen. Vielleicht, weil bei vielen die letzte echte Physikstunde noch gar nicht so lange zurückliegt. Es werden stattdessen schon mal die Möglichkeiten der Dachterrasse und des Himmels über Paris erörtert. Beide sollen nämlich gleich, im Anschluss an den Vortrag, für Shootings dienen. Sicher ist: Der Eiffelturm soll auch aufs Bild, links neben die Frisur.

Der Ingenieur ist vorne inzwischen beim Aufbau des Haares angekommen, Schaubilder von Cortex und Cuticula werden gezeigt, wie man sie auch schon aus der Shampoo-Werbung kennt, mit den gleichen roten Pfeilen, die natürlich immer bedeuten: schädliche Einflüsse! Zentrale Botschaft hier ist aber, herkömmliche Föhnhitze und falscher Abstand beim Föhnen können zu einer beschädigten Cuticula führen. Drastische Bilder von kaputten Haarspitzen folgen, aufgenommen im Rasterelektronenmikroskop. Schocken die Beauty-Spezialistinnen aber auch nicht.

Zwischen den verschiedenen Experimenten mit Haaren wird von den Wissenschaftlern die technische Raffinesse des Dyson Supersonic erläutert. Eines Föhns, der auf den ersten Blick so aussieht wie die Geräte, mit dem in Science-Fiction-Filmen Menschen auf Verletzungen untersucht werden. Er ist das jüngste Ergebnis der typischen Dyson-Strategie: Ein eigentlich auserzähltes Alltagsprodukt umkrempeln, mit neuer Technik und starker Designsprache erst nahezu unkenntlich machen und dann zum Statussymbol.

Handtrockner, Staubsauger - und bald Elektroautos

Am besten funktioniert hat das mit dem beutellosen Staubsauger, den James Dyson vor 25 Jahren auf den Markt gebracht hat. Lange hatte es damals gedauert, bis das Ding fertig und ein Investor für das neuartige Prinzip gefunden war, umso schneller haben die Sauger Herrn Dyson dann zum Milliardär gemacht. Seinem Erfinderdrang tat das keinen Abbruch, es folgten Ventilatoren und jene Handtrockner, die heute in öffentlichen Toiletten mit fast 700 Kilometern pro Stunde Luftgeschwindigkeit herumpusten und eine Bewegung erfordern, als müsste man seine Hände in einen Toaster stecken.

Bestandteil der meisten Produkte ist mittlerweile ebenjener winzige, aber leistungsstarke Elektromotor, er ist die eigentliche Spezialität der Firma. Wahrscheinlich aber nur so lange, bis die ersten Elektroautos vom Band rollen, an denen am Hauptsitz im britischen Malmesbury intensiv geforscht wird. In zwei Jahren, so munkeln die Dyson-Ingenieure am Rande des Pariser Frisuren-Gipfels, könnte es so weit sein.

Beim anschließenden Rundgang durch die gut bewachte Loftetage, die Dyson für den internationalen "Hair Science Day" in Montmartre gemietet hat, stiftet Bloggerin Caroline Einhoff dann huldvoll ein Haar. Sie bedient über eine Million Follower auf Instagram und ist damit in der deutschen Influencer-Delegation hier sozusagen die Führungspersönlichkeit. Ihre Kolleginnen pendeln meist zwischen sechzig- und hundertzwanzigtausend auf der geldwerten Anhänger-Skala.

Sie sehen deshalb mit gemischten Gefühlen zu, wie ein weiterer Ingenieur das Caro-Haar entgegennimmt und in eine Zugmaschine spannt. Die Reißfestigkeit (bis zu zwei Kilo!) von gesundem und beschädigtem Haar soll damit demonstriert werden. Der kleine Mann im weißen Laborkittel ist aber so aufgeregt, dass das Haar schon vor dem Experiment reißt. Jetzt muss also noch ein Haar von Caroline Einhoff erbeten werden, und diese Panne immerhin nötigt selbst den plappernden Damen für ein paar Augenblicke gebannte Aufmerksamkeit ab. Das Haar der Starbloggerin reißt dann enttäuschend schnell, vielleicht postet Caro_e deshalb bis zum Abend auch kein Bild von der Dyson-Veranstaltung, nur ein paar Insta-Stories macht sie, das sind schnell verglühende Kurzimpressionen, sozusagen das Kleingeld der Branche. In ihrem Instagram-Feed sieht man sie an diesem Nachmittag stattdessen in sehr rotem Kleid und sehr unnatürlicher Pose einen Herren küssen, und zwar im Joshua Tree National Park. Wo sonst.

Dysons heiße Luft ist für manche Friseure ein Wettbewerbsvorteil

Bevor es mit den Elektroautos losgeht, ist Dyson das Haarwohl und damit die Gunst von Beautybloggerinnen und Style-Journalisten ein Anliegen. Aus elf europäischen Ländern wurden sie für diesen Tag nach Paris hofiert, um noch einmal von den inneren Werten des Super-Föhns überzeugt zu werden. Denn obwohl das Gerät schon ein gutes Jahr auf dem Markt ist, scheinen die sich noch nicht so richtig herumgesprochen zu haben.

Womöglich ist auch der Preis von knapp vierhundert Euro für einen Föhn dem Kunden nicht so einfach zu vermitteln wie für einen Staubsauger. Denn die schmutzige Wohnung erledigt sich ja nicht von selbst, nasses Haar hingegen nach einiger Zeit schon. Der Supersonic freilich besorgt diesen Vorgang sehr schnell, dank diverser Patente ohne schädliche Temperaturen jenseits der 150 Grad und mit einem Motor, der bis zu 110 000 Umdrehungen in der Minute erzeugt. Der Föhn liegt zudem so angenehm in der Hand wie ein Squashschläger und sieht, wie gesagt, nach Enterprise-Coiffeur aus.

Noch eindrucksvoller als die Verdienste um den Haarschutz ist eigentlich der Aufwand, den der Erfinder-Konzern bis hierhin betrieben hat: Ein paar Hundert verworfene Prototypen (beim Staubsauger waren es angeblich ein paar Tausend), 60 Millionen Euro Entwicklungskosten und, Achtung, 1625 Kilometer Testhaar wurden für den Supersonic in die Luft geblasen. Da schmerzt es die anwesenden Entwickler womöglich ein wenig, dass nun vor allem die fünf verschiedenen Farbvarianten besondere Aufmerksamkeit der Gäste finden, allen voran die knallige Version in Fuchsie-Anthrazit und die rote Valentinstag-Edition.

Klickende Kameras, hörige Boyfriends

Um das Föhngefühl noch anschaulicher zu erläutern, ist am Ende des Haar-Rundgangs eine Styling-Area eingerichtet, in dem sich ein halbes Dutzend Stylisten jetzt tapfer dem Ansturm der ohnehin schon perfekt gestylten Influencer entgegenstellt. Etwas abseits steht Shan Rahimkhan, ein sehr freundlicher, iranischer Starfriseur aus Berlin. Er wurde eingeflogen, weil er in seinen Salons mit dem Supersonic föhnt.

Jenseits des Mikrofons sagt er erfrischend ungeföhnte Sachen, zum Beispiel, dass ihm das Ding bares Geld einbringe. Nicht nur, weil er Markenbotschafter von Dyson ist, sondern weil er im Schnitt drei Kunden mehr am Tag durchnudeln kann, wenn die Haare schneller trocken sind. Heiße Luft als Wettbewerbsvorteil! Herr Rahimkhan gibt auch zu, dass sich natürlich nicht alle Friseure eine Investition in die Dysons leisten können, aber: "In der Branche reden alle über dieses Gerät." Er selbst werde zudem regelmäßig in das futuristische Hauptquartier ins ansonsten romantische Städtchen Malmesbury geladen, um mit James Dyson persönlich über noch mögliche Verbesserungen des Föhns zu sprechen.

Eine schöne Vorstellung, dass der 70 Jahre alte Supererfinder, vehemente Brexit-Befürworter und Besitzer der größten Privatyacht Englands immer noch mit der Feuchtigkeitsspeicherkraft des Haarkerns hadert. Es geht in der Föhntechnologie ja stets darum, nicht nur das Wasser an der Oberfläche zu tilgen, sondern auch das, was im Haar gespeichert ist. Mehr Hitze, war bisher die Antwort, und ergo mehr demolierte Cuticula. Ein Hochgeschwindigkeitsluftstrom soll das nun verhindern.

Zum Ausklang des Termins wird die Terrasse ihrer Bestimmung zugeführt, die Kameras klicken, ergebene Boyfriends tragen Designer- und Kamerataschen aus dem Bild. Auf den Fotos, die sich später im Netz verteilen, wippen elastische Frisuren über den Dächern von Paris. Darunter Hashtags: Parislove, Look, Streetstyle, Dysonhair und Kisses.

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