Deutschlands schönster Garten:Wie in einem Open-Air-Wohnzimmer

Deutschlands schönster Garten: Der preisgekrönte Garten in Lauf an der Pegnitz.

Der preisgekrönte Garten in Lauf an der Pegnitz.

(Foto: Alexander Koch/Callwey)

Was macht einen schönen Garten aus? Dschungelartiges Chaos oder durchkomponierte Ordnung? Der Besuch im "Garten des Jahres" in Franken lehrt: Hauptsache man fühlt sich zuhause.

Von Titus Arnu

Eine große alte Linde bewacht den Eingang. Von außen wirkt das Grundstück unscheinbar, es liegt in einem Wohngebiet bei Lauf an der Pegnitz. Ein spitzgiebeliges kleines Haus, an den Hang gebaut, rundherum stehen schachtelige Einfamilien- und Reihenhäuser mit Carports und typischen deutschen Vorgärten, ausgestattet mit Grill, Plastikmöbeln und Kinderschaukeln. Alexander Koch klingelt, das Tor summt leise, es öffnet sich - und man steht in einem Gartentraum.

Vor dunkelgrünem Hintergrund leuchten kugelige Hortensienblüten in Weiß und Rosé. Blau blühende Katzenminze, üppige Rhododendren, Wieseniris und andere Stauden fügen sich zu einem harmonischen Bild zusammen. Eine riesige alte Magnolie, ein Feldahorn und eine raketenförmig 13 Meter in die Höhe ragende Scheinzypresse erinnern an den ursprünglichen Garten aus den 1950er-Jahren. Auch wenn es nicht so aussieht, sind die meisten anderen Bäume und Büsche neu gepflanzt worden. 27 Zierapfelbäume der Sorte "Evereste" stehen links und rechts vom Weg, der zum Wohnhaus führt, sie scheinen den Hang hinauf zu tanzen. Im Frühjahr verbreiten sie intensiv duftende weiß-rosa Blütenwolken im Garten, im Sommer wachsen kleine rote Zieräpfel daran.

Alexander Koch, Gartenarchitekt aus Pähl südlich von München, hat dieses botanische Gesamtkunstwerk komponiert - und dafür die Auszeichnung "Garten des Jahres" bekommen. Der Preis wird vom Callwey Verlag und der Fachzeitschrift Garten + Landschaft ausgelobt, die 50 schönsten Privatgärten Deutschlands werden jedes Jahr in einem Bildband präsentiert. Das Angenehme an dem preisgekrönten Garten in Franken ist, dass er weder protzig noch gekünstelt wirkt, sondern natürlich und elegant.

"Für uns war der Garten immer erweiterter Wohnraum"

"Das ist ein belebter Familiengarten, kein steriler Repräsentationsort", sagt Sabine Spiller-Schlutius, die Hausherrin. Zusammen mit ihrem Mann Stefan Schlutius hat sie hier vier Kinder groß gezogen, im Winter wurde gerodelt, im Sommer Ball gespielt und im Pool gebadet. "Für uns war der Garten immer erweiterter Wohnraum", sagt sie. Ursprünglich wollte das Unternehmer-Ehepaar den Garten nur etwas auslichten, der Baumbestand war überaltert und die Aussichtzugewachsen. Eine Allee aus alten Birken versperrte den Blick vom Haus auf die Landschaft. Dann kam Alexander Koch, und es wurde schließlich eine komplette Neugestaltung - unter Berücksichtigung des alten Bestands.

Wie geht man an so ein schwieriges Projekt heran? Und was macht einen schönen Garten generell aus? Das ist sicherlich Geschmackssache. Die einen mögen das dschungelartige Chaos, die anderen die streng durchkomponierte, geradlinige Ordnung. Diese beiden Pole der Gartengestaltung ziehen sich seit Jahrhunderten durch die traditionelle europäische Gartenarchitektur. Auf der einen Seite gibt es den formal strengen französischen Garten mit seiner geometrisch akkuraten Aufteilung und den präzise geschnittenen Hecken, der im Barock seine höchste Blüte erreichte. Auf der anderen Seite den naturnahen Englischen Garten, der eher einem Landschaftspark gleicht.

Alexander Koch tendiert eher zur englischen Variante und gleichzeitig zur Opulenz. In seinen Gärten findet man zwar klare Linien und beschnittene Gehölze, aber selten Quadrate, Parallelen und schnurgerade Beete. "Symmetrie ist die Architektur des kleinen Mannes", findet Koch.

"Ein guter Garten schafft Geborgenheit"

Zusammen mit seiner Frau Birgit, die er beim Studium der Landschaftsarchitektur in Weihenstephan kennenlernte, plant Alexander Koch ausschließlich Privatgärten. Anders als bei öffentlichen Parks und Plätzen gibt es dafür besondere atmosphärische Anforderungen. "Ein guter Garten schafft Geborgenheit", sagt Alexander Koch, "besonders in Zeiten der Unsicherheit kuscheln sich die Leute gerne zu Hause ein."

Idealerweise bieten hohe Bäume, Hecken und Büsche einen Sichtschutz, gleichzeitig sollte man nicht das Gefühl haben, das alles von Pflanzen verschluckt wird. Ausblicke und Durchblicke sind unverzichtbar in einem schönen Garten. Fachleute sprechen von Raumbildung und Sichtachsen, von Tiefenwirkung und Farbgebung. Im Grunde geht es darum, dass man sich so zuhause fühlt in seinem Garten wie in einem Open-Air-Wohnzimmer.

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Der Schöpfer: Landschaftsarchitekt Alexander Koch.

(Foto: Alexander Koch/Callwey)

"Pflanzen Sie doch nicht so viel Phytomasse!" rief der Auftraggeber aus, als er den Plan des Gartenarchitekten zum ersten Mal sah. Auf Stefan Schlutius wirkte das Ganze zunächst wie ein gewaltiges Pflanzen-Chaos. Doch Alexander Koch hat alles präzise geplant und aufeinander abgestimmt, von der Platzierung der Bäume bis zur Farbe der Stauden. Es gibt Leitpflanzen wie den Zierapfel, dazu Begleitpflanzen, die sich überall im Garten wiederholen: Samthortensie, Lorbeerkirsche, Schneeball, Wieseniris und die weiße Hortensie "Anabell". Grün, blau und weiß sind die dominierenden Farben, rot und gelb findet man kaum. Hecken und Büsche schaffen Räume. Stufen, Mauern und Terrassen aus Thüringer Travertin geben den Hängen optisch Halt. Ein "Meisterwerk in Sachen Raumbildung", wie es die Jury formulierte.

Zudem wirkt der Garten so verwunschen, als sei er in Jahrzehnten gewachsen und nicht neu angelegt worden. Große Bäume wie die Felsenbirne sehen so aus, als stünden sie schon immer dort, dabei hat Alexander Koch sie unter großem Aufwand von einer Baumschule in den Garten transportieren lassen.

Ein Garten ist eigentlich nie fertig

Das Büro Koch & Koch hat 462 Gärten in Deutschland, Österreich, Portugal und Italien entworfen, vom begrünten Hinterhof bis zum Landschaftspark. Bei den meisten Projekten macht Alexander Koch die Planung, übernimmt aber nicht die Ausführung. Den komplizierten Auftrag in Lauf übernahm er schon 2006, seitdem ist er jedes Jahr mehrmals dort, um sein Werk zu vervollkommnen.

Ein Garten ist ja eigentlich nie fertig, er verändert sich dauernd. Seit zwölf Jahren optimiert Koch nun schon den Garten der Familie Schlutius, es ist eine behutsame, aber stetige Transformation. Ein Gärtner pflegt vor Ort den Rasen, die Stauden und die Büsche, aber zum Beschneiden der großen Gehölze und der Hecken reist der Meister persönlich an. Koch ist wie ein Bildhauer, der immer wieder mal an seinem Werk feilt, um es noch besser zur Geltung kommen zu lassen.

Ab und zu schlägt er Modifizierungen vor, etwa einen Baum zu kappen, um den Blick vom Haus auf die Hortensien zu verbessern. Und beim geplanten Umbau der Küche spielt der Garten fast die Hauptrolle - wenn es nach Alexander Koch ginge, würde ein moderner Anbau das Haus optisch mit dem Garten verschmelzen lassen. Nur auf Dekoration und Rosenbeete kann er problemlos verzichten. Fähnchen, Brunnen mit LED-Lichtspielen und Stangen mit Glitzerkugeln findet man nicht in seinen Gärten. Koch setzt eher auf das stimmige Gesamtbild als auf knalligen Kitsch: "Man kann auch mit zehntausend Rosen aus einem hässlichen Garten keinen schönen machen."

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