Design:Voll Bad

Eine Wanne in der Wohnung war früher ein seltener Luxus. In den Siebzigern wurden die Bäder verspielter, heute sind sie Wellness-Zonen. Eine Ausstellung erzählt die Geschichte.

Von Gerhard Matzig

Donna Karan ist gerade als Chefdesignerin ihres Labels "Donna Karan New York" zurückgetreten. Die 66-Jährige hat also mehr Zeit für ihr Hideaway auf der Privatinsel Parrot Cay. Das Eiland gehört zu den Caicos-Inseln der Karibik. Was soll man sagen? Der Sand ist göttlich, das Meer himmlisch - und die Menschen, die hier Ferien vom Glamour in raffaelloweißen Villen vor azurblauem Hintergrund machen, heißen Paul McCartney, Robert De Niro, Keith Richards, Hillary Clinton oder eben Donna Karan. Die Modeschöpferin besitzt eine Strandvilla, die man mieten kann - für 24 000 Dollar am Tag. Dafür gibt es sogar ein Außenklo.

Design: Der Badezimmer-Furor der Siebzigerjahre, darunter ein Beispiel von heute.

Der Badezimmer-Furor der Siebzigerjahre, darunter ein Beispiel von heute.

(Foto: Karl Huber Fotodesign/Hansgrohe Se)

Unter Gekicher - "isn't that good?" - erzählt die Managerin vom benachbarten Resort, das die Prominenten-Pracht verwaltet, wie absurd es ihr vorkommt, wenn ein einfaches Plumpsklo neben ein e Villa gebaut wird, während es in der Villa zahlreiche Bäder gibt, deren Luxus selbst den Ex-Bischof von Limburg entzücken dürfte. Zur Erinnerung: Franz-Peter Tebartz-van Elst ist nicht nur am Skandal der 31-Millionen-Euro-Kostenexplosion seines feudalen Bischofssitzes gescheitert, sondern auch am Bild einer "frei stehenden Designer-Badewanne", das den Boulevard wochenlang empörte.

Design: Ein Beispiel für ein Badezimmer von heute.

Ein Beispiel für ein Badezimmer von heute.

(Foto: Kuhnle+Knoedler Fotodesign GmbH)

Die einen sehnen sich also nach dem Plumpsklo als ultimativem Sanitär-Kick der Extravaganz - während wir anderen von der frei stehenden Badewanne als Höhepunkt unserer kleinbürgerlichen Bad-Karriere träumen. Das Bad ist wohl mehr als das, was die "Bauentwurfslehre" darunter versteht: ein "Raum mit Badewanne/Dusche und Toilette, der zur Mindestausstattung einer Wohnung gehört".

Heute mag das so sein. In Wien hatten 1912 höchstens fünf von einhundert Wohnungen einen eigenen Wasseranschluss; auch später wurde der Weg zur Toilette in österreichischen Wohnungsbauten mitunter seltsam indisch anmutend als "über den Ganges" beschrieben. In Deutschland hatte 1963 nur jeder dritte Haushalt ein eigenes Bad. Insofern ist das Bad von jeher ein schillernder Raum zwischen Selbstverständlichkeit und Sehnsuchtsort, zwischen Luxus und Existenzminimum. In den letzten Jahren wurde das Bad zum Terrain der Aufrüstung. Davon kündet schon der Weg durch die Bäderstraße im Baumarkt, in dem "Myriaden von Mischern, Batterien, Brausen in allen Farben und Formen, oft mit rätselhafter Kipp-Dreh-Drück-Mimik für das heimische Erlebnisbad funkeln" (Wolfgang Bachmann).

Design: Das industrielle Design der Axor-Kopfbrause stammt von der schwedischen Design-Gruppe "Front".

Das industrielle Design der Axor-Kopfbrause stammt von der schwedischen Design-Gruppe "Front".

(Foto: A. Schneider/Axor)

Von der Zinkbadewanne im Keller über die Nasszelle der Fünfzigerjahre bis zur privaten Wellnessoase heute - und wieder zurück, etwa zum karibischen Plumpsklo für 24 000 Dollar die Nacht: Die Evolution des Bades verrät viel über unser Selbstbild. Weshalb sich ein Besuch der "Hansgrohe Aquademie" im Schwarzwald anbietet. Im beschaulichen Städtchen Schiltach ist in den Räumen des Sanitärtechnik-Unternehmens Hansgrohe - gegründet 1901 von Hans Grohe, mittlerweile für einen Milliardenumsatz gut - die Ausstellung "Das Bad der 70er-Jahre" zu sehen. Die klug kuratierte Schau bietet einen Vergleich der Bäderkultur Europas, Asiens und Südamerikas - und in den Schauräumen der Firma nebenan lässt sich auch studieren, wie wir dem herrlichen Wahnsinn der Siebziger-Ästhetik wieder entkommen konnten.

Design: Philippe Grohe.

Philippe Grohe.

(Foto: Grohe)

Am Eingang des Museums wird man mittels klackerndem Diaprojektor, Asbach Uralt, Dual-Plattenspieler - charmanterweise liegt James Last auf, "Sing-mit-Party 2" - und röhrendem Elch an der Wand in den orangebraunen Ästhetik-Irrwitz jener Zeit entführt, ins "deutsche Wohnzimmer", dem das deutsche Badezimmer nicht nachsteht. Allein schon der grüne WC-Deckel-Bezug begegnet einem wie ein altbekanntes Trauma.

Roman Passarge, Leiter der Hansgrohe Aquademie, erklärt den Zusammenhang von sexueller Revolution und grünem WC-Outfit so: "Man begegnet sich in den Siebzigerjahren abenteuerlicherweise nackt im Bad, es gibt ja nun auch zwei Waschbecken nebeneinander, und wo könnte man wohl plaudernd sitzen? Auf dem WC-Deckel. Der ist aber aus Kunststoff, also kalt, folglich . . ." Folglich kam der moosgrüne Bezug über und der dazu passende Fußteppich unter uns. Herrlich. Das war also gar keine Geschmacksverirrung, das war im Grunde einfach nur Sex.

Sehr schön auch: das große deutsche Missverständnis namens Bidet. Nein, das niedrig angebrachte Sitzwaschbecken dient nicht der Fußreinigung - aber in den Siebzigern wurde es trotzdem schick, sich ein Bidet ins Bad zu holen, auch wenn die wenigsten stolzen Besitzer dieser bevorzugt in Südeuropa beheimateten Hygiene-Einrichtung wussten, was sie damit anfangen sollten. Das Bad wurde zum Ausdruck von Status und Weltoffenheit. Die Welt kam als Bidet zu Besuch nach Deutschland - und wurde netterweise als Aufforderung missverstanden, sich doch auch mal die Füße zu waschen.

Solche Missverständnisse und Transformationen gab es, das erklärt die Schau sehr schön anhand der asiatischen oder südamerikanischen Badkultur, auch anderswo. In Indonesien konnte es beispielsweise passieren, dass man nach westlichem Vorbild eine Toilette mit Spülkasten ausstattete. Allerdings gab es dafür keinen Wasseranschluss.

Wie sehr Bäder als Kulissen der Selbstdarstellung taugen, sieht man dann auch in jenen Aquademie-Bereichen, die dem zeitgenössischen Design vorbehalten sind. Philippe Grohe, Enkel des Firmengründers, leitet seit 2001 die Produktlinie "Axor". Bekannte Gestalter wie Philippe Starck, Antonio Citterio oder Patricia Urquiola entwerfen für Grohe Armaturen und ganze Innenarchitekturen. Die Nachfrage nach erlesener Ästhetik und raffinierter Funktionalität ist groß. Grohe: "Das Bad verliert zunehmend seine ausschließlich funktionale Ausrichtung und wird immer mehr zum Wohlfühl-, zum Lebensraum." Daher wird es individualisiert und aufgewertet. So gibt es Bäder, die einem, da Wasser ein Ausdruck nicht nur von Hygiene, sondern von Natur selbst ist, wie rousseauhafte Utopien eines besseren Lebens vorkommen. Aus dem Bad wurde erst eine Art Waschmaschine - jetzt sind wir dabei, daraus einen fast schon spirituellen Ort der Selbstfindung zu destillieren. Das Handwaschbecken mutiert zum Taufbecken.

Wobei man vielleicht bedenken sollte: Für jenen Teil der Menschheit, der keinen Zugang zu Trinkwasser oder einfachsten sanitären Möglichkeiten besitzt, wäre schon ein Außenklo genau das, was groteskerweise auch Donna Karan darin sieht: unfassbarer Luxus.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: