Dem Geheimnis auf der Spur:Sarastros dunkles Reich

Dem Geheimnis auf der Spur: Titelblatt des "Zauberflöten"-Librettos mit der mysteriösen Höhle.

Titelblatt des "Zauberflöten"-Librettos mit der mysteriösen Höhle.

(Foto: Archiv)

Eine Grotte bei Salzburg war einst geheimer Treffpunkt von Illuminaten und Freimaurern - und Vorlage für das Bühnenbild von Mozarts "Zauberflöte".

Von Helmut Mauró

An heißen Sommertagen ist es ein angenehm kühler Spazierweg, vorbei an Schloss Aigen, südlich von Salzburg, hinauf auf den Gaisberg. Entlang am Felberbach und seinem lang gezogenen, schmalen Wasserfall, an dessen Fuß sich der Bachlauf teilt. Linker Hand rauscht er durchs bewaldete Tal, rechter Hand nimmt er den Umweg über eine nicht übermäßig dimensionierte Grotte. Bis vor wenigen Jahren maß man dieser Höhle keinerlei Bedeutung zu. Im Sommer war der Eingang ohnehin von Buschwerk verdeckt. Man wusste schlichtweg nicht mehr, welche geheimnisvolle Bedeutung dieses ganze Gelände einst hatte.

Im frühen 18. Jahrhundert ging das einst in kirchlichem Besitz befindliche Schloss Aigen, zu dem das Gelände mit dem Gaisberg und einem berühmten Wildbad damals gehörte, an den Sekretär des Grafen von Kuenburg, Franz Josef Waldherr. Der hatte ein Faible für naturnahe Parks und ließ einen solchen im Waldgebiet des Gaisbergs einrichten. Und was später, mit allerlei klassizistischen Tempelchen und romantischen Ruinenkulissen als englischer Park berühmt wurde, das nahm der nachfolgende Eigentümer Optat Basil von Amman quasi schon vorweg, indem er den Park mit Denkmälern, Grotten, Obelisken und anderen Zierbauten möblierte. Amman, der acht Jahre vor Mozart geboren wurde, gestaltete den Gaisberg aber nicht nur irgendwie als Englischen Garten, sondern ganz gezielt als Treffpunkt für Mitglieder der Illuminatenloge Apollo. Auch die Grotte, durch die der Felberbach rauschte, wurde zu einer Versammlungshalle ausgebaut, bekam eine Türe mit verziertem Rahmen, und selbst die Tempelchen weiter oben auf dem Berg trugen Freimaurersymbole wie Zirkel und Winkel und Gottesauge.

Es gibt eine zeitgenössische Zeichnung vom Grotteneingang mit Wasserfall, die 1931 in einem Buch über politische Geheimbünde veröffentlicht wurde, und es gibt eine Darstellung, auf die der Organist, Instrumentenbauer und Musikforscher Helmut Perl im Jahr 2000 in einer Untersuchung zu Mozarts "Zauberflöte" aufmerksam machte. Es ist das Titelblatt des Zauberflöten-Textbuchs, das der Sänger, Librettist, Impresario und Theaterdirektor Emanuel Schikaneder quasi in eigenem Auftrag verfasst hatte. Es zeigt eine erleuchtete Höhle mit symbolischen Gegenständen und Zeichen und einen Bach, der mitten durchs Bild fließt. Aber das ist noch nicht alles. Unter den Skizzen zum Bühnenbild der Zauberflöten-Uraufführung 1791 im Freihaustheater findet sich für das Finale ein getreues Abbild der Felberbachgrotte, inklusive Wasserfall zur Linken.

Es besteht kein Zweifel, dass der so gestaltete Gaisberg samt Grotte, die inzwischen auch als Aigner-Höhle und Illuminatenhöhle firmiert, Vorbild für Schikaneders Bühnengestaltung war. Auch Mozart kannte das Gelände gut, seine Schwester, die er mehrfach in Salzburg besuchte, wohnte ganz in der Nähe. Und Mozart war Mitglied der Illuminaten, die sich vor staatlicher Verfolgung oft in harmlosen Freimaurer-Logen versteckten, diese geradezu unterwanderten. Zu Recht ängstigte sich die absolutistische Obrigkeit vor dem aufklärerischen Elan der Illuminaten. Vater Leopold schloss sich auf Drängen des Sohnes den Illuminaten an; offenbar war er doch kein so spießiger Untertan, wie man aufgrund seiner Ratschläge an den Sohn meinen könnte, sondern ein durchaus aufmüpfiger Intellektueller. Auch Wolfgang Amadé scheint kein kindischer, wenngleich musikalisch genialer, unpolitischer Einfaltspinsel gewesen zu sein, sondern auch in weltlichen Dingen selbständig denkend, der mit vielen Illuminaten eng befreundet war. In deren Zirkeln trafen sich die aufgeklärten Köpfe der Zeit, vom Verwaltungsreformer Montgelas bis zu Beethoven.

Auf einer alten Karte fand Helmut Perl den "Freundschaftshügel", den "Götterhain" und die Illuminaten-Grotte bei Salzburg. Der alte Graf auf Schloss Aigen bestätigte Perls Verdacht. Der vor acht Jahren verstorbene Franz Graf Revertera-Salandra lebte in dem einstigen Prunkhaus, gleich neben der Kapelle, in der Mozarts Eltern heirateten. Das Schloss war damals schon arg zerfallen, aber das Gedächtnis des Grafen noch lange nicht. Aus Berichten des Großvaters wusste er, dass auf dem Freundschaftshügel und in der Höhle regelmäßig rituelle Treffen der Illuminaten stattfanden und dass deren Bauten und die Ausstattung der Grotte nach dem Verbot des Ordens 1785 panikartig geschleift wurden.

Der Musikforscher Helmut Perl zog daraus weitreichende Schlüsse. Mozarts "Zauberflöte" sei alles andere als eine lustige Volksoper und auf keinen Fall eine Märchenoper. All die Widersprüche, über die so viele Bücher geschrieben wurden, lösten sich plötzlich auf in sinnfällige Zusammenhänge. Warum retten drei Damen einen Mann vor einer Schlange, und nicht der Mann die Frauen? Warum verwandelt sich bei Goethe für die Weimarer Aufführung die Schlange in einen Drachen? Wer ist die "sternenflammende Königin" und wer die "Königin der Nacht"? Wozu überhaupt der ganze Zinnober verschlüsselter Botschaften? Konnte ein durchschnittlicher Theaterbesucher das alles verstehen? Schikaneders Freihaustheater war schließlich eine Volksbühne und kein Hoftheater. Die Mächtigen gingen davon aus; in München wurde die Oper verboten. Mozart war gefährlich, er hatte ein politisches Bewusstsein, für das er einstand. Aber er war populär; das schützte ihn.

Am 5. Dezember 1791 stirbt Mozart. Viele Zeitgenossen glauben nicht an Zufall. Am selben Tag wird sein Illuminaten- Freund Baron van Swieten sämtlicher Ämter enthoben. Mozarts Witwe sucht die Briefe ihres Mannes zusammen, verbrennt die schlimmsten, schwärzt bei anderen verfängliche Stellen, schneidet Namen von Logenbrüdern heraus. Sie hat Angst. Auch andere zerstören alles, was auf Freimauerei und Illuminaten hinweisen könnte. An der Grotte besorgt die Natur den Rest, am Gaisberg ist heute nicht mehr viel von ihr übrig.

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